Ausreichend — „Wat, nich jenug Zweige hat Ihnen der
Weihnachtsboom? Aber Mann, — bei die Preise for Kerzen!"
Dte künstliche T-nite
Rätin, denn da kommt — meine Tante zu Besuch.
Iawohl, meine Tante!" — „AH I Ihre Frau Tante!"
echote die Steuerrätin, „wie intereffant! Woher
stammt denn die Frau Tante, wenn ich fragen darf?"
„Aus — aus Dinkelsbühl!" Ivg ich wciter. „Was?
Aus Dinkelsbühl? Nein! Wie intereffant!" jubelte
die Rätin, ohne daß ich noch den Grund ihres Ent-
zückens begriff. Aber das Sprichwort, daß eine
Lllge die andere gebiert, sollte sich sogleich unerbitt-
lich weiter an mir erfüllen. — „Wie heißt denn
eigentlich Ihre Frau Tante, wenn ich mir erlauben
darf?" inquirierte die Rätin weiter. Mir wurde es
ungemüllich, aber jetzt konnte ich nicht inehr zurück.
Wie sie heißt? „Ach so, wie sie heißt?" stammelte ich,
„meine Tante heißt Anna — warten Sie mal — Anna
Ritter heißt sie!" — Ietzt aber geriet die Rätin in einen
wahren Paroxismus von Wonne. — „Wie? Die Anna
Ritter aus Dinkelsbühl?" schrie sie, „Nein! Das ist ja groß-
artig!" — Noch immer begriff ich nicht, warum das groß-
artig sei, aber schon kam die Erllärung. — „Nein, welche
Freude!" trillerle die alte Rätin, ,,die Anna Nitter! Wir
nnd doch zusammen in die Nähschule gegangen!" — Mein
Gesicht verzog sich zu einem blöden Lächeln. — „Uebrigens,
eine reizende Dame, Ihre Frau Tante!" ging es jetzt
weiter, „eine ganz charmante Frau! Liebenswürdig, herzens-
gut, gebildet und immer heiter und guter Dinge. Ia, ja,
die Anna Ritter aus Dinkelsbühl! Sie hat ja doch übrigens
auch ein Laus am Bodensee? Nicht wahr?" — „So?
Ein Laus? Ia — ich glaube!" plapperte ich mechanijch.
Was hätte ich auch sagen sollen? — „Aber natürlich hat
sie ein Laus am Bodensee!" erklärte die Rätin mit Be-
stimmtheit, „das weiß ich ganz genau. Nein," wieder-
holte sie, „das ist ja fabelhaft interessant! Wissen Sie was?
Kommen Sie doch morgen mittag mit Ihrer Frau Tante
zum Essen. Sie wird sich sicher freuen!" — Aber die Ver-
zweiflung lieh mir Festigkeit. Was hätte ich auch tun
sollen? — „Tausend Dank,
Frau Rätin!" sagte ich,
„aber diesmal geht es wirk-
lich nicht. Meine Tante
habe ich wohl ein Iahr
lang nicht gesehen, und sie
sehnt sich darnach, sich mit
mir auszusprechen. Sie
verstehen das ja sicher!" —
Dies Argument schlug
durch. Die Steuerrätin
verstand das und ließ mit
wohlwollenderResignation
von mir ab, nicht, ohne mir
tausend herzliche Grüße an
ihre liebe Freundin aus
der Nähschule aufgetragen
zu haben. Der Sonntag
war gerettet. Freilich um
welchen Preis! Aber da-
ran dachte ich nicht weiter
in der freudigen Aussicht
auf den Ausslug mit der
schlanken, blonden Leni, der
denn auch aufs anregendste
und lustigste verlief. Am
Sonntag hatte ich bereits
alles vergessen.
Aber die künstliche Tanke lebte weiter. Kaum war sie
sozusagen in die Erscheinungswelt getrcten, da genoß sie
auch schon die bürgerliche Achtung, erfreute sich materieller
Borteile und, was die Lauptsache war, sie hatte sofort einen
Charakter und — ein Laus am Bodensee. Am Montag
früh bereits wurde ich daran erinnert.
