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Meggendorfer-Blätter — 53.1903 (Nr. 641-653)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16703#0087
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83

Aeitschrift für Humor und Aunft

Ängenehmes Mndernis.


Frau: „Neunzig Iahre seid Ihr> schon alt! Und ward Ihr denn
niemals krank?"

Bauer: „Waar net möglich g'wesen, gnä' Frau; wir hätten ja keinen
Doktor im Brt g'habt."

große Rolle. von seiner voraussichtlichen Gestaltung hängen
die Erntedisxositionen ab und, obwohl der Landmann sich im
allgemeinen auf die Witterungsvorhersage versteht, so verschmähte
es doch mein Vnkel in diesem Ausnahmefalle nicht, auch die
sonst so gehaßte Theorie ins Bündnis zu rufen.

„Iunge/ sagte er daher eines Morgens zu mir, „lauf nach
Schlipxendorf (die Bahnstation) und sieh, was for'n Wetter
kommtl"

Ltwas verdutzt sah ich ihn an. !Vas nützte es, wenn ich nach
Schlixpendorf lief und dort das schönste Wetter antraf? Bis ich
wieder nach Schmalow kam, konnte es in Bchlixxendorf längst
regnen. Ich wagte zögernd, dies meinem Vnkel zu Gemüte
zu führen.

lhah, wie er da in die Lsöhe fuhr.

„Aesel," donnerte er mich an, „dat weiß ich alll"

Dann ging er eine Weile im Zimmer auf und ab, und als
er stch wieder beruhigt hatte, fuhr er, als ob nichts geschehen
wäre, fort: „Auf dem Bahnhof da hängt 'n weißer Zettel,
worauf man mit blauen Bleistift geschrieben steht, wat dat die
nächsten acht Tage for'n Nletter wird, dat lernst Du dich aus-
wendig. Verstehst Du mir?"

V, wohl, jetzt verstand ich ihn. Ls handelte stch um jene
Wetterxrognosen, wie sie auch bei uns daheim an den Post-

ämtern angeschlagen waren. Voll Lifer machte ich
mich auf den Weg und sah mich bereits im Geiste
als verkünderglücklicher Wetterbotschaftzurückkehren.
Ich würde natürlich den knaxxen Bericht aus
eigeneni noch mit allerhand Floskeln umkleiden, so daß
inein Vnkel gewaltigen Respekt vor mir bekommen
mußte und wohl einsehen würde, daß er keinem
würdigeren sein Erbe dereinst hinterlassen könne
als mir. Wie ich mir noch so in Gedanken meinen
„vortrag" zurechtlegte, blitzte mir plötzlich ein genialer
Gedanke durch das bfirn. Mit beflügelten Schritten
eilte ich nach der Station, fand auch dort richtig den
bewußten Anschlag, den ich indessen im Gefühle
meiner erhabenen Idee total ignorierte. Dagegen
erbat ich mir vom Stationsvorstand die neueste
Ieitung aus der Lsauptstadt. (Mein Gnkel hielt
keinerlei Ieitungen.) Der gefällige Mann erfüllte
meinen wunsch; mit bebenden Fingern faltete ich
sie auseinander und ließ meine Augen die Sxalten
entlang gleiten. Endlich hatte ich es: Witterungs-
bericht der meteorologischen Zentralstationl Ich
setzte mich in den Wartesaal und lernte. Der Schweiß
rann mir bei der ungewohnten Lektüre über die
Stirn, aber endlich „konnte ich es". Dann machte
ich mich wieder auf den lfeimweg, unterwegs krampf-
haft repetierend.

Mein Vnkel saß gerade beim Nachmittags-
kaffee, als ich anlangte.

„Na Iunge," sagte er gut gelaunt, „hast Du
dat Wetter bei Dich?"

„Iawohl, Vnkel Lamxrecht," erwiderte ich mit
zuversichtlicher Stimme.

„Na, dann leg man los!"

Ich klappte die Fersen zusammen, legte die
ksände an die ksosennaht, machte eine kleine Ver-
beugung, wie ich tat, wenn ich den Erlkönig dekla-
mierte und legte los.

„Wetterbericht der meteorologischen Zentral-
stationl"

„wat?"

„Wetterbericht der meteorologischen Ientralstation! Das
Depressionszentrum, das gestern vor dem Uanal lag, befindet
sich heute über Südengland, ist also auf nordöstlicher Bahn
weiter gewandert . . . ."

k)ier hielt ich ein wenig inne, um die Wirkung meiner
Gelehrsamkeit auf den Vnkel zu beobachten und sah zu meiner
Befriedigung, daß er mich vor lauter verwunderung mit weit
aufgerissenen Augen ansah. Mit gehobener Stimme fuhr ich
alsdann fort:

„— — — niedriger Druck breitet sich von hier über den
ganzen Aontinent aus, und über der österreichisch-ungarischen
Monarchie ist ein sekundäres Minimum zu erkennen, hoher
Druck — —"

„Iung. .." schrie mein Bnkel, doch ich ließ mich nicht stören.

„— — Druck lagert im Nordosten des Erdteils sowie im
Mittelmeergebiet, das Wetter ist in Süddeutschland allont-
halben wolkig oder trüb und stellenweise regnerisch; dio Morgen-
temperaturen sind seit gestern etwas gestiegen, während die
heutigen Mittagstemperaturen — —"

„Dat Dir dat Dnnnerwetter regiere — —"

„— — peraturen die gestrigen Beträge nicht erreichen.
voraussichtliche Witterung für morgen bewölkt, starke Depres-
sion, heftige Niederschläge, etwas küh— — —"

Mit einem jähen Satze sxrang mein Dnkel in die kföhe
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
Angenehmes Hindernis
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Bildunterschrift: Frau: "Neunzig Jahre seid Ihr schon alt! Und ward Ihr denn niemals krank?" / Bauer: "Waar net möglich g'wesen, gnä' Frau; wir hätten ja keinen Doktor im Ort g'habt."

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Futterer, August
Entstehungsdatum (normiert)
1902 - 1902
Entstehungsort (GND)
Esslingen am Neckar

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Bauer
Frau
Kind
Mutter
Gespräch
Älterer Mann
Tabakspfeife
Neunzigster Geburtstag

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Aufbewahrungsort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 53.1903, Nr. 647, S. 83
 
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