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Meggendorfer-Blätter — 53.1903 (Nr. 641-653)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16703#0133
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Zeitschrift für Humor uud Auust

f29


Mit dem zweiten Schritt betrat er den legitimen Weg, in-
dem er unter offener Darlegung seiner Absichten bei seinen
therren Lhefs um die entsprechende Gehaltserhöhung einkam.
Aber auch dieses Aalkul erwies sich als falsch. tserr 5chöllheim
zwar hätte noch mit sich reden lassen, freilich — vierhundert
Mark Aufbesserung auf einmal scheine ihm etwas viel, aber der
„Aomxagnie", eine verknöcherte Arämerseele, war beinahe aus
der tsaut gefahren bei diesem unerhörten Ansinnen und erklärte
tserrn Emil Werner rundweg für verrückt.

Der unglückliche Aontorist wandte sich nun dem dritten
Schritte zu, nämlich dem Sxaren. Ls gehört sreilich der ganze
Dxtimismus eines Verliebten dazu, um ein solches Unterfangen
nicht von vornherein als völlig hoffnungslos zu erkennen, aber
Emil Werner besaß diesen Dptimismus. Auf Grund eingehender
Berechnung hatte er nämlich herausgefunden, daß ihn das Lafe,
das er täglich während der Mittagszeit besuchte, jährlich hundert-
siebzehn Mark kostete. Das war schon nahezu die ksälfte der
in Betracht kommenden Summe, die ja, da sie erspart wurde,
als jdositivbesitz gerechnet werden konnte. Allein, auch diese
Sache hatte ihren tsaken, da er den Besuch des Lafehauses nicht
entbehren konnte. Oenn er war auf den telephonischen Ver-
kehr mit Fräulein Anna Schönemann angewiesen, dernür während
der Mittagszeit das Telephon ihres vaters zur verfügung stand.
Und er mußte sie doch täglich von neuem seiner Liebe versichern,
das hatte sie ausdrücklich von ihm verlangt. So ging's also
auch nicht. Lr griff deshalb wiederum zu seinem Notizbuch und
rechnete. Bei dieser anstrengenden Arbeit kam ihm aber plötzlich
eine großartige Erleuchtung. Ia, so ging es! Er konnte auf
das Lafehaus verzichten, ohne sein angebetetes Aennchen um
die gewohnten Liebesbeteuerungen zu betrügen. Brauchte er
doch nur täglich eine halbe Stunde länger im Bureau zu bleiben
und die Aussprache von hier aus zu besorgen. Ie früher er
damit begann, desto besser. Also heute schonl

während seine Uollegen sich mit dem stereotypen „Mahlzeit"
schleunigst davon machten, blieb er an seinem pulte und arbei-
tete unverdrossen weiter, bis sich alle entsernt hatten und nur der
„Rompagnie", der kein Mittagsmahl zu brauchen schien, noch
in seinem Privatkontor anwesend war. Aber endlich stand auch
dieser, hier doppelt unerwünschte „Uompagnie" von seinem
Drehsessel auf und schüttelte verwundert den Aopf, als er be-
merkte, daß der junge Beamte noch immer in seine Bücher
vertieft sei. Doch Lhefs nehmen dcrartige freiwillige Arbeits-
überschreitungen niemals übel.

Kaum hatte er sich entfernt, so sprang lverner von seinem
jdlatze auf und eilte ans Telephon.

„lsallo — hallo — hier Lmill — Anna, ich liebe Dichl"
„Teurer — rrrr — —"

„lvas gibt es Neues, mein Mäuschen?"

„lv—a—a—as? Sag's noch einmal!"

„M—ä—u—s—ch—e—n," acoentuierte er jetzt sehr deutlich.
Das verstand sie erst recht nicht.

„lsast Du noch keine Nebenbeschäftigung gefunden? j)apa
sagt, ohne zweitausendvierhundert Mark niemalsl"

„lv--a—a—as?" Das „niemals" hatte der Axparat ver-
schlungen. „Meine Nebenbeschäftigung ist, daß ich mir das
Lafehaus abgewöhnen werde. Ich erspare damit jährlich hundert-
undsiebzehn Mark, macht in zehn Iahren — — —"

Bei „zehn Iahren" ließ sie die lsörmuschel fallen.

