Die verfehlte Mahnung
— „Du Moritz, wenn du nicht den Lebertran nimmst, so
bekommst du auch Mittag keinen Kuchenl — Ich habe dir
schon gesagt-
-es gibt nichts gesünderes und bekömmlicheres für Alt
und Iung als einen tüchtigen Schluck — --
Reklame
Natürlich muß ich jedem Frager die Firma empfehlen. Am
Markt hat es eben noch um meinetwillen eine Verkehrsstockung
gegeben. Aber was macht das — IbOO Mark sind lOOO Mark
— und ich spare außerdem meine Garderobe!"
Jch starrte meine Frau an. „Dul Das wird Schule
machen —!"
20
Nichtig! Schon am folgenden Tage erhielt ich von einer
Sackfabrik ein glänzendes Angebot:
„Da, wie man erfahre, meine Frau-na, und so
weiter-erlaube man stch bei mir anzusragen, ob ich
geneigt sei, etwa in einem Sackanzug herumzulaufen — —"
Ich habe natürlich nicht abgeschlagen. —
Wir nutzen auch unsere Kinder für diesen Reklametrik aus.
Llnsere Elsa geht für eine Likörfabrik in einem dick-
bauchigen Flaschenkleid.
Ernst, unser Aeltester, hat stch einer elektrotechnischen
Firma verpachtet. Er läuft nachts mit Glühbirnenknöpfen
an Rock und Weste herum, läßt aus dem Anzug unver-
mutet elektrische Glocken und Sirenen ertönen und hat Arme
und Beine mit Draht umwickelt, so daß er einem wandeln-
den Dynamo ähnlich steht.
Lerbert läuft beim schönsten Sonnenschein für eine
Schirmfabrik mit einem aufgespannten grellroten Seiden-
schirm durch die Straßen.
Aennh geht mit einem Lorgnon und einem Opernglas
für eine Fabrik optischer Gläser. Sie trägt ein originelles
Trikotkleid, auf das überall Vrillen und Brillenschlangen auf-
gemalt sind, und auf dem Rücken hat sie ein riestges Fernrohr.
Franz geht für ein Sporthaus fast ständig im Taucher-
kostüm mit Glaskopfverkappung und Sauerstoff-Flasche.
And Kurtchen, dernochzur Schule geht, trägt auf dem Ran-
zen täglich das neuste Aufklärungsfilmplakat eines Kinos mit.
Was ich dadurch mit meiner Familie verdiene, hätte
ich mir nie träumen laffen!
Eine entgangene Möglichkeit
Manche Leute-oder nein: die meisten Leute, die
einen Schreibtisch haben, Pflegen diesen selten, sehr selten
aufzuräumen. Es scheint nun einmal zum Wesen eines
Schreibtisches zu gehören, daß er nur felten aufgeräumt wird.
Emil Brösicke hat einen großen Schreibtisch und ist seit
zwölf Iahren verheiratet. Vor zwölf Iahren auch hat er
den Schreibtisch ganz und gar aufgeräumt, nämlich kurz vor
seiner Lochzeit. Er hatte verschiedene Gründe dazu, —
sonst hälte er es vielleicht noch aufgeschoben.
Ietzt scheint es ihm wieder einmal an der Zeit, an die
allerdings sehr unsympathische Arbeit zu gehn. Er kramt
also alles aus dem Schreibtisch heraus, um neue Ordnung
zu schaffen. Frau Brösicke sieht dabei neugierig zu. Da
findet Brösicke nun unter vielen andern, längst vergeffenen
Sachen eine Brieftasche, eine prächtige, wohl erhaltene Brief-
tasche aus Saffianledsr. Er freut sich sehr. „An die Brief-
tasche hab' ich wirklich gar nicht mehr gedacht. Die hab'
ich mir damals für die Reise nach Tirol gekauft, — weißt
du noch: im Iuni 1914. Rachher hab' ich ste in den Schreib-
tisch gelegt, und dann kam der Krieg, und da hab' ich sie
ganz vergessen. Am Ende steckt da noch — Donnerwetter!"
Brösicke hat die Brieftasche geöffnet und neben ver-
schiedenen Lotelrechnungen von jener Reise noch drei Geld-
scheine entdeckt: drei österreichische Lundertkronennoten.
„Schade!" meint er bedauernd. „Die hätte ich früher finden
sollen, — jetzt sind ste nichts mehr wert."
