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— Grüß Gott! Lerr Gerichtsvollzieher! Das einzige, was Sie
bei mir noch nehmen können, ist — Abstand von der Pfändung!"

„Nachhilfe"-Stunde

— „Wollen wir nicht zusammen ins Familienbad gehen,
Fräulein Bumperl?"

— „Mit Vergnügen, Lerr Meier, aber warum drücken
Sie sich so kompliziert aus, wenn Sie mich heiraten
wollen?"

Eine kleine Berechnung

Großmeier ist ein viel wifsender, federgewandter Mann;
er schreibt sehr interefsante Aufsätze, die in allen möglichen
Blättern erscheinen und gewiß gern gelesen werden. Damit
ernährt er sich.

Neulich begegnete mir Großmeier. Sein Aussehen
wollte mir nicht gefallen. Deshalb sagte ich natürlich zart-
fühlend: „O, Sie sehen aber gut aus! Wie geht's denn?"

„Wie soll 's gehn?" antwortete Großmeier verdrossen.
„Vorläufig geht 's ja noch, aber 1926 ist Schluß, dann ist 's
aus, dann bin ich erledigt."

Ich erschrak, denn ich dachte, er hätte ein chronisches
Leiden, und kundige Aerzte hätten ihm diese düstere Prog-
nose gestellt. Aber dann erklärte mir Großmeier: „Die
Sache ist nämlich so Ich stehe um acht Ahr morgens auf.
Schlafen zu geh» Pflegte ich früher um zehn Ahr. Mit dem
Aufstehn ist es so geblieben, aber mit dem Schlafengehn
hat sich das sehr geändert. Erst blieb ich bis elf Ahr auf,
dann bis zwölf, — na, und jetzt komme ich nie vor drei
Uhr ins Bett. Warum? Na, das brauche ich doch nicht
zu sagen. Ich muß doch arbeiten, wie verrückt arbeiten;
nur durch ein ständig wachsendes Maß von Arbeitsleistung
kann ich einigermaßen, aber auch nur einigermaßen mit der
Teuerung Schritt halten. Gut also, — vor einem Iahre
noch ging ich um zwölf Uhr zu Bett, jetzt wird es, wie
gesagt, zwei Ahr. Macht in einem Iahre ein Plus von
zwei Stunden. Angenommen, daß es dabei bleiben wird,
dann gehe ich also 192Z um vier, 1924 um sechs ins Bekt,
und 1925 müßte ich das um acht Ahr morgens tun, was
aber keinen Zweck hälte, da ich zur gleichen Zeit aufstehn
muß. 1926 aber müßte ich bis zehn Ahr morgens aufbleiben,
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und das geht nicht, denn der Tag hat nicht sechsundzwanzig
Stunden, sondern bloß vierundzwanzig. Dann ist also
Schluß, dann ist's aus, dann bin ich erledigl!"

And damit lies Großmeier fort, denn er mußte sich
beeilen, wiever an seinen Schreibtisch zu kommen. -on.

Die Handlesekunst

Ich bin 36 Iahre alt, geistiger Arbeiter, verheiratet
und Vater von vier Kindern. Meine Frau teilt würdig
mein miltelhochfeines Erdenlos. Als ich gestern meinen
Schreibtisch der monatlichen Reinigung unterzog, fand ich
unter den aufgestapelten Rezensionsexemplaren neuer Bücher
auch eine Brofchüre über die Landlesekunst. Einer plötzlichen
Aufwallung folgend beschloß ich, diese nicht nur zu rezen-
sieren, sondern auch zu lesen. Meine Frau teilte diese Ab-
sicht und wir begannen mit dem Studium der chiromantischen
Tafeln.

Meine Frau hatte sofort die Leiratslinie entdeckt —
aber nur auf der Tafel. Auf meiner Land fehlte diese
gänzlich und die treue Genossin meiner Ehejahre war nur
durch die inlensive Betrachtung unseres Brautbildes (ich
im Gehrock, sie im Brautschleier), wieder davon zu überzeugen,
daß wir wirklich verheiratet sind. In dieser Auffaffung
wurde sie noch dadurch bestärkt, daß aus einer Linie meiner
Land sich ergab, ich würde bedeutend unter Geburtswehen
zu leiden haben. Die Kopf oder Verstandeslinie erschien
nur schwach angedeutet, was meiner Frau wieder bedeutendes
Zutrauen zu der neuen Wiffenschaft einflößte. Triumphierend
sagte sie: „Lab' ich's nicht immer gesagt? Du bist dumm!
Was mußt du ein Epos dichten, schreib einen Schwank!"
Durch wiffenschaftliche Meffungen auf meiner Lebcnslinie
mußten wir dann zu unserm Bedauern erfahren, daß ich
seit zirka drei Iahren verstorben bin.

In diesem Augenblick kam heulend unser dreijähriger
Paul hereingestürmt. Er hatte beim Aeberqueren der
Straße das Gleichgewicht verloren und war in eine größere
Anlage Kuhmist gefallen. Wir haben diese Tatsache bereits
ohne weitere Zuhilfenahme des Buches lediglich aus der
Innenfläche seiner linken Land feststellen können. Effka.

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