Swarlkopps Vrrlvbungen Das Eisblumenfenstor
langweilen. Manchmal bin ich mit der Emma ins Theater gegangen, aber es
durften nur alte Trauerspiele und solche berühmten Sachen sein, wo gar nichts
zu lachen bei war. And in Konzerte find wir auch gegangen, aber davon hab'
ich überhaupt nichts verstanden, denn von Tanzmusik war da nichts zu merken.
Na also: die Emma Stremel hätte 'ne respektable Kapitänsfrau sein können,
und wenn der alte Bausewein von so viel Solidität Bescheid gewußt hätte, da
hätt' er stch nicht lang' zu besinnen brauchen, wer dem alten Claassen sein Nach-
folger auf der „Adele" werden sollte.
Ja, und in Riga war nun die Iohanna, — das Lannchen, wie ich sie bald
gern genannt hätte. Aber ich durste bloß „Fräulein Lannchen" sagen. Der Alte
Spirgatis, ihr Vater, war aus Ostpreußen nach Riga gekommen, als Schneider-
geselle, und später hatte er sein eignes Geschäft ausgemacht und gute Kundschaft
bekommen. Dadurch kam ich auch in Bekanntschast mit ihm, — ich ließ mir näm-
lich bei ihm 'nen Anzug machen, und bei der Gelegenheit sah ich die Johanna
zuerst. „Von welchem Schiffchen sind Sie denn?" fragte sie mich. und darüber
hab' ich zuerst lachen mllssen, denn ich wußte noch nicht, daß sis da oben alle
so reden. Wenn sie mit der Eisenbahn fahren wollen, dann setzen sie sich in das
Zugchen, und der größte Köter ist 'n Lundchen, und der — na, wie heißt er doch?
— ja, der Gaurisankar ist 'n Bergchen. !lnd selbst das allergrößte Glas Grog
ist 'n Grogchen. Spirgatis, der Vater, war ein fideler Mann, und gleich am
zweiten Tag gingen wir mit der Iohanna in den Zirkus Ciniselli, was damals
ein berühmter Zirkus in Rußland war. Ich freu' mich noch heute, was für ein
Vergnügen die Iohanna damals gehabt hat, — besonders, als die Elefantchen
kamen. Na, und als ich 's zweite Mal wieder nach Riga kam, da haben wir
schon getanzt, und ein Kußchen hab' ich auch bald gekriegt, wovon aber der alte
Spirgatis nichts wissen durfte.
Ia, so war das in Lamburq, und so war das in Riga, und es war 'ne
angenehme Abwechslung dabei. Aber mit der Abwechslung mußte ja wohl a»f-
gehört werden, wenn geheiratet werden sollte. Aber welche? Jch hätte meinen
Ehestand lieber in Deutschland gehabt, und dafür war in Äamburg die Emma
da, aber das Lannchen war lustiger, bloß aus Riga hätte sie nicht fort mögen,
denn so ganz allein wollte sie ihren alten Vater — er war'n Witwer, das hab'
ich noch nicht erzählt — doch nicht sttzen lassen. Das war wirklich eine schwere
Geschichte, und wenn der Mensch nicht weiß, was er tun soll, ist das ein un-
gemütlicher Zustand. Ich hab' mal von einem Esel gehört, der zwischen zwei
Bündeln Leu verhungert ist, weil er nicht wußte, von welchem er zuerst fressen
sollte. Na, so ein Esel wollte ich nicht sein, und schließlich wußte ich denn doch,
wie ich's machen mußte. Eines Tags sag' ich zu Iochen Stantien: „Du, zu Weih-
nachten verlob' ich mich, aber wirklich und bestimmt."
„Mit welcher denn?" fragt Stantien. Denn er wußte Bescheid.
„Aber Mensch, wie kann ich das jetzt schon wissen!" sag' ich. „Weißt du
denn schon, wo wir mit der ,Adele' zu Weihnachten sein werden?" — Denn es
war im Sommer, und noch hätte kein Mensch ausrechnen können, wo die „Adele"
zu Weihnachten liegen würde, ob in Lamburg oder in Riga.
Manchmal mußten wir hier oder dort doch 'n bißchen länger
auf Fracht warten. Ia, wenn unser Kapitän Claassen ver-
heiratet gewesen wäre, dann wär' das 'ne andere Sache ge-
wesen. Aber so war es ihm ganz egal, wo er grad' zu Weih-
nachten war; er satz doch bloß in der Kajüte und trank Grog.
Iochen Stantien lacht nun und meint: „Mensch, das
scheint mir 'ne sehr unsichere Geschichte. Wetten, daß da zu
Weihnachten noch nichts draus wird?" Denn, wie ich schon
gesagt hab', — er war immer aufs Wetten aus.
