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Reklame — „Für 50 Pfennig sehen Sie den ftärksten Mann der Welt. Ein Bewunderer hat jüngst sür einen

Ländedruck von ihm 1500 Mark gezahlt, — nämlich an den Arzt der die Land wieder kuriert hat.

Die schönsten Briefe

Eine Papierfabrik, die besonders feine Briefpapiere
herstellt, hat Preise von hunderttausend Mark ausgesetzt
sür die „schönsten Briefe^.

Gewiß werden sich sehr viele Leute um die Preise be-
werben. Es dürfle aber nicht leicht sein, da nun die ab-
solut schönsten Briefe herauszusuchen. Abgesehen davon,
daß doch die verschiedensten Gegenstände in den Briefen
behandelt sein werden. dürste selbst sür die Abschätzung ein-
und desselben Themas oft kaum ein einheitlicher Gradmesser
gefunden werden. Ein Brief z. B., der für den Absender
sehr schön ist, kann für dcn Empfänger ganz greulich sein.
Die Schwierigkeit des Anternehmens mögen die Beispiele
einiger sehr schöner, aber nicht mit konkurrierender Briefe
beweisen, die unter Mißachtung des heutzuiage ohnehin
nicht mehr so stramm geschützten Briefgeheimnifses hier mit-
geteilt werden tönnen.

Äochwohlgeboren

Lcrrn Professor Diegelmann.

Liber Lerr Profeffer!

Es tut mich sehr leid, dass ich schon so lange nichts von
Sie und Ihre libe Familie gehört habe» tue. Sie glauben
doch am Ende nicht, daß Sie jctzt nichts mehr kriegen sollen
und ich blos noch sür Schieber was übrig habe. Aber ich
denke, die Eisenbahn ist Sie jeht zu leuer, daß keiner mehr
zu uns rauskommt. Deshalb lomme ich die nächste Woche
mal selber in die Stadt und bringe was für die Frau
Professer mit. Wenn's recht ist, bringe ich fünf Pfund
Butler, das Pfund zu zehn Mark, ein Schock Eier, das
Slück zu dreißig Pfennig, und einen schönen Räucherschinken,
das Pfund sieben Mark. Ich bringe auch eine große Kanne

Milch un.d einen Topf 5oonig für die Kinderchen. !lnd zum
Lerbst liefere ich Sie Kartoffeln, daß Sie den ganzen
Winker haben; ich denke den Zentner zu fünf Mark.

Schönste Grüße von

Lebrecht Simpel, Oekonom in Ganskrug.

llnd nun als Gegenstück dieser ganz anders geartete,
aber auch hervorragend schöne Brief:

An Iakob Schindig.

Großbauer in Murksdorf.

Gemeiner Kerl!

Sie haben die Frechheit gehabt, mir Kartoffeln zu
dreihundert Mark Pro Zentner anzubieten. und biloen sich
ein, ich werde Ihnen bei Ihrer schurkischen Ausbeutung der
Stadtbevölkerung helfen. Wenn das Wucheramt elwaS
taugte, würde ich Sie anzeigen. So begnüge ich mich da-
mit, Ihnen zu erklären, daß Sie von allen ländlichen Geld-
hamsterern und bäuerlichen Lallunken Ihrer Gegend der
größte Lump, Schurke u»d Schweinhund sind. Loffentlich
wird Ihnen alles erwucherte Papiergeld bald gestohlen
oder von den Schweinen aufgefressen. Im übrigen wünsche
ich Ihnen den Galgen oder den Besuch des Teufels.

Bastian, Kartoffelhändler.

Ein Brief von ungewöhnlicher Zartheit, die eine herbe
Notwendigkeit mild umzuckert, ist dieier, der übrigens als
Muster fttr ähnliche Fälle dienen könnte:

Lerrn

Schriftsteller Agathon Schmiedicke.

Lochverehrter Meister!

Sie haben die uns tief rührende Güte gehabt, uns mit
36 Ihrer »euesten Gedichte unendlich zu erfreuen. Aber
wie jeder Freudenkelch den Bodensatz bitterer Lefe birgt,

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