Zugeherinnen Von Gerhart Lerrmann
Seit sechs Wochen haben wir eine eigene
Wohnung. (Sollte ein Lerr vom Wohnungs-
amt zu meinen Lesern zählen: die Wohnung
liegt beschlagnahmefrei in Neu- oder Aufbau)
Zn diesen sechs Wochen haben wir zwölf Zu-
gehfrauen gehabt. Trotzdem wurden bis ge-
stern, wie eine von mir veranstaltete Inventur
ergab, nur vierundzwanzig Tassen zerschlagen.
Das lag jedoch bloß daran, daß wir gerade vier-
undzwanzig Tassen besaßen. Solche Zufälle sind
das berühmte Glllck im Anglllck. Genau gesagt:
die Tassen waren das Glllck, die Zugeherinnen
das Anglllck.
Naivlinge Pflegen dies in die „Zugeherin"
inkarnierte Anheil mit der norddeutschen „Aust
wartung" zu vergleichen. Solche Leute wissen
eben nicht, wie's zugeht.
Wir dagegen wissen es. Wissen es seit jenem
Tage, an dem es sich herausstellte, daß meine
Frau der allmorgendlichen Lausarbeit nicht
gewachsen war. Entweder war das Geschirr ge-
waschen, dann konnte es nicht benutzt werden,
weil das Essen nicht gekocht war; oder das Essen
war fertig, dann konnte es nicht genossen wer-
den, weil das Geschirr nicht gewaschen war. Solch ständiges
Schwanken zwischen Scylla und Charybdis Pflegt selbst fllr
Leute mit humanistischer Bildung unangenehm zu sein. And
meine Frau hat noch nicht mal humanistische Bildung.
Am so mehr tat mithin eine Aushilfe not. Der schwin-
delnd kühne Gedanke an ein Dienstmädchen tauchte auf. Er
wurde aufgegeben, weil erstens, wie meine Frau sagte, aus-
reichende Arbeitsgelegenheit, zweitens, wie wir beide sagten,
eine Mädchenkammer und drittens, wie ich sagte, Geld da-
zu nötig war. Also ausgerechnet das, was uns fehlte. Es
ergab sich, daß eine Zugeherin den goldenen Mittelweg für
uns darstellte.
Tägliche Ausfllhrungen in der von uns gelesenen Zei-
tung deuteten dezent an, daß dieser goldene Mittelweg der
des Inserates in besagtem Blatte war. Zch llberwand meine
Abneigung gegen dies Organ der öffentlichen Meinung,
dessen Redakteure anscheinend den ganzen Tag weiter nichts
zu tun hatten, als meine Manuskripte zurllckzuschicken, und
eilte zum Expeditionsschalter zwecks Aufgabe eines einma-
ligen Inserats. Der Lerr am Schalter empfahl mir ent-
gegenkommender Weise, ein Dauerinserat aufzugeben. Zch
erkundigte mich dagegen etwas Patzig, ob denn der ver-
sprochene große Erfolg nur bei großen Austrägen einträte?
Der Lerr erwiderte höflich, Erfolg habe natllrlich auch schon
ein einmaliges Inserat, aber trotzdem — speziell bei Zu-
geherinnen — —
Zch gab bösartig lächelnd ein Dauerinserat auf. Morgen
werde ich übrigens zu dem Lerrn am Schalter gehen und
wegen des bösarligen Lächelns um Verzeihung bitten. Zch
war damals noch von keiner Sachkenntnis getrllbt. And
der Lerr tut mir leid. Er hat sicher seine Erfahrungen in
punkto Zugeherinnen bereits länger hinter sich als ich.
Das Inserat erschien dauernd, Zugeherinnen desgleichen.
Leben, Taten und Meinungen dieser hilfreichen Menschen-
kinder lassen sich ohne Verweilen bei Einzelfällen in drei
Stadien darstellen.
Erstes Stadium: Es klingelt. Eine Zugeherin erscheint.
Zhr schwerer Schritt läßt im Korridor Spuren zurllck, die
den Nückschluß nahelegen, daß sie sich die Füße nicht abge-
treten hat. Meine Frau macht die Bewerberin schüchtern
auf diese Tatsache aufmerksam. Die Bewerberin äußert in-
dessen die Ansicht, das schade ja nichts, sie könne es ja
morgen aufwischen. Woraus sich ergibt, daß sie sich bereits
als engagiert betrachtet. Meine Frau flllstert mir zu, das
sei ein gutes Zeichen; die Frau schaffe sich doch gleich selbst
lForlsetzung Seike 199)
„Macht Ihnen das Kind, auf das Sie aufpassen mllssen, sehr viel zu schaffen?"
„And obl Die Zöre paßt doch die ganze Zeit auf, ob ich aufpasse!"