„Schön, wetten!" sag' ich, ein bißchen beleidigt, weil er
nicht glauben wollte, ich hätte mich so stramm entschlossen.
„Lundert Mark!" sagt Iochen Stantien. Das war ja
viel Geld, aber ich war nun auch hitzig und schlag' ein, und
die Sache war abgemacht, und es war mir 'ne ordentliche
Beruhigung, daß ich jetzt mit der Geschichte so gut wie fertig
war. Denn ich wollte doch Stantien nicht die Wette gewinnen
lassen, — na, und nun mußte ich mich schon deshalb verloben.
Aber welche es nun sein würde, — den Gedanken schlug ich
mir jetzt ganz aus dem Kopf, der wäre mir so auf das Ende
doch 'n bißchen unbehaglich gewesen. Am liebsten wär' mir
lFortsetzung Sette 18Z> fg;
gewesen, wenn ich den Kalender hätte vergessen können, da-
mit dann auf einmal ganz unvermutet Weihnachten da ge-
wesen wäre. Aber ich sah keine Zeitung an noch sonst was,
worauf ein Dalum zu sehen war, und alle Eintragungen ins
Logbuch ließ ich Iochen Stantien machen.
Ia, nun passen Sie aber auf, jetzt verwickelt sich die Ge-
schichte. Am l l. Dezember war's, da ging die „Adele" von
Niga ab, und am 15. waren wir in Lamburg, u»d am 18.
konnten wir wieder auslaufen. Na, nun wußt' ich, woran
ich war. Sehr nett war ich noch zu der Emma, und ein schönes
Armband hab' ich ihr geschenkt, und dann hab' ich ihr gesagt,
ich würd' ihr schreiben. Daß der Brief 'n höllisches Stück
Arbeit sein würd', hab' ich mir gedacht, und deshalb fing
ich gleich an zu überlegen, wie wir auf See waren. Am driiten
Tag überleg' ich immer noch. Da sind wir so 'n Stück hinter
Bornholm, und Iochen Stantien hat grad' die Wache — der
alte Claassen lag die ganze Zeit mit Nheumatismus in der
Koje —, und ich denk' an meinen Brief. Auf einmal aber
komme ich ganz aus meinem Aeberlegen heraus, denn ich
langweilen. Manchmal bin ich mit der Emma ins Theater gegangen, aber es
durften nur alte Trauerspiele und solche berühmten Sachen sein, wo gar nichts
zu lachen bei war. And in Konzerte find wir auch gegangen, aber davon hab'
ich überhaupt nichts verstanden, denn von Tanzmusik war da nichts zu merken.
Na also: die Emma Stremel hätte 'ne respektable Kapitänsfrau sein können,
und wenn der alte Bausewein von so viel Solidität Bescheid gewußt hätte, da
hätt' er stch nicht lang' zu besinnen brauchen, wer dem alten Claassen sein Nach-
folger auf der „Adele" werden sollte.
Ja, und in Riga war nun die Iohanna, — das Lannchen, wie ich sie bald
gern genannt hätte. Aber ich durste bloß „Fräulein Lannchen" sagen. Der Alte
Spirgatis, ihr Vater, war aus Ostpreußen nach Riga gekommen, als Schneider-
geselle, und später hatte er sein eignes Geschäft ausgemacht und gute Kundschaft
bekommen. Dadurch kam ich auch in Bekanntschast mit ihm, — ich ließ mir näm-
lich bei ihm 'nen Anzug machen, und bei der Gelegenheit sah ich die Johanna
zuerst. „Von welchem Schiffchen sind Sie denn?" fragte sie mich. und darüber
hab' ich zuerst lachen mllssen, denn ich wußte noch nicht, daß sis da oben alle
so reden. Wenn sie mit der Eisenbahn fahren wollen, dann setzen sie sich in das
Zugchen, und der größte Köter ist 'n Lundchen, und der — na, wie heißt er doch?
— ja, der Gaurisankar ist 'n Bergchen. !lnd selbst das allergrößte Glas Grog
ist 'n Grogchen. Spirgatis, der Vater, war ein fideler Mann, und gleich am
zweiten Tag gingen wir mit der Iohanna in den Zirkus Ciniselli, was damals
ein berühmter Zirkus in Rußland war. Ich freu' mich noch heute, was für ein
Vergnügen die Iohanna damals gehabt hat, — besonders, als die Elefantchen
kamen. Na, und als ich 's zweite Mal wieder nach Riga kam, da haben wir
schon getanzt, und ein Kußchen hab' ich auch bald gekriegt, wovon aber der alte
Spirgatis nichts wissen durfte.
