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„Diese Salbe macht jedes Leder weich und geschmeidig. Wenn Sie 's an Ihren Stiefeln
nicht riskieren wollen, dann benützen Sie die Probe doch zunächst als Lautcreme!"

Willensbeeinflussung

verdient hatte. Dazu wurde noch frisch im Ofen eingeschürt,
der Schirm über der Lampe tief herabgezogen, daß es ge-
mütlich halbdunkel im Zimmer wurde, und nun konnten die
drei Lerren Punsch trinken und weise Männerworte
tauschen.

Edwin Cyliax kostete und sprach: „Famos! Man sollte
viel öfter Punsch haben!" Das war ein weises Wort.

Moriy Stumpf sagte: „Man hat früher viel zu wenig
Punsch getrunken!" Das war auch ein weises Wort.

Paul Gämm aber meinte vergnügt: „Na, wenigstens
haben wir jetzt welchen, und man muß immer das Gegen-
wärtige genießen." Und das war das weiseste Wort.

Nun ließ Moritz Stumpf ven Spender des Tranks hoch
leben, der aber diese Ehre gar nicht annehmen wollte. O
nein, das wäre doch ganz selbstverständlich gewesen, darüber
sollte man kein Wort verlieren. Edwin Cyliax aber schlug
auf den Tisch und rief: „Anfinn — dreimal hoch sollst du
leben!" And dazu trank er gleich zwei Gläser Punsch. Cyliax
kann nämlich sehr viel an geistigen Getränken vertragen,
ganz ungeheuer viel, wenn er nur ruhig dabei sitzen bleibt;
die Folgen zeigen sich erst, wenn er nachher an die frische
Luft kommt, und dann auch gleich mit einem katastrophalen
Schlage. Aber er hatte gar
nicht die Abficht, in dieser
Nacht noch an die frische Luft
zu kommen; er nahm stch vor,
später auf Paul Glimms
Diwan in sanften Schlummer
zu sinken. Wenn er aber das
Bett kriegen, und Paul
Glimm sich mit dem Diwan
begnügen würde, so würde
das noch besser sein. In dieser
Abstchttranker forsch,munter
sein Glas füllend, wenn die
beiden andern noch gar nicht
so weit waren. Ia, er stellte
im Stillen schon eine kleine
Berechnung an, wie weit

der Inhalt der Terrine wohl reichen wttrde, nnd wie
hoch ein anständiger Löwenanteil sich belaufen würde. Oder
eher einTigeranteil, denn einTigerwird sicher nochmehrhaben
wollen als ein Löwe, weil er von Natur unverschämter ist.

Der Zusammenhang zwischen den auf Punsch gerichteten
Gedanken und der angestellten Berechnung brachte Cyliax
schließlich dahin, daß er zu schimpfen anfing. „Das ist nun
Punsch, ein famoser, ein wonnereicher Punsch, aber srüher
war so elwas gar nichts Außerordentliches, — pah, wer
weiß wie oft konnte man das haben! Das ist doch jetzt ein
geradezu schweinemäßiger Zustand, daß so ein Punschabend
eine unerhörke Ausnahme ist; das ist gar kein menschliches
Dasein mehr."

Paul Glimm meinte beruhigend: „Wir haben ja die
schlechten Zeiten nicht gemacht; wir sind nicht schuld daran,
und das ist doch immerhin ein Trost."

„Ach was, wenn man im Wurstkessel ist, nützt so ein
Trost verflucht wenig," sagte Moritz Stumpf. „Da ist
Schimpfen schon besser. Ich fluche jeden Tag dreimal und
am Sonntag, weil ich da mehr Zeit habe, sogar fünfmal
auf die Kerle, die uns im Wurstkessel drin haben. Tot-
schlagen müßte man die Bande."

„Freilich, — totschlagen müßte man siel" bekräftigte
Paul Glimm. In diesem
Fall war auch bei ihm solch
kräftigcr Wunsch durchaus
am Platz, nicht trotz, sondern
grade wegen seiner Ncttig-
keit, denn wenn er nicht ge-
wünscht hätte, daß jene
Kerle totgeschlagen würden,
dann wäre er ja eben doch
nicht ein netker Mensch ge-
wesen.

Edwin Cyliax fand hier
ein Problem. „Totschlagen?
Dann kommen andere. Nein,
man müßte ihnen auf irgend
eine Weise andere Entschlüsse
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