197
Seit sechs Wochen haben wir eine eigene
Wohnung. (Sollte ein Lerr vom Wohnungs-
amt zu meinen Lesern zählen: die Wohnung
liegt beschlagnahmefrei in Neu- oder Aufbau)
Zn diesen sechs Wochen haben wir zwölf Zu-
gehfrauen gehabt. Trotzdem wurden bis ge-
stern, wie eine von mir veranstaltete Inventur
ergab, nur vierundzwanzig Tassen zerschlagen.
Das lag jedoch bloß daran, daß wir gerade vier-
undzwanzig Tassen besaßen. Solche Zufälle sind
das berühmte Glllck im Anglllck. Genau gesagt:
die Tassen waren das Glllck, die Zugeherinnen
das Anglllck.
Naivlinge Pflegen dies in die „Zugeherin"
inkarnierte Anheil mit der norddeutschen „Aust
wartung" zu vergleichen. Solche Leute wissen
eben nicht, wie's zugeht.
Wir dagegen wissen es. Wissen es seit jenem
Tage, an dem es sich herausstellte, daß meine
Frau der allmorgendlichen Lausarbeit nicht
gewachsen war. Entweder war das Geschirr ge-
waschen, dann konnte es nicht benutzt werden,
weil das Essen nicht gekocht war; oder das Essen
war fertig, dann konnte es nicht genossen wer-
den, weil das Geschirr nicht gewaschen war. Solch ständiges
Schwanken zwischen Scylla und Charybdis Pflegt selbst fllr
Leute mit humanistischer Bildung unangenehm zu sein. And
meine Frau hat noch nicht mal humanistische Bildung.
Am so mehr tat mithin eine Aushilfe not. Der schwin-
delnd kühne Gedanke an ein Dienstmädchen tauchte auf. Er
wurde aufgegeben, weil erstens, wie meine Frau sagte, aus-
reichende Arbeitsgelegenheit, zweitens, wie wir beide sagten,
eine Mädchenkammer und drittens, wie ich sagte, Geld da-
zu nötig war. Also ausgerechnet das, was uns fehlte. Es
ergab sich, daß eine Zugeherin den goldenen Mittelweg für
uns darstellte.
Tägliche Ausfllhrungen in der von uns gelesenen Zei-
tung deuteten dezent an, daß dieser goldene Mittelweg der
des Inserates in besagtem Blatte war. Zch llberwand meine
Abneigung gegen dies Organ der öffentlichen Meinung,
dessen Redakteure anscheinend den ganzen Tag weiter nichts
zu tun hatten, als meine Manuskripte zurllckzuschicken, und
eilte zum Expeditionsschalter zwecks Aufgabe eines einma-
ligen Inserats. Der Lerr am Schalter empfahl mir ent-
gegenkommender Weise, ein Dauerinserat aufzugeben. Zch
erkundigte mich dagegen etwas Patzig, ob denn der ver-
sprochene große Erfolg nur bei großen Austrägen einträte?
Der Lerr erwiderte höflich, Erfolg habe natllrlich auch schon
ein einmaliges Inserat, aber trotzdem — speziell bei Zu-
geherinnen — —
Zch gab bösartig lächelnd ein Dauerinserat auf. Morgen
werde ich übrigens zu dem Lerrn am Schalter gehen und
wegen des bösarligen Lächelns um Verzeihung bitten. Zch
war damals noch von keiner Sachkenntnis getrllbt. And
der Lerr tut mir leid. Er hat sicher seine Erfahrungen in
punkto Zugeherinnen bereits länger hinter sich als ich.
Das Inserat erschien dauernd, Zugeherinnen desgleichen.
Leben, Taten und Meinungen dieser hilfreichen Menschen-
kinder lassen sich ohne Verweilen bei Einzelfällen in drei
Stadien darstellen.
Erstes Stadium: Es klingelt. Eine Zugeherin erscheint.
Zhr schwerer Schritt läßt im Korridor Spuren zurllck, die
den Nückschluß nahelegen, daß sie sich die Füße nicht abge-
treten hat. Meine Frau macht die Bewerberin schüchtern
auf diese Tatsache aufmerksam. Die Bewerberin äußert in-
dessen die Ansicht, das schade ja nichts, sie könne es ja
morgen aufwischen. Woraus sich ergibt, daß sie sich bereits
als engagiert betrachtet. Meine Frau flllstert mir zu, das
sei ein gutes Zeichen; die Frau schaffe sich doch gleich selbst
lForlsetzung Seike 199)
„Macht Ihnen das Kind, auf das Sie aufpassen mllssen, sehr viel zu schaffen?"
„And obl Die Zöre paßt doch die ganze Zeit auf, ob ich aufpasse!"
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