Nichtsahnend trat ich in den Laden meines Zigarrcn-
händlers, um mir cin bescheidenes Kraut einzuhandeln. Mit
ungewohnter Dienstbefliffenheit stürzte er an seinen Laden-
tisch, erging stch in einigen höflichen Sentenzen über den
Sonntag »nd das Wetter, um dann meine Wünsche ent-
gegenzunehmen. Doch er langte nicht nach der gewohnten
Kiste auf dem Regal, sondern zog mit vielsagender Miene
aus irgend einem geheimen Fach ein besonderes Kistchen,
das er mir unter die Nase hielt.
„Lier," meinte er fast feierlich, „hätte ich noch was ganz
besonderes für meine bevorzugte Kundschaft. Ein Zigarrchen!
Na, ich sag' Ihnen! Wollen Sie's nichl mal damit versuchen?"
— Ich erkundigte mich vorsichtig nach dem Preis und wich
sodann erschrocken zurück: „Nein, wo denken Sie hin, Ver-
ehrtester, das ist mir zu teuer!" — Doch der Ländler rieb
sich schmunzelnd die Lände und meinte mit unverkennbarer
Lochachtung: „Sie brauchen ja die Zigarren nicht jetzt zu be-
zahlen, wenn es ungelegen
kommt. Sie sind mir ja sich er!
Ich bitte Sie! wenn man
eine Tante mit Grundbesitz
am Bodensee hat und der
einzigeErbe ist! Da lommts
ja gar nicht drauf an." —
Er lachte generös übers
ganze Gesicht: „Ia, ja Glück
muß der Mensch nur haben,
sagte meine selige Mutter
immer, dann bleibt Pech
nicht kleben! — Also wie
ist's? Darf ich Ihnen 100
Stück einpacken oder wün-
schen Sie gleich ein halbes
Dutzend Kistchen?" — Ich
ließ mich willenlos von mei-
nem Schicksal treiben und
verließ den Laden mit einer
Anzahl Kistchen unterm
Arm, mit denen ich nun-
mehr dem Büro meiner
Firma zusteuerte.
Nicht lange danach ließ
mich mein Chef in sein
Privalbüro rufen. Er bot
tForlscyung Scite löS)
Protest — „Wie heißt, warum willste mich fressen auf, hab'
ich schon emol gefressen auf eins von deiner Verwandschaft?"
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Weihnachtsboom? Aber Mann, — bei die Preise for Kerzen!"
Dte künstliche T-nite
Rätin, denn da kommt — meine Tante zu Besuch.
Iawohl, meine Tante!" — „AH I Ihre Frau Tante!"
echote die Steuerrätin, „wie intereffant! Woher
stammt denn die Frau Tante, wenn ich fragen darf?"
„Aus — aus Dinkelsbühl!" Ivg ich wciter. „Was?
Aus Dinkelsbühl? Nein! Wie intereffant!" jubelte
die Rätin, ohne daß ich noch den Grund ihres Ent-
zückens begriff. Aber das Sprichwort, daß eine
Lllge die andere gebiert, sollte sich sogleich unerbitt-
lich weiter an mir erfüllen. — „Wie heißt denn
eigentlich Ihre Frau Tante, wenn ich mir erlauben
darf?" inquirierte die Rätin weiter. Mir wurde es
ungemüllich, aber jetzt konnte ich nicht inehr zurück.
Wie sie heißt? „Ach so, wie sie heißt?" stammelte ich,
„meine Tante heißt Anna — warten Sie mal — Anna
Ritter heißt sie!" — Ietzt aber geriet die Rätin in einen
wahren Paroxismus von Wonne. — „Wie? Die Anna
Ritter aus Dinkelsbühl?" schrie sie, „Nein! Das ist ja groß-
artig!" — Noch immer begriff ich nicht, warum das groß-
artig sei, aber schon kam die Erllärung. — „Nein, welche
Freude!" trillerle die alte Rätin, ,,die Anna Nitter! Wir
nnd doch zusammen in die Nähschule gegangen!" — Mein
Gesicht verzog sich zu einem blöden Lächeln. — „Uebrigens,
eine reizende Dame, Ihre Frau Tante!" ging es jetzt
weiter, „eine ganz charmante Frau! Liebenswürdig, herzens-
gut, gebildet und immer heiter und guter Dinge. Ia, ja,
die Anna Ritter aus Dinkelsbühl! Sie hat ja doch übrigens
auch ein Laus am Bodensee? Nicht wahr?" — „So?
