Zeitschrift für Lfumor uud Auust
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ihn nicht weiter zu Wort kommen. Stürmisch schlang fie die
Arme um seinen Nacken, preßte die vollen, kirschroten Nxpen
auf seinen Mund und küßte den armen Ulampferl so lange, bis
ihm der Atem auszugehen drohte. Als sie ihn so für eine
tveile mundlot gemacht hatte, sprach sie unter Schmeicheln und
Streicheln, Küssen und Aosen so lange auf ihn ein, bis er
schließlich schweren Lserzens versxrach, wenigstens drei Sonntage
lang den Versuch zu wagen.
Man kann nicht sagen, daß dieser zu Aatherls Gunsten
ausgefallen wäre.
Anfangs trauten die Gäste ihrem eigenen Gauinen nicht,
dann aber schüttelten sie die Aöxfe; das Wort „Lichorie" begann
in der Luft zu schwirren, erst nur wie ein thauch, dann aber
immer deutlicher und deutlicher, und zuletzt bekam der unglückliche
Alampferl Bemerkungen zu hören, an denen er den ganzen
Nachmittag zu beißen hatte. Das war der erste Sonntag.
Am zweiten zeigten sich schon bedenkliche Lücken im Garten.
Die Fremden besuchten die „blaue Gans", denn wenn sie doch
schon schlechten Aaffee trinken mußten, so gingen sie doch lieber
dorthin, wo sie wenigstcns durch die schönere 2tussicht einigermaßen
entschädigt würden.
Als am dritten Sonntage Garten und Veranda des
Schwanenwirtes schier völlig verwaist dalagen, da zog Alampferl
seine junge Frau an sich, führte sie zur Türe und wies
mit der tsand auf die wenigen Gäste. „5ixt, Aatherl," leitete
er nach seiner Gewohnheit wieder ein, „wenn ma's a so betracht',
wie's früher war und wie's jetzt is und wie's no werd'n wird
— da muaßt D' doch selber einseh'n, daß dös net so weiter geht."
Aber das Aatherl tat, was andere junge Frauen leider auch
oft tun: es gestand seinen Fehler nicht zu, sah gar nichts ein,
sondern wnrde im Gegenteile zornig, wild und ungebärdig,
xfauchte wie ein eifersüchtiger Aater und war gegen alles
vernünftige Zureden unzugänglich.
Da schüttelte der Schwanenwirt den Aopf und ging.
In den nächsten Tagen saß Alamxferl, ein gebrochener
Mann, meist allein in scincm Garten, nickte ununterbrochen mit
dem Aoxfe, drehte in unermüdlichem Gleichmaße die Daumen
übereinander und sann und sann. „Wie bring' ich ihr die
Tichorie aus dein Aopf?I" Das war der Mittelxunkt seines
Denkens und uin den drchte sich alles. 'Raus mußte die Tichorie
— das war lserrn Alamxferl klar — aber wie? aber wie? —
Da plötzlich huschte ein Lächeln wie ein flüchtiger Sonnenstrahl
über das umdüsterte Antlitz und langsam, kaum merklich, glat-
teten sich die Falten, bis schließlich die Nundwinkel in seligein
Grinsen die bciden Bhren glücklich erreicht hatten.
„Ia, ja, cs bleibt nix anders übrig," schmunzelte Alampferl
sür sich. „A so geht's, a so muaß geh'n," rief er fröhlich, tripxelte
im Garten auf und ab, rieb sich vergnügt die thände und legte
sich den ganzen fdlan nochmals zurecht. Dann schlängelte er sich
ans Aatherl heran, und währcnd er den widerstrebenden Trotz-
kopf in bcide lhände nahm, sah er ihr tief in die Augen nnd
sagte lachend: „Du bist halt doch mei liab's, mei g'scheit's, mei
tüchtig's Meiberl! Sixt, Aatherl, i hab di Bücher nachg'schaut
allz'samin' und i hab eing'seh'n, daß i Dir scho völlig recht geb'n
muaß a, ja, g'wiß is wahrl j)aß nur auf: am ersten Tichorie-
Sonntag, da hab'n wir weit über die dopxelte Tinnahm' g'habt
An^üglich.