Da aber fährt Frau Bröstcke aus. „Siehst du, Emil,
wie du immer unrecht hast! Besinne dich: ich hab' damals
doch gesagt, wir sollten lieber nach der Schweiz, aber du
hast nicht gewollt. Tirol wäre billiger und näher und über-
haupt — — na ja, wie ihr Männer eben immer recht
haben müßt. Da hast du 's jeht: wenn 's damals nach
mir gegangen wäre, da hätten wir jetzt drei Schweizer
Lundertfrankennotenl"
— „Du Moritz, wenn du nicht den Lebertran nimmst, so
bekommst du auch Mittag keinen Kuchenl — Ich habe dir
schon gesagt-
-es gibt nichts gesünderes und bekömmlicheres für Alt
und Iung als einen tüchtigen Schluck — --
Reklame
Natürlich muß ich jedem Frager die Firma empfehlen. Am
Markt hat es eben noch um meinetwillen eine Verkehrsstockung
gegeben. Aber was macht das — IbOO Mark sind lOOO Mark
— und ich spare außerdem meine Garderobe!"
Jch starrte meine Frau an. „Dul Das wird Schule
machen —!"
20
Nichtig! Schon am folgenden Tage erhielt ich von einer
Sackfabrik ein glänzendes Angebot:
„Da, wie man erfahre, meine Frau-na, und so
weiter-erlaube man stch bei mir anzusragen, ob ich
geneigt sei, etwa in einem Sackanzug herumzulaufen — —"
Ich habe natürlich nicht abgeschlagen. —
Wir nutzen auch unsere Kinder für diesen Reklametrik aus.
Llnsere Elsa geht für eine Likörfabrik in einem dick-
bauchigen Flaschenkleid.
Ernst, unser Aeltester, hat stch einer elektrotechnischen
Firma verpachtet. Er läuft nachts mit Glühbirnenknöpfen
an Rock und Weste herum, läßt aus dem Anzug unver-
mutet elektrische Glocken und Sirenen ertönen und hat Arme
und Beine mit Draht umwickelt, so daß er einem wandeln-
den Dynamo ähnlich steht.
Lerbert läuft beim schönsten Sonnenschein für eine
Schirmfabrik mit einem aufgespannten grellroten Seiden-
schirm durch die Straßen.
Aennh geht mit einem Lorgnon und einem Opernglas
für eine Fabrik optischer Gläser. Sie trägt ein originelles
Trikotkleid, auf das überall Vrillen und Brillenschlangen auf-
gemalt sind, und auf dem Rücken hat sie ein riestges Fernrohr.
Franz geht für ein Sporthaus fast ständig im Taucher-
kostüm mit Glaskopfverkappung und Sauerstoff-Flasche.
And Kurtchen, dernochzur Schule geht, trägt auf dem Ran-
zen täglich das neuste Aufklärungsfilmplakat eines Kinos mit.
Was ich dadurch mit meiner Familie verdiene, hätte
ich mir nie träumen laffen!
Eine entgangene Möglichkeit
Manche Leute-oder nein: die meisten Leute, die
einen Schreibtisch haben, Pflegen diesen selten, sehr selten
aufzuräumen. Es scheint nun einmal zum Wesen eines
Schreibtisches zu gehören, daß er nur felten aufgeräumt wird.
Emil Brösicke hat einen großen Schreibtisch und ist seit
zwölf Iahren verheiratet. Vor zwölf Iahren auch hat er
den Schreibtisch ganz und gar aufgeräumt, nämlich kurz vor
seiner Lochzeit. Er hatte verschiedene Gründe dazu, —
sonst hälte er es vielleicht noch aufgeschoben.
Ietzt scheint es ihm wieder einmal an der Zeit, an die
allerdings sehr unsympathische Arbeit zu gehn. Er kramt
also alles aus dem Schreibtisch heraus, um neue Ordnung
zu schaffen. Frau Brösicke sieht dabei neugierig zu. Da
findet Brösicke nun unter vielen andern, längst vergeffenen
Sachen eine Brieftasche, eine prächtige, wohl erhaltene Brief-
tasche aus Saffianledsr. Er freut sich sehr. „An die Brief-
tasche hab' ich wirklich gar nicht mehr gedacht. Die hab'
ich mir damals für die Reise nach Tirol gekauft, — weißt
du noch: im Iuni 1914. Rachher hab' ich ste in den Schreib-
tisch gelegt, und dann kam der Krieg, und da hab' ich sie
ganz vergessen. Am Ende steckt da noch — Donnerwetter!"
Brösicke hat die Brieftasche geöffnet und neben ver-
schiedenen Lotelrechnungen von jener Reise noch drei Geld-
scheine entdeckt: drei österreichische Lundertkronennoten.
„Schade!" meint er bedauernd. „Die hätte ich früher finden
sollen, — jetzt sind ste nichts mehr wert."
Da aber fährt Frau Bröstcke aus. „Siehst du, Emil,
wie du immer unrecht hast! Besinne dich: ich hab' damals
doch gesagt, wir sollten lieber nach der Schweiz, aber du
hast nicht gewollt. Tirol wäre billiger und näher und über-
haupt — — na ja, wie ihr Männer eben immer recht
haben müßt. Da hast du 's jeht: wenn 's damals nach
mir gegangen wäre, da hätten wir jetzt drei Schweizer
Lundertfrankennotenl"