Die Last des Ruhmes
schließlich ein riesiger Ochse geworden
war. Aber während Milon dabei rüstig
blieb, ist Iustus Kulenkamp am Ende
doch zusammengebrochen.-
Iustus Kulenkamps so Uberaus glück-
licher Anfang liegt nun schon Uber
zwanzig Iahre zurUck. Mit seinem großen
Noman „Schimmelhaus" war er damals
als domO novu8 ersolgreich aufden Plan
getreten, wie ein wohlwollender Kriti-
ker schrieb. Oder auch, so drückte sich
ein anderer aus: er hatte in der lite-
rarischen Arena mit Ehren bestanden
-gleichsam, als wäre die Literatur
ein Kampfplatz, auf dem die Teilnehmer
wacker gegen einander loszureiten haben,
und einer den andern aus dem Sattel
zu heben und vom hohen Pferde zu
schmeißen versuchen muß. Das stimmt
aber nicht ganz; gehörige Keilereien
fallen wohl öfters vor, aber von noblen
Turniergewohnheiten ist nichts zu merken.
Aber darauf kam es ja nicht an, die
Äauptsache war: Iustus Kulenkamp hatte
sich bekannt gemacht; er hatte einen
rührigen Verleger gefunden, der von
dem „Schimmelhaus" Auflage nach Auf-
lage hinausfeuerte. And eine wohlwol-
lende Presse, die diesen geschäftlichen
Erfolg respektierte, glaubte mit Ver-
gnügen feststellen zu dürfen, daß nun
endlich jener große Erzähler sich einge-
stellt hätte, auf den man, ach, so lange
schon, mit Schmerzen gewartet hatte.
Doch auch dies trifft nicht ganz zu, wie
sich zweifellos ergeben würde, wenn
man bei Passender Gelegenheit, etwa
einer Volkszählung, jedermann im Lande
die gewissenhaft zu beantwortende Frage
vorlegen würde: Warten Sie auf einen
großen Erzähler?
* Immerhin: Iustus Kulenkamp durfte
sich sagen, daß ihm ein großer Wurf
gelungen sei, und er zweifelte nicht, daß
diesem ersten nun nach und nach eine
ganze Menge weiterer tüchtiger Würfe
folgen würde. Aeber das zweite Wurf-
geschoß war er sich freilich noch nicht
im geringsten klar; sein „Schimmelhaus"
hatte eigentlich alles verschlungen, was er gewußt hatte,
nämlich Geschichten, die in seiner Familie passiert waren,
und die er also nicht erst zu erfinden brauchte. Doch machte
ihm diese gänzliche Ausschöpsung zunächst weiter keine
Sorge. Warum denn auch? Ihm war ja bewiesen worden,
daß er ein großer Erzähler wäre; zu den Eigenschaften
eines solchen gehört aber auch, daß ihm viel einfällt — die
Einfälle strömen ihm zu, pflegt man ja wohl zu sagen —
und so sah er denn schon im Geiste die stattliche Reihe
schöner Bände, die nach fleißigen Iahren als seine gesam-
melten Werke dastehen würde, genoß aber zunächst, was
ihm ja auch zu gönnen war, das behagliche Nuheintervall
nach dem ersten Ersolge. Aebrigens verheiratete er sich da-
mals; es war eine Verbindung, die ihn materiell vollkom-
men sicherstellte, und auch daraus schöpfte er die frohe Zu-
— „Wie die Menschen auf dem Festplatz da unten
im Dorf durcheinander krabbeln!"
— „Ach ja, Kurt, — wie Zwerge."
— „Aber trotzdem, — ganz in der Nähe besehen
sind die Menschen doch gewöhnlich am kleinsten."
