Die Brille des Herrn
Zademack
Von Peter Robinson
Krick — krack!
Es war ein unbedeuten-
des Geräusch, aber dem
alten Zademack schien es,
als ob das ganze Laus
über ihm zusammenstürzte.
Eine kurze Zeit wartete er,
um sich noch von der Loff-
nung umschmeicheln zu
lassen, daß es ja nicht so
schlimm sein würde, dann
ging er daran, das Maß
des Anglücks zu ergründen.
Das war etwas umständ-
lich, denn er mußte den
Tastsinn zu Äilfe nehmen,
da er nicht ordentlich sehen
konnte. Um ordentlich sehen
zu lönnen, hätte er eine
Brille aufhaben müssen,
von deren Konkavgläsern
das rechte die Stärke von
22 v, das linke von 20,5 v
hatte. Aber um eben diese
Brille handelte es sich bei
besagter Ergründung, und
deshalb konnte er sie natllr-
lich nicht auf haben. So
kam er erst allmählick zu
der von einem zagenGemüt
zunächst noch bezweifelten.
-L.
Das Zimmermädchen — „Es ist doch merkwürdig: grad'
in einer Fremdenpension tun die Lerren immer so bekannt."
Heimkehr vom landwirtschaftlichen Feste
— „Liesl, i bin ja so glückli wia neamand auf da Welt, auf
der oan Seil'n hob' i di, auf da andern d' Preiskuha."
von einem erbarmungs-
losen Verstand aber be-
stätigten Feststellung, daß
der Verlust der Brille voll-
kommen wäre. Die Gläser
waren zertrümmert, das
Gestell zerbrochen. Die
Brille war hin, ganz und
gar hin.
Ein niederträchtiges Zu-
sammenwirken von Schwä-
chen und Kräften hatle
dazu geführt. Schwäche
hatte Zademack veranlaßt,
sich ein Weilchen auf seinem
allen Diwan auszuftrecken,
Schwächehatteihmdieinder
Land gehaltene Brille ent-
gleiten lassen, und Schwäche
war es gewesen, daß er sich
nicht gleich danach gebückt,
sondern sich darauf ver-
lassen hatte, er würde nach-
her schon daran denken, daß
da die Brille läge. Eine
Kraft aber hatte stramm
die Flurklingel in Bewe-
gung gesetzt, — eine üb-
rigens unbekanntgebliebene
Kraft, denn als Zademack
nachher zur Tür hinaus-
sah, war niemand da; es
hatte also wohl jemand
irrtümlich geklingelt, was
die Gemeinheit des ganzen
Vorgangs noch erhöhte.
And Kraft war es gewesen,
mit der Zademack bei jenem
Klingeln in gehörigem Nuck sich aus-
gerichtet hatte, und schließlich leider auch
zu bedeutende Kraft, mit der er dann
auf die Brille getreten war. Ia, und
nun war sie also hin, ganz und gar hin.
Der alte Zademack hatte diese Brille
als seine einzige zehn Iahre lang be°
sessen. Als er sie angeschafft hatte, war
er noch im Amt gewesen. Inzwischen
aber war er einer von jenen Pensionären
des Staates geworden, die heutzutage
mit einer niemals von ihnen erwarteten
Kümmerlichkeit durch den Nest ihres
Lebens sich hindurchwinden müssen. Die
Brille hatte 25 Mark gekostet. Das
war damals viel Geld gewesen, aber
dafür hatte sie auch Lenticulargläser ge-
habt, zu welchem Luxus Zademack sich
entschlossen hatte, weil seine Ohr-
muscheln elwas empfindlich waren. Eine
Brille mit gewöhnlichen Gläsern vo»
solcher Stärke hätte ein verhältnismäßig
bedeutendes Gewicht gehabt und durch
niederträchtiges Ziehen auf die Dauer
Zademacks Ohrmuscheln sehr gekränkt.
Er hatte sich also zu der teueren An-
schaffung durchaus berechtigt gehalteu.
