Der Nastelbinderjunge
— „Vilt' schön, Fräulein, kaufen Sie mir a Mausfallen ab,
kvstet nur I Mark!"
— „Ia, was soll ich damit, ich hab' ja gar keine Mäuse!"
— „Die können Sie schon haben — die hab' ich auch bei mir!"
„Lausbub' miserabler, da hast du die Mark für die Falle,
und jeyt schau, daß du weiter kommst!"
Häusliches Nepetitorium
— „Will mal sehen, ob du in der Schule was gelernt hast,
Iunge. Lier ist ein Fästchen Wein, von dem ich dir Löhe
und Amsang angebe. Wre findest du den Inhalt?"
— „Ich habe noch nicht probiert, Vater!"
Die Geschichte meiner Wandlung
Von Peter Robinson
Wie nur Kochbrot auf die Idee gekommen sein mag,
daß ich-—? Sehe ich denn so aus, als ob-?
Labe ich vielleicht unabsichtlich in ihm den Irrtum erregt,
ich sei auch-?
Aber ich will mir doch noch einmal genau ins Gedächt-
nis zurllckrufen, w>e die Geschichte eigentlich zu Stande ge-
kommcn ist. Ich saß also am Spätnachmittag ganz friedlich
(wie ich das immer bin) in meinem Arbeitsztmmer, ar-
beitete emfig (wie ich das manchmal tue) und hatte neben
mir ein ganz großes Glas stehn mit Zitronenlnnonade,
was llbrigens ein Pleonasmus ist, denn das Wort Limo-
nade allein bedeutet ja schon ein aus Zitronensaft bereitetes
klldles Getränk. Zch trinke selten Limonade, ganz außer-
ordentlich selten. Aber an jenem Tage hatte ich grade
großen Durst, weil ich etwas recht Salziges zu Mittag ge-
gessen hatle. Sonst genügt mir zwischen Mcktag- und Abend-
essen der Kaffee, und später am Abend trinke ich dann ein
oder auch zwei Gläier Grog von Rum. Das habe ich mir
so angewöhnt, seitdem ich einmal — es ist nun schon lange,
lange her! — meinen Freund Drischkaleit hinten in Ost-
Preußen besucht habe, wo die Leute bekanntlich das ganze
Iahr hindurch Grog trinken, während man sonst doch den
Grog mehr sllr ein Wintergetränk anzusehn Pflegt. Aber
einen Anterschied machen sie doch in Ostpreußen. Sie sagen:
im Sommer muß man Giog trinken und im Winter viel
Grog. Sie find vernllnftige Leute, die Ostpreußen. —
Zch saß also an meinem Schreibtisch und war ziemlich
träge — — aber nein: vorhin habe ich ja etwas ganz an-
deres behauptet und muß nun auch dabei bleiben; also:
ich arbeitete emsig, als Kochbrot mich besuchen kam. Koch-
brot wohnt im selben Lause, im dritten Stock. Er brachte
ein von ihm entworfenes Schreiben an den Lauseigen-
tümer mit, in dem bessere Beleuchtung der Treppen ver-
langt wurde. Alle Mieter sollten es unterschreiben, wllnsch-
te Kochbrot, also auch ich. Da ich im Erdgeschoß wohne,
hatte ich viel weniger Interesse an der Treppenbeleuchtung
als Kochbrot, aber ich tat ihm doch den Gefallen, weil er
gar so viele Worte darum machte. Ich war sonst nicht viel
mit ihm zusammen gekommen, aber ich wußte schon, daß
er gern redet und einen nicht antworten läßt. Solche Leute
muß man immer schnell loszuwerden suchen.
Kochbrot war nun zufrieden, steckte seinen Bries wieder
ein unv wollte gehn, als sein Blick auf die Zitronenlimo-
nade oder vielmehr Limonade fiel, auf das ganz große
Glas. Seine Augen strahlten; er sah mit solcher Wonne
auf das kllhle Getränk, daß ich es ihm angebolen haben
wllrde, wenn ich nicht selber schon etwas aus dem Glase
getrunken hätte.
„Ah, Zitronenwasser!" sagte Kochbrot, womit er die
Klippe bezllglich Zitronenlimonade und Limonade glllcklich
vermied. „Ah, Zitronenwasser!" wiederholte er, und es
klang wie Iubel. „Sie können sich gar nicht vorstellen, wie
es mich immer freut, so etwas zu sehen. Das spricht von
Vernunft, von sirtlich gefestigter Lebensanschauung, von
Verantwortungsgefllhl dem eigenen Körper gegenllber, von
schöner-"
„Aber nein!" meinte ich und wollte sagen, daß es nur
von Durst nach salzigem Mi tagessen spräche.
Doch Kochbrot ließ mich nicht reden. „Bitte, keine fal-
sche Beschetdenheit! Wer sich diesen narllrl-chen, einzig ge-
sunden, Leib und Geist frssch erhaltenden Getränken zuge-
wendet hat, der soll rsscht davon schweigen, nichr ruhig bei-
seite stehn. Im Gegenteil: er soll stolz darauf sein, hervor-
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— „Vilt' schön, Fräulein, kaufen Sie mir a Mausfallen ab,
kvstet nur I Mark!"