Lr wußte nicht, was das zu bedeuten habe; er konnte
noch so lange „hallo" schreien, aber die verbindung war ab-
gebrochen.

Dieses Intermezzo wiederholte sich fortan täglich. Sobald
der „Aomxagnie" gegangen war, sxrang Lmil ans Telephon,
versicherte schön Aennchen seiner unwandelbaren Liebe, und

regelmäßig bei „zehn Iahren" ließ die lholde die lsörmuschel
fallcn. Dann verließ Emil lverner als Letzter das Bureau
und kehrte als Erster dahin zurück, um es wieder aufzuschließen.
Seine Mittagszeit schrumpfte auf diese lveise zu einer reinen
Eßpause zusammen, aber diese llnbequemlichkeit hatte für Emil
den vorteil im Gefolge, daß der verkniffene „Komxagnie" den
„fleißigen" Kontoristen mit immer gesteigertem lvohlwollen
betrachtete. Einmal sagte er sogari „Sxerren Sie nur immer
gut ab>" llnd eines vormittags, als das ganze jdersonal an-
wesend war, trat der lherr „Kompagnie" Arm in Arm mit
lserrn Schöllheim an die jdulte heran und stellte in einer feier-
lichen Ansxrache den Kontoristen lverner als Muster eifriger
jlflichterfüllung hin. „Und zum Beweise meiner Anerkennung,"
so schloß er, „gewähre ich lserrn lverner eine Gehaltszulage
von zweihundertfünfzig Mark."

Nun wollte auch lserr Schöllheim nicht zurückstehen und
bewilligte auch seinerseits lserrn lverner eine Aufbesserung von
zweihundertfünfzig Mark und zwar von dem Tage an, da dieser
zum erstenmal seine Mittagszeit für das Geschäft geoxfert habe.

Linen Augenblick lang war es Lmil, als müsse ihn der
Schlag treffen; doch hatte er gerade noch so viel Geistesgegen-
wart, um die Gehaltszulage von beiden Seiten als Lohn für
seinen Eifer anzunehmen. An diesem Tage aber, als seine
Kollegen mit Einschluß der „Krämerseele" fort waren, ließ er
Telephon Telephon sein und stürzte lsals über Koxf in die
lvohnung seiner Braut, um ihr das süße Geheimnis ins Ghr
zu raunen.

„Fünfhundert Mark Gehaltszulage, die ich eigentlich Dir
verdanke und meiner j)ünktlichkeit im Telexhonieren." — —

Als lherr lverner seine Schritte wieder ins Bureau lenkte,
standen vor der verschlossenen Türe alle seine Kollegen, auch
der „Aompagnie" war darunter. Sie warteten schon fast eine
viertelstunde.

„Es wird nicht mehr vorkommen," entschuldigte sich Emil
und hielt lvort. Denn künftighin verließ er das Kontor mit
den andern und überließ das Zusperren dem „Komxagnie",
der sich über den so schnell erlahmten Eifer des Aufgebesserten
nicht genug wundern konnte.

Alcx. Eiigel.

Aränkis'ches Lred.

l^Mädle, zieh Dei Schürzle festl
W'' Komm, ich tu' D'r 's bindel
lvenn Du D'r 's net binde läßt,

Aönnt's am End verschwinde.
lvenn D'r eins am Bändel zieht,

Könnt'st es gar verliere;

lve'ßt scho selber, was no g'schieht —

Tät'st Dich bös blamierel

lvart, ich bind D'r 's, daß es hältl
Geh net aus der Stuba;

Denn der lhans, der Sepp, der velt*)

Sin' gar lose Bubal

Mädle, halt Dei Schürzle z'amm,

Mach m'r nur ke' Sachel
lvenn sie D'r 's gestohle ham,

Gehn sie heim und lache. Ernst Weber.

*) „vell" — im fränkischen Dialekt für „valentin."

löäkchen.

Lieschen: „Gelt, Mama, die Amazouenkorps sind wohl
eingegangen, weil sie dem Staate zu teuer kamen, da die Ama-
zonen zu oft neue Uniformen haben wollteli?"
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