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Zademack
Von Peter Robinson
Krick — krack!
Es war ein unbedeuten-
des Geräusch, aber dem
alten Zademack schien es,
als ob das ganze Laus
über ihm zusammenstürzte.
Eine kurze Zeit wartete er,
um sich noch von der Loff-
nung umschmeicheln zu
lassen, daß es ja nicht so
schlimm sein würde, dann
ging er daran, das Maß
des Anglücks zu ergründen.
Das war etwas umständ-
lich, denn er mußte den
Tastsinn zu Äilfe nehmen,
da er nicht ordentlich sehen
konnte. Um ordentlich sehen
zu lönnen, hätte er eine
Brille aufhaben müssen,
von deren Konkavgläsern
das rechte die Stärke von
22 v, das linke von 20,5 v
hatte. Aber um eben diese
Brille handelte es sich bei
besagter Ergründung, und
deshalb konnte er sie natllr-
lich nicht auf haben. So
kam er erst allmählick zu
der von einem zagenGemüt
zunächst noch bezweifelten.
-L.
Das Zimmermädchen — „Es ist doch merkwürdig: grad'
in einer Fremdenpension tun die Lerren immer so bekannt."
Heimkehr vom landwirtschaftlichen Feste
— „Liesl, i bin ja so glückli wia neamand auf da Welt, auf
der oan Seil'n hob' i di, auf da andern d' Preiskuha."
von einem erbarmungs-
losen Verstand aber be-
stätigten Feststellung, daß
der Verlust der Brille voll-
kommen wäre. Die Gläser
waren zertrümmert, das
Gestell zerbrochen. Die
Brille war hin, ganz und
gar hin.
Ein niederträchtiges Zu-
sammenwirken von Schwä-
chen und Kräften hatle
dazu geführt. Schwäche
hatte Zademack veranlaßt,
sich ein Weilchen auf seinem
allen Diwan auszuftrecken,
Schwächehatteihmdieinder
Land gehaltene Brille ent-
gleiten lassen, und Schwäche
war es gewesen, daß er sich
nicht gleich danach gebückt,
sondern sich darauf ver-
lassen hatte, er würde nach-
her schon daran denken, daß
da die Brille läge. Eine
Kraft aber hatte stramm
die Flurklingel in Bewe-
gung gesetzt, — eine üb-
rigens unbekanntgebliebene
Kraft, denn als Zademack
nachher zur Tür hinaus-
sah, war niemand da; es
hatte also wohl jemand
irrtümlich geklingelt, was
die Gemeinheit des ganzen
Vorgangs noch erhöhte.
And Kraft war es gewesen,
mit der Zademack bei jenem
Klingeln in gehörigem Nuck sich aus-
gerichtet hatte, und schließlich leider auch
zu bedeutende Kraft, mit der er dann
auf die Brille getreten war. Ia, und
nun war sie also hin, ganz und gar hin.
Der alte Zademack hatte diese Brille
als seine einzige zehn Iahre lang be°
sessen. Als er sie angeschafft hatte, war
er noch im Amt gewesen. Inzwischen
aber war er einer von jenen Pensionären
des Staates geworden, die heutzutage
mit einer niemals von ihnen erwarteten
Kümmerlichkeit durch den Nest ihres
Lebens sich hindurchwinden müssen. Die
Brille hatte 25 Mark gekostet. Das
war damals viel Geld gewesen, aber
dafür hatte sie auch Lenticulargläser ge-
habt, zu welchem Luxus Zademack sich
entschlossen hatte, weil seine Ohr-
muscheln elwas empfindlich waren. Eine
Brille mit gewöhnlichen Gläsern vo»
solcher Stärke hätte ein verhältnismäßig
bedeutendes Gewicht gehabt und durch
niederträchtiges Ziehen auf die Dauer
Zademacks Ohrmuscheln sehr gekränkt.
Er hatte sich also zu der teueren An-
schaffung durchaus berechtigt gehalteu.
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