Ein Laus? Ia — ich glaube!" plapperte ich mechanijch.
Was hätte ich auch sagen sollen? — „Aber natürlich hat
sie ein Laus am Bodensee!" erklärte die Rätin mit Be-
stimmtheit, „das weiß ich ganz genau. Nein," wieder-
holte sie, „das ist ja fabelhaft interessant! Wissen Sie was?
Kommen Sie doch morgen mittag mit Ihrer Frau Tante
zum Essen. Sie wird sich sicher freuen!" — Aber die Ver-
zweiflung lieh mir Festigkeit. Was hätte ich auch tun
sollen? — „Tausend Dank,
Frau Rätin!" sagte ich,
„aber diesmal geht es wirk-
lich nicht. Meine Tante
habe ich wohl ein Iahr
lang nicht gesehen, und sie
sehnt sich darnach, sich mit
mir auszusprechen. Sie
verstehen das ja sicher!" —
Dies Argument schlug
durch. Die Steuerrätin
verstand das und ließ mit
wohlwollenderResignation
von mir ab, nicht, ohne mir
tausend herzliche Grüße an
ihre liebe Freundin aus
der Nähschule aufgetragen
zu haben. Der Sonntag
war gerettet. Freilich um
welchen Preis! Aber da-
ran dachte ich nicht weiter
in der freudigen Aussicht
auf den Ausslug mit der
schlanken, blonden Leni, der
denn auch aufs anregendste
und lustigste verlief. Am
Sonntag hatte ich bereits
alles vergessen.
Aber die künstliche Tanke lebte weiter. Kaum war sie
sozusagen in die Erscheinungswelt getrcten, da genoß sie
auch schon die bürgerliche Achtung, erfreute sich materieller
Borteile und, was die Lauptsache war, sie hatte sofort einen
Charakter und — ein Laus am Bodensee. Am Montag
früh bereits wurde ich daran erinnert.
Nichtsahnend trat ich in den Laden meines Zigarrcn-
händlers, um mir cin bescheidenes Kraut einzuhandeln. Mit
ungewohnter Dienstbefliffenheit stürzte er an seinen Laden-
tisch, erging stch in einigen höflichen Sentenzen über den
Sonntag »nd das Wetter, um dann meine Wünsche ent-
gegenzunehmen. Doch er langte nicht nach der gewohnten
Kiste auf dem Regal, sondern zog mit vielsagender Miene
aus irgend einem geheimen Fach ein besonderes Kistchen,
das er mir unter die Nase hielt.
„Lier," meinte er fast feierlich, „hätte ich noch was ganz
besonderes für meine bevorzugte Kundschaft. Ein Zigarrchen!
Na, ich sag' Ihnen! Wollen Sie's nichl mal damit versuchen?"
— Ich erkundigte mich vorsichtig nach dem Preis und wich
sodann erschrocken zurück: „Nein, wo denken Sie hin, Ver-
ehrtester, das ist mir zu teuer!" — Doch der Ländler rieb
sich schmunzelnd die Lände und meinte mit unverkennbarer
Lochachtung: „Sie brauchen ja die Zigarren nicht jetzt zu be-
zahlen, wenn es ungelegen
kommt. Sie sind mir ja sich er!
Ich bitte Sie! wenn man
eine Tante mit Grundbesitz
am Bodensee hat und der
einzigeErbe ist! Da lommts
ja gar nicht drauf an." —
Er lachte generös übers
ganze Gesicht: „Ia, ja Glück
muß der Mensch nur haben,
sagte meine selige Mutter
immer, dann bleibt Pech
nicht kleben! — Also wie
ist's? Darf ich Ihnen 100
Stück einpacken oder wün-
schen Sie gleich ein halbes
Dutzend Kistchen?" — Ich
ließ mich willenlos von mei-
nem Schicksal treiben und
verließ den Laden mit einer
Anzahl Kistchen unterm
Arm, mit denen ich nun-
mehr dem Büro meiner
Firma zusteuerte.
Nicht lange danach ließ
mich mein Chef in sein
Privalbüro rufen. Er bot
tForlscyung Scite löS)
Protest — „Wie heißt, warum willste mich fressen auf, hab'
ich schon emol gefressen auf eins von deiner Verwandschaft?"
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