Aundin: „Sagen Sie einmal, Ihre Semmeln sind aber so klein, da kann man ja gleich eine ganze in den Mund hineinsteckeul"
Bäckcrmeister: „Ich nichtl"
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ihn nicht weiter zu Wort kommen. Stürmisch schlang fie die
Arme um seinen Nacken, preßte die vollen, kirschroten Nxpen
auf seinen Mund und küßte den armen Ulampferl so lange, bis
ihm der Atem auszugehen drohte. Als sie ihn so für eine
tveile mundlot gemacht hatte, sprach sie unter Schmeicheln und
Streicheln, Küssen und Aosen so lange auf ihn ein, bis er
schließlich schweren Lserzens versxrach, wenigstens drei Sonntage
lang den Versuch zu wagen.
Man kann nicht sagen, daß dieser zu Aatherls Gunsten
ausgefallen wäre.
Anfangs trauten die Gäste ihrem eigenen Gauinen nicht,
dann aber schüttelten sie die Aöxfe; das Wort „Lichorie" begann
in der Luft zu schwirren, erst nur wie ein thauch, dann aber
immer deutlicher und deutlicher, und zuletzt bekam der unglückliche
Alampferl Bemerkungen zu hören, an denen er den ganzen
Nachmittag zu beißen hatte. Das war der erste Sonntag.
Am zweiten zeigten sich schon bedenkliche Lücken im Garten.
Die Fremden besuchten die „blaue Gans", denn wenn sie doch
schon schlechten Aaffee trinken mußten, so gingen sie doch lieber
dorthin, wo sie wenigstcns durch die schönere 2tussicht einigermaßen
entschädigt würden.
Als am dritten Sonntage Garten und Veranda des
Schwanenwirtes schier völlig verwaist dalagen, da zog Alampferl
seine junge Frau an sich, führte sie zur Türe und wies
mit der tsand auf die wenigen Gäste. „5ixt, Aatherl," leitete
er nach seiner Gewohnheit wieder ein, „wenn ma's a so betracht',
wie's früher war und wie's jetzt is und wie's no werd'n wird
— da muaßt D' doch selber einseh'n, daß dös net so weiter geht."
Aber das Aatherl tat, was andere junge Frauen leider auch
oft tun: es gestand seinen Fehler nicht zu, sah gar nichts ein,
sondern wnrde im Gegenteile zornig, wild und ungebärdig,
xfauchte wie ein eifersüchtiger Aater und war gegen alles
vernünftige Zureden unzugänglich.
Da schüttelte der Schwanenwirt den Aopf und ging.
In den nächsten Tagen saß Alamxferl, ein gebrochener
Mann, meist allein in scincm Garten, nickte ununterbrochen mit
dem Aoxfe, drehte in unermüdlichem Gleichmaße die Daumen
übereinander und sann und sann. „Wie bring' ich ihr die
Tichorie aus dein Aopf?I" Das war der Mittelxunkt seines
Denkens und uin den drchte sich alles. 'Raus mußte die Tichorie
— das war lserrn Alamxferl klar — aber wie? aber wie? —
Da plötzlich huschte ein Lächeln wie ein flüchtiger Sonnenstrahl
über das umdüsterte Antlitz und langsam, kaum merklich, glat-
teten sich die Falten, bis schließlich die Nundwinkel in seligein
Grinsen die bciden Bhren glücklich erreicht hatten.
„Ia, ja, cs bleibt nix anders übrig," schmunzelte Alampferl
sür sich. „A so geht's, a so muaß geh'n," rief er fröhlich, tripxelte
im Garten auf und ab, rieb sich vergnügt die thände und legte
sich den ganzen fdlan nochmals zurecht. Dann schlängelte er sich
ans Aatherl heran, und währcnd er den widerstrebenden Trotz-
kopf in bcide lhände nahm, sah er ihr tief in die Augen nnd
sagte lachend: „Du bist halt doch mei liab's, mei g'scheit's, mei
tüchtig's Meiberl! Sixt, Aatherl, i hab di Bücher nachg'schaut
allz'samin' und i hab eing'seh'n, daß i Dir scho völlig recht geb'n
muaß a, ja, g'wiß is wahrl j)aß nur auf: am ersten Tichorie-
Sonntag, da hab'n wir weit über die dopxelte Tinnahm' g'habt
An^üglich.
Aundin: „Sagen Sie einmal, Ihre Semmeln sind aber so klein, da kann man ja gleich eine ganze in den Mund hineinsteckeul"
Bäckcrmeister: „Ich nichtl"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Anzüglich
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschrift: Kundin: "Sagen Sie einmal, Ihre Semmeln sind aber so klein, da kann man ja gleich eine ganze in den Mund hineinstecken!" / Bäckermeister: "Ich nicht!"
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1903 - 1903
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 53.1903, Nr. 649, S. 107
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg