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Frühlingsfahrt

vrin im wagen sitzt ein voktor äer Philosophie,
Unä ein Ooktor suri8 hockt ihm vis-ü-vis.

Ueben jenein thront äas stolze Fräulein Melanie,
Ueben äiesem lehnt äie hübsche Ziäonie.

Erst spricht man schüchtern,

Noch stimmungsnüchtern
Unä recht gequält aus Herzen, bang unä jung.
Nach einer Ztunäe
l)on rotem Munäe

Ulingt schon so manches wort recht voll öegeisterung.

Galgenhumor

Kitschmann stand an der Theaterkasse. Er kaufte keine
Villette. Er verkauste keine Billette. Er hatte nichts anderes
zu tun, als zu stehen — und das mit einem Gesicht wie das
Don Rodrigos, als es rückwärts ging. Das wird man be-
greiflich sinden, wenn man hört, daß Kitschmann Lustspiel-
dichter ist. Daß gestern die Premiere seines letzten Stückes
stattgefunden hatte. And daß sich gelegentlich dieser Premiere
das Publikum bedeutend pfiffiger gezeigt hatte als der Autor.

Also gepfiffen wurde — gepfiffen-und gezischt. . ein

feiner Sprühregen tröpfelte bis zur Bühne, wo Kitschmann
fich heroisch verbeugte . . .

Und' heute wartete er auf das Publikum für die zweite
Aufführung. Wartete vergeblich. In zwei Minuten begann
die Vorstellung. And noch kein bemhltes Billett. . .

Da — da strömte eine Dame! Schick. Elegant. Äimmel:
woher mochte die ihr Freibillett haben? Aber nein: die
Dame strömte weiter, strömte an die Kasse und sagte tiastig:
„Kann ich für die heutige Vorstellung noch vier Plätze in
der Fremdenloge haben?"

Die Kassiererin erwachte, von Kitschmanns freundlichem

Kutscher fiochen ist im heitern Mckwärtsäenken graä
6ei äer Ztell', wo er sein Määchen einst gekützt.
ver Seäanke springt wie Blitzstrahl über'n wagenschlag,
Unä man sühlt im §onä, äatz man äas Sleiche mützt!
Cin lieblich 5iegen
Unä Unterliegen,

vann kützt man sich auf jugenäfrohe Urt.
lln alten Unochen
Zpürt Uutfcher fiochen
vie ewig alte, neue, schöne Frühlingsfahrt.

Ferd. Kahn

Rippenstoß ausgeschreckt, und erlitt sast einen Nervenschock.
Aber dann meinte sie höslich: „Gewiß — gewiß — es wird
sich wohl machen lassen —", und zückte die Billette. Kitsch-
mann verordnete seiner Krawatte hastig eine selbstbewußtere
Linie.

And die Dame nahm. Schwenkte ein Portemonnaie.
Wollte voll bezahlen. Aber eine Frage stellte sie noch:„Wie
lange dauert übrigens der,Faust'?"

„Der Faust?" stammelte die Kassiererin. „Der wird
erst morgen gegeben. Äeute das Lustspiel ,Iazzerickst von
Kitschmann."

„Ach," bedauerte die Dame, „da habe ich mich geirrt.

Da möchte ich doch lieber die Karten-"

Aber da unterbrach sie Kitschmann. „Nicht doch, meine
Dame! Behalten Sie diese Billette. Ich rate Ihnen in
Ihrem Interesse."

Die Dame sah fragend auf Kitschmann.

„Nämlich," suhr der fort, „nämlich, sehen Sie, Gnädigste:
der Faust, das ist nichts Besonderes, den können Sie noch
tausendmal sehen. Aber den ,Iazzerich' — den sehen Sie
heute zum letzter. Male in Ihrem Leben..." Geha

— „Scheint mich nicht zu kennen, der Lerr Iustizrat. And dabei hat er mir vor vier Wochen so 'ne
glänzende Verteidigungsrede gehalten. Allerdings-da hat er 'nen ganz andern Menschen geschildert."

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