versicht, daß er in seinem Schaffen, ökonomischer Fesseln
ledig, ganz gewaltige Flügelschläge zeigen wllrde.-
Von den Lesern des „Schimmelhauses" waren manche,
ausgepichte Leseratten, bereits neugierig, was denn nun des
Autors zweites Buch bringen würde, da erkrankte Iustus
Kulenkamp an einer Blinddarmentzündung und mußte sich
in der Klinik eines berühmten Chirurgen einer Operation
unterziehen. Iournalistische NUHrigkeit — vielleicht war auch
der Eifer einiger Freunde Kulenkamps dabei, die sich be-
reits als Trabanten um den aufgegangenen Stern versam-
melt hatten — veranlaßte in einigen großen Blättern die
Notiz: „Iustus Kulenkamp, der Dichter des ,Schimmel-
hauses/ hat sich in der Klinik des Professors N. N. einer
Blinddarmoperation unterziehen müssen, befindet sich aber,
(Forlsetzung Seite 18Z)
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schließlich ein riesiger Ochse geworden
war. Aber während Milon dabei rüstig
blieb, ist Iustus Kulenkamp am Ende
doch zusammengebrochen.-
Iustus Kulenkamps so Uberaus glück-
licher Anfang liegt nun schon Uber
zwanzig Iahre zurUck. Mit seinem großen
Noman „Schimmelhaus" war er damals
als domO novu8 ersolgreich aufden Plan
getreten, wie ein wohlwollender Kriti-
ker schrieb. Oder auch, so drückte sich
ein anderer aus: er hatte in der lite-
rarischen Arena mit Ehren bestanden
-gleichsam, als wäre die Literatur
ein Kampfplatz, auf dem die Teilnehmer
wacker gegen einander loszureiten haben,
und einer den andern aus dem Sattel
zu heben und vom hohen Pferde zu
schmeißen versuchen muß. Das stimmt
aber nicht ganz; gehörige Keilereien
fallen wohl öfters vor, aber von noblen
Turniergewohnheiten ist nichts zu merken.
Aber darauf kam es ja nicht an, die
Äauptsache war: Iustus Kulenkamp hatte
sich bekannt gemacht; er hatte einen
rührigen Verleger gefunden, der von
dem „Schimmelhaus" Auflage nach Auf-
lage hinausfeuerte. And eine wohlwol-
lende Presse, die diesen geschäftlichen
Erfolg respektierte, glaubte mit Ver-
gnügen feststellen zu dürfen, daß nun
endlich jener große Erzähler sich einge-
stellt hätte, auf den man, ach, so lange
schon, mit Schmerzen gewartet hatte.
Doch auch dies trifft nicht ganz zu, wie
sich zweifellos ergeben würde, wenn
man bei Passender Gelegenheit, etwa
einer Volkszählung, jedermann im Lande
die gewissenhaft zu beantwortende Frage
vorlegen würde: Warten Sie auf einen
großen Erzähler?
* Immerhin: Iustus Kulenkamp durfte
sich sagen, daß ihm ein großer Wurf
gelungen sei, und er zweifelte nicht, daß
diesem ersten nun nach und nach eine
ganze Menge weiterer tüchtiger Würfe
folgen würde. Aeber das zweite Wurf-
geschoß war er sich freilich noch nicht
im geringsten klar; sein „Schimmelhaus"
hatte eigentlich alles verschlungen, was er gewußt hatte,
nämlich Geschichten, die in seiner Familie passiert waren,
und die er also nicht erst zu erfinden brauchte. Doch machte
ihm diese gänzliche Ausschöpsung zunächst weiter keine
Sorge. Warum denn auch? Ihm war ja bewiesen worden,
daß er ein großer Erzähler wäre; zu den Eigenschaften
eines solchen gehört aber auch, daß ihm viel einfällt — die
Einfälle strömen ihm zu, pflegt man ja wohl zu sagen —
und so sah er denn schon im Geiste die stattliche Reihe
schöner Bände, die nach fleißigen Iahren als seine gesam-
melten Werke dastehen würde, genoß aber zunächst, was
ihm ja auch zu gönnen war, das behagliche Nuheintervall
nach dem ersten Ersolge. Aebrigens verheiratete er sich da-
mals; es war eine Verbindung, die ihn materiell vollkom-
men sicherstellte, und auch daraus schöpfte er die frohe Zu-
— „Wie die Menschen auf dem Festplatz da unten
im Dorf durcheinander krabbeln!"
— „Ach ja, Kurt, — wie Zwerge."
— „Aber trotzdem, — ganz in der Nähe besehen
sind die Menschen doch gewöhnlich am kleinsten."
versicht, daß er in seinem Schaffen, ökonomischer Fesseln
ledig, ganz gewaltige Flügelschläge zeigen wllrde.-
Von den Lesern des „Schimmelhauses" waren manche,
ausgepichte Leseratten, bereits neugierig, was denn nun des
Autors zweites Buch bringen würde, da erkrankte Iustus
Kulenkamp an einer Blinddarmentzündung und mußte sich
in der Klinik eines berühmten Chirurgen einer Operation
unterziehen. Iournalistische NUHrigkeit — vielleicht war auch
der Eifer einiger Freunde Kulenkamps dabei, die sich be-
reits als Trabanten um den aufgegangenen Stern versam-
melt hatten — veranlaßte in einigen großen Blättern die
Notiz: „Iustus Kulenkamp, der Dichter des ,Schimmel-
hauses/ hat sich in der Klinik des Professors N. N. einer
Blinddarmoperation unterziehen müssen, befindet sich aber,
(Forlsetzung Seite 18Z)
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