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DaA Von Peter Robinson

„Morgen früh brauche ich hundert Eier," sagte der
Oberpostsekretär Zademack zu seiner Frau Beate, ebe er üch
am Sonnabend vor Ostern zum Dienst nach seinem Poftamt
begab, dem Postamt U der freundlichen und betriebsamen
Miitelstadt. „Wohlgezählte hundert Eier, — Lühnereier
natürlich."

„Bunte?" erkundigte sich Frau Zademack mit einigem
Erftaunen über die aus den gewohnten Verhältniffen der
Osterseier weit hinausragende Zahl.

„Ansinn-, ungekochte, frische Eier, und keins darf

einen Knicks haben. Du kriegst sie nachher auch wieder und
kannft sie dann einkalken oder sonstwie konservieren, — sie
werden ja im Laushalt immer zu verwenven sein. Zch
möchte einmal eine rechle deutlche Osterfeier haben und unsere
Zungen mit der Wiederbelebung eines schönen alten Oster-
brauches des Mittelalters überraschen. Also, liebe Beate,
genau hundert Eier müffen es sein."

Damit ging Zademack auf sein Poftamt, und die Gattin
begab sich mit dem Dienstmädchen auf den Markt und kauste
Eier, aber nicht mit jenem Vergnllgen, das ihr, als einer
guten Äausfrau, solche Vorratsanschaffung sonst gemachl
hätte. Denn der Wiederbelebung eines schönen alten Brauches
sah ste mit einigem Mißbehagen entgegen. Der Oberpost-
sekietär hatte das schon ein paarmal gemacht, aber jedesmal
hatle es sich gezeigt, daß die wiederbelevten Bräuche doch
irgendwie nicht in die heutige Zeit oder zum minvesten nicht
in den Oberpostsekretärshaushalt hineinpaßten. Das Wieder-
beleben wäre besser unterblieben, denn es hatte immer mit
etwas häuslichem Skandal geendigt. Aber es ist ja auch
eine alte Erfahrung, daß Wiederbelebungsversuche stets mit
großer Vorsicht unternommen werden müffen. Zavemack
dagegen neigte zu Angestüm in solchen Dingen; er hatte eine
Leidenschaft dafür, von Zeit zu Zeit derartige kleine Aus-
flüge in eine serne Vergangenheit zu unternehmen, wenn
ein entsprechender Fund in irgend einem populären kultur-
geschichtlichen Werk ihn dazu gereizt hatte. Solche Bücher
nämlich bildeten die Lieblingslektüre seiner Mußeftunden,
soweit er sie zu L>ause verbrachte. Die Zeitungen las er
auf dem Postamt, nicht nur die notwendige Ortszeitung,
auch fremde, die von andern Leuten bei der Post abonniert
waren. Manchmal, wenn er mit der Lektüre solch eines
Blattes noch nicht fertig war, bekam der Briefträger es erst
bei der nächften Beftellung mit.

Der Oberpostsekretär Zademack behauptete von sich selbst,
an ihm wäre eigentlich ein Kulturhistoriker verloren gegangen.
Diesen Verlust einigermaßen gut zu machen, war er eifriges
Mitglied des „Listorischen Vereins", der unter den Sozie-
täten der freundlichen und betriebsamen Mittelstadt einen
ehrenvollen Platz einnahm. Ursprünglich hatte er — unv in
den Vereinssayungen ftand das noch — die Pflege hiftorischer
Kenntniffe im allgemeinen beabsichtigt, nachdem aber einige
Male dle Besprechung politischer Amwäizungen früherer
Zeiten die Lust an Parallelen in der Neuzeit geweckt, dies
aber Zwietracht, Lader und Streit ergeben, ja faft eine
Spaltung des Vereins herbeigefllhrt hatte, — da hatte man
sich mehr und mehr auf das weniger gefähl liche, aber eigentlich
viel interessantere Gebiet der Kulturgeschichte beschränkt.
Aber auch hier waren Gegensätze zu merken, indem nämlich
die einen bei der Betrachtung vergangener Lebensformen
seufzten und von scböneren Zeiten sprachen, während die
anderen nur glauzvoll Lleberholtes varin sahen. Der Ober»
poftlekrelärZademackwar unterdenSeufzenden; erschwärmte
kFortsptzn^a «kire 23)

VepeinkaM

billnscsten vvnrcl gröOer un6 vveifl es nun, —

LVus jstn runäcstst sestr nukgeregt, —

Oufl nicstt cier iinse clie ^ier legt,
biein, clnfl es clie eigenen siüstner tun!
Inclessen rnnn mullte scston glauben.

Oocch frngte siünscsten nocst muncsterlei:
Warum grnö' clie siüstner uncl ni-cht clie l'auben?
Oncl vvesstalb clns nicklt gleicst tsrbig sei?

L/ncl vvarurn vvär's uusgerecstnet weiß?

Llncl vvoclurcch belcüm's clunn clie stsrte Zcstnle?
popacsten vvarcl es clunn ullmüstlicil steiO,
^eclocii er erlclürte verscstieclene stlale,
stlun gübe clen i-iüstnern viel KuIIc ^um ?ra6,
Worous clunn nucilster 6ie Zcstulen entstünclen.
Onck siünscilen krogte nocil clies un6 clas,
Vesonclers, vvo solciler KoIIc ru kinclen.

Llnci ols er uucil clns in ^rkniirung gebrociit,
^ntklog er ilüukig ciem tleimiscilen iieste
Onck iiut sicil ciann bis ^um Osterkeste
2u biouse ^iemlicii rur gemocilt.

Oocil om l'uge vor Ostern clucilte mun cirun,

Oie ^ier ous clem ZtuIIe LU ilolen —

„Oomit mun sie nocil iremnlen IcLrnn!" —
Zprucil Voter unci mnciite sicil sciion ouk clie Loillen.
Oie stiutter ckesgleiciien. Oos iiünsctlen inciessen,
Oas nuciiclenlclicil brlltencl om 1'isciie gesessen,
Zpringt plötrlicil suk, sein Lesiciltciien strsillt:
„iiicilt nötlg! Ictl tlsb' gleicii cien Ksilc bemslt!"
 
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