— „Ia, was soll ich damit, ich hab' ja gar keine Mäuse!"
— „Die können Sie schon haben — die hab' ich auch bei mir!"
„Lausbub' miserabler, da hast du die Mark für die Falle,
und jeyt schau, daß du weiter kommst!"
Häusliches Nepetitorium
— „Will mal sehen, ob du in der Schule was gelernt hast,
Iunge. Lier ist ein Fästchen Wein, von dem ich dir Löhe
und Amsang angebe. Wre findest du den Inhalt?"
— „Ich habe noch nicht probiert, Vater!"
Die Geschichte meiner Wandlung
Von Peter Robinson
Wie nur Kochbrot auf die Idee gekommen sein mag,
daß ich-—? Sehe ich denn so aus, als ob-?
Labe ich vielleicht unabsichtlich in ihm den Irrtum erregt,
ich sei auch-?
Aber ich will mir doch noch einmal genau ins Gedächt-
nis zurllckrufen, w>e die Geschichte eigentlich zu Stande ge-
kommcn ist. Ich saß also am Spätnachmittag ganz friedlich
(wie ich das immer bin) in meinem Arbeitsztmmer, ar-
beitete emfig (wie ich das manchmal tue) und hatte neben
mir ein ganz großes Glas stehn mit Zitronenlnnonade,
was llbrigens ein Pleonasmus ist, denn das Wort Limo-
nade allein bedeutet ja schon ein aus Zitronensaft bereitetes
klldles Getränk. Zch trinke selten Limonade, ganz außer-
ordentlich selten. Aber an jenem Tage hatte ich grade
großen Durst, weil ich etwas recht Salziges zu Mittag ge-
gessen hatle. Sonst genügt mir zwischen Mcktag- und Abend-
essen der Kaffee, und später am Abend trinke ich dann ein
oder auch zwei Gläier Grog von Rum. Das habe ich mir
so angewöhnt, seitdem ich einmal — es ist nun schon lange,
lange her! — meinen Freund Drischkaleit hinten in Ost-
Preußen besucht habe, wo die Leute bekanntlich das ganze
Iahr hindurch Grog trinken, während man sonst doch den
Grog mehr sllr ein Wintergetränk anzusehn Pflegt. Aber
einen Anterschied machen sie doch in Ostpreußen. Sie sagen:
im Sommer muß man Giog trinken und im Winter viel
Grog. Sie find vernllnftige Leute, die Ostpreußen. —
Zch saß also an meinem Schreibtisch und war ziemlich
träge — — aber nein: vorhin habe ich ja etwas ganz an-
deres behauptet und muß nun auch dabei bleiben; also:
ich arbeitete emsig, als Kochbrot mich besuchen kam. Koch-
brot wohnt im selben Lause, im dritten Stock. Er brachte
ein von ihm entworfenes Schreiben an den Lauseigen-
tümer mit, in dem bessere Beleuchtung der Treppen ver-
langt wurde. Alle Mieter sollten es unterschreiben, wllnsch-
te Kochbrot, also auch ich. Da ich im Erdgeschoß wohne,
hatte ich viel weniger Interesse an der Treppenbeleuchtung
als Kochbrot, aber ich tat ihm doch den Gefallen, weil er
gar so viele Worte darum machte. Ich war sonst nicht viel
mit ihm zusammen gekommen, aber ich wußte schon, daß
er gern redet und einen nicht antworten läßt. Solche Leute
muß man immer schnell loszuwerden suchen.
Kochbrot war nun zufrieden, steckte seinen Bries wieder
ein unv wollte gehn, als sein Blick auf die Zitronenlimo-
nade oder vielmehr Limonade fiel, auf das ganz große
Glas. Seine Augen strahlten; er sah mit solcher Wonne
auf das kllhle Getränk, daß ich es ihm angebolen haben
wllrde, wenn ich nicht selber schon etwas aus dem Glase
getrunken hätte.
„Ah, Zitronenwasser!" sagte Kochbrot, womit er die
Klippe bezllglich Zitronenlimonade und Limonade glllcklich
vermied. „Ah, Zitronenwasser!" wiederholte er, und es
klang wie Iubel. „Sie können sich gar nicht vorstellen, wie
es mich immer freut, so etwas zu sehen. Das spricht von
Vernunft, von sirtlich gefestigter Lebensanschauung, von
Verantwortungsgefllhl dem eigenen Körper gegenllber, von
schöner-"
„Aber nein!" meinte ich und wollte sagen, daß es nur
von Durst nach salzigem Mi tagessen spräche.
Doch Kochbrot ließ mich nicht reden. „Bitte, keine fal-
sche Beschetdenheit! Wer sich diesen narllrl-chen, einzig ge-
sunden, Leib und Geist frssch erhaltenden Getränken zuge-
wendet hat, der soll rsscht davon schweigen, nichr ruhig bei-
seite stehn. Im Gegenteil: er soll stolz darauf sein, hervor-
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