Meggendorfer-Blätter (53.1903 (Nr. 641-653))

j56

Meggendorfer-BIätter, Nünchen


dachte er, und schon machte
seine tfand die übungs-
gewohnte Bewegung nach
dem jdapierkorbe hin, als
ihn auf einmal die Neugierde
kitzelte.

„Nein," rief er aus, „keine
Regel ohne Ausnahme. Ich
muß doch wissen, was der
Mann schreibt!"

Und er erbrach den Brief
und entfaltete eine — Ge-
schäftsempfehlung. Line
wirkliche, richtige Geschäfts-
emxfehlung, adressiert an
kferrn Studiosus 5üffel, wo-
rin dieseraufgefordertwurde,
schleunigst bei tferrn Wun-
derlich Anzüge ganz nach
Wahl und Geschmack zu be-
stellen.

Triumphierend faltete er
die Empfehlung wieder zu-
sammen und steckte sie zu sich.

„Da wollen wirdoch gleich
einmal hinsteigen," dachte er.
„Der Mann scheint mich wirk-
lich noch nicht zu kennen!"

C. A. H.

Kaihederweisheit.

fdrofessor <zu oinem recht ungeschickten Schüler): „Tchulze, 5ie
sind ein blöder Mensch. Wenn Sie das pdulver erfunden hätten,
könnte heutzutage noch kein Mensch damit schießen."

Twst.

Wie gar klug so mancher sxricht!

Doch getrost, er ist es nicht!

Schmidt-Prinzl.

Mnstige Äetegenheit.

in Student pflegt wenig Briefe zu erhalten, und die wenigen,
die er bekommt, liest er nicht, selbst wenn fie sich in Ge-
stalt von rosafarbigen Liebeszeichen auf den bierehrlichen Schreib-
tisch schmuggeln. Denn es sind ja meistens direkte oder verkaxxte
Mahnbriefe, Rechnungen, Alageandrohungen und dergleichen
Liebenswürdigkeiten. Ia, Studiosus Süffel ging in seiner
Indolenz so weit, daß er sogar Telegramme, Namenstags-Glück-
wünsche, intime Tinladungen auf „einen Löffel Suppe" u. s. w.
achtlos in den jdapierkorb wandern ließ, nachdem er das letzte
Mal auf eine Postanweisung hereingefallen war, die ihm den
Betrag von zwanzig Pfennig übermittelte mit der nichts-
würdigen Andeutung, diese Summe zur Linzahlung der restlichen
Schuld an kferrn Schuhmachermeister Schläule zu benützen.

N)ie erstaunt war daher Büffel, als er eines Morgens neben
seinem Frühstückskaffee ein Louvert fand mit dem fettgedruckten
Firmenaufdruck: „Wunderlich, Schneidermeister."

„Und das, glaubt der gute Mann, soll ich aufmachen und
lesen? Line solche Naivität ist mir doch noch nicht vorgekommen!"

Noderne Annonee.

--^

k) o ec b Zs b ran ots smptsb!sn sicb

!clÄ 3of>u!^S Zsb. UsbmÄNv

ffiLNS st/IÜÜSb

V_V

Rlltag.

inst wiegten sich grünende Wipfel auf diesem Bergeshang,
Und jedes Blümlein lachte, und jedes Zweiglein sang.
Und lauschiger Märchenzauber spann sich von Baum zu Bauni.
Umschlang die müde Seele als wonnig-süßer Traum.

Auf jedem Wege glänzten der Sonnenbilder viel,

Ls gab im weh'n des windes, ein loses, munt'res Spiel.

Nun ist der Wald erschlagen, — die Märchen sind verrauscht,
Die spielenden, lachenden Lichter mit heißem Brand vertauscht.
Und nackt und ganz entzaubert steigt nun der pfad bergan,
U)o einst erscholl in Minne der Nachtigallen Sang.

Und all die süßen Rätsel — vernichtet mit Gewalt
Und alles sinnige Fragen — im weiten Rauin verhallt.

So ging auf Märchenxfaden die junge Seele hin,

Berauscht von Lenz und Liedern als Maienkönigin. —

Da faßt' des lValdes Arone der Schickung harte ksand
Und riß und rüttelt'stürmisch, nichtBusch, nicht Baum hielt stand. —
Nun geht im Sonnenbrande des Alltags sie dahin
Und weiß von Märchen nichts mehr in dürrem Alltagssinn.

O. F-r. Seidl.

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Vesterreich-Ungarn für kferausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in Ulien I.
Verlag von I. F. Schreiber in München und Ltzlingen.