Ia, so war das in Lamburq, und so war das in Riga, und es war 'ne
angenehme Abwechslung dabei. Aber mit der Abwechslung mußte ja wohl a»f-
gehört werden, wenn geheiratet werden sollte. Aber welche? Jch hätte meinen
Ehestand lieber in Deutschland gehabt, und dafür war in Äamburg die Emma
da, aber das Lannchen war lustiger, bloß aus Riga hätte sie nicht fort mögen,
denn so ganz allein wollte sie ihren alten Vater — er war'n Witwer, das hab'
ich noch nicht erzählt — doch nicht sttzen lassen. Das war wirklich eine schwere
Geschichte, und wenn der Mensch nicht weiß, was er tun soll, ist das ein un-
gemütlicher Zustand. Ich hab' mal von einem Esel gehört, der zwischen zwei
Bündeln Leu verhungert ist, weil er nicht wußte, von welchem er zuerst fressen
sollte. Na, so ein Esel wollte ich nicht sein, und schließlich wußte ich denn doch,
wie ich's machen mußte. Eines Tags sag' ich zu Iochen Stantien: „Du, zu Weih-
nachten verlob' ich mich, aber wirklich und bestimmt."
„Mit welcher denn?" fragt Stantien. Denn er wußte Bescheid.
„Aber Mensch, wie kann ich das jetzt schon wissen!" sag' ich. „Weißt du
denn schon, wo wir mit der ,Adele' zu Weihnachten sein werden?" — Denn es
war im Sommer, und noch hätte kein Mensch ausrechnen können, wo die „Adele"
zu Weihnachten liegen würde, ob in Lamburg oder in Riga.
Manchmal mußten wir hier oder dort doch 'n bißchen länger
auf Fracht warten. Ia, wenn unser Kapitän Claassen ver-
heiratet gewesen wäre, dann wär' das 'ne andere Sache ge-
wesen. Aber so war es ihm ganz egal, wo er grad' zu Weih-
nachten war; er satz doch bloß in der Kajüte und trank Grog.
Iochen Stantien lacht nun und meint: „Mensch, das
scheint mir 'ne sehr unsichere Geschichte. Wetten, daß da zu
Weihnachten noch nichts draus wird?" Denn, wie ich schon
gesagt hab', — er war immer aufs Wetten aus.
„Schön, wetten!" sag' ich, ein bißchen beleidigt, weil er
nicht glauben wollte, ich hätte mich so stramm entschlossen.
„Lundert Mark!" sagt Iochen Stantien. Das war ja
viel Geld, aber ich war nun auch hitzig und schlag' ein, und
die Sache war abgemacht, und es war mir 'ne ordentliche
Beruhigung, daß ich jetzt mit der Geschichte so gut wie fertig
war. Denn ich wollte doch Stantien nicht die Wette gewinnen
lassen, — na, und nun mußte ich mich schon deshalb verloben.
Aber welche es nun sein würde, — den Gedanken schlug ich
mir jetzt ganz aus dem Kopf, der wäre mir so auf das Ende
doch 'n bißchen unbehaglich gewesen. Am liebsten wär' mir
lFortsetzung Sette 18Z> fg;
gewesen, wenn ich den Kalender hätte vergessen können, da-
mit dann auf einmal ganz unvermutet Weihnachten da ge-
wesen wäre. Aber ich sah keine Zeitung an noch sonst was,
worauf ein Dalum zu sehen war, und alle Eintragungen ins
Logbuch ließ ich Iochen Stantien machen.
Ia, nun passen Sie aber auf, jetzt verwickelt sich die Ge-
schichte. Am l l. Dezember war's, da ging die „Adele" von
Niga ab, und am 15. waren wir in Lamburg, u»d am 18.
konnten wir wieder auslaufen. Na, nun wußt' ich, woran
ich war. Sehr nett war ich noch zu der Emma, und ein schönes
Armband hab' ich ihr geschenkt, und dann hab' ich ihr gesagt,
ich würd' ihr schreiben. Daß der Brief 'n höllisches Stück
Arbeit sein würd', hab' ich mir gedacht, und deshalb fing
ich gleich an zu überlegen, wie wir auf See waren. Am driiten
Tag überleg' ich immer noch. Da sind wir so 'n Stück hinter
Bornholm, und Iochen Stantien hat grad' die Wache — der
alte Claassen lag die ganze Zeit mit Nheumatismus in der
Koje —, und ich denk' an meinen Brief. Auf einmal aber
komme ich ganz aus meinem Aeberlegen heraus, denn ich