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Meggendorfer-Blätter: Meggendorfer-Blätter — 54.1903 (Nr. 654-666)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16704#0042
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IN e g g en d or fe r - B l ä t t e r, München

inn weisen Wunderrabbi von Trombowla pilgern all-
jährlich viele, vicle Unglücklichc und Beladene, mn von
ihm Trost mid gute Ratschläge zu erlangen. Die frommen
Iuden, die seine Auhänger sind, schließen kein bedeutendes
Geschäft und keine verlobung ab, ohue den Rabbi zu befragen.
Auch aus dem benachbarten Rußland und aus Rumänien
kommen die Gläubigen zum Rabbi gepilgert, und so verbreitete
sich der Ruf seiner Meisheit immer mehr.

Linst fnhren drci Iuden auf der staubigen Landstraße nach
dem galizischen Grenzstädtchen Trombowla, wo sich auf einer
klcinen Anhöhe das langgestreckte, ebenerdige Mohnhaus des
Gottesmannes ausdehnt. — Die drei Reisegefährten wareni
Iosseh der Bader, Reb Iankel, der Arämer, und Baruch, der
Schneider. Iossel, ein kleines, spindeldürres Männchen, war
von schwerer Sorge bedrückt, denn er hatte wenig zu tun und
mußte mit seiner zahlreichen Familie oft hungern. Da sollte
ihm der Rabbi helfen. — Iankel, der Arämer, machte deu Tin-
druck der Mohlhabenheit, doch drückten auch ihn materielle
5orgen, denn er sah den Ruin seines Geschäftes voraus, wel-
ches trotz großen Umsatzes keinen Nutzen abwarf. — Baruch,
der Schneider, hatte viel Arbeit und guten verdienst, er hatte
sich auch schon ein hübsches Sümmchen für seine alten Tage
erübrigt, aber — er hatte ein böses, böses Meib, welches ihm
das lhaus zur lhölle machte und ihm mit ihrem Aeifen und
Gezänk das Leben verlcidete. —

Nachdem die drei Reisegenossen eine Ieitlang im vor-
zimmer des Rabbi gewartet hatten, wurden sie vom „Leib-
schammes", ein Mittelding von Kammerdiener und privat-
sekretär, der Reihe nach vorgelassen. Iossel, der Bader, erhielt
den Rat, größere Strecken nie mehr zu Fuß zurückzulegen,

sondern stcts zu sahren, dann werde ihm Gott helfen.-

Der Arämer, Reb Iankel, der in seiner Iugend den Talmud
studiert hatte, wurde vom Rabbi ermahnt, sich wieder eifrig
mit dem im Drange der Geschäfte arg vernachlässigten Talmud-
studium zu befasscn, aber nur zur Nachtzeit, dann werde ihn
dcr Gberste erlcuchten. Dem Schneider Baruch riet dcr Rabbi,
jetzt nicht zu seinem bösen lVeibe zurückzukehren, sondern sich

über die Lrntezcit als Feldarbeiter zu verdiugen, dann werde
Gott dcn Sinn seiues lvcibes zum guten lcnken. Dunkel war
der Rede Sinn, und kopfschüttelnd und nachdenklich entfernten
sich die Iudcn.

Am solgenden Tage wurde dcr Bader zum alten lherrn
Baron auf das Gut gcrufcn, der an Zahnschmerzen litt und
sich einen Zahn ziehcn lassen wollte. „Ich gehe nicht einen
Schritt," sagte Iossel zum Burschen, der ihm die Botschaft be-
stellt hatte. „lvenn der gestrenge lherr Baron mich braucht,
soll er seincn lvagen um mich schicken." Als der iherr Baron
diese Antwort bekam, licß er rasch anspannen, denn der Zahn
schmerzte ärger als je, und weit und breit war kein Arzt ansäs-
sig, der ihm hätte hclfen können. Als Iossel in der herrschaftlichen
Tquipage durch das Städtchen fuhr, erregte er gewaltiges Auf-
sehen. Die Fahrt war für ihn eine sehr wirksame Reklame,
die ihm viel nützte, denn er wurde nun viel häufiger gerufen
als früher; auch mußte er, da er immer einen lvagen benützte,
jetzt viel besser honoriert werden, als vordem, da er noch zu
Fuß seine visiten machte, und so gelaugte er mit dcr Zeit zu
lvohlstand und sogar zu einem eigenen lvägelchen. — Reb
Iaukcl, der Arämer, hatte schon in der ersten Nacht seiner lfeim-
kunft die verstaubten Folianten hervorgezogen und eifrig zu
studieren begonnen. Da vernahm er plötzlich im lfofe ein leises,
verdächtiges Geräusch. Er blickte durch das Fenster und bemerkte
einen schwachen Lichtschimmer, der aus dcm Aeller drang. Die
Aellertüre war behutsam geöffnet worden und die lllagd und
der Aommis schlexpten einen großen lvarcnballen aus dem Aeller.
Der Arämer eilte hinaus, schlug Lärm und ließ die Diebe ver-
haften. Und von nun an gedieh das Geschäft bei emsiger
lvachsamkeit immer mehr und mehr und Reb Iankel wurde
bald ein reicher lllann. — Der Schneider Baruch, ein langer,
hagerer lNensch mit sehnigen, langen Armen, hatte sich beim
reichen Pächter als Feldarbeiter verdungen. Die ungewohnte
Beschäftigung im'Freien gefiel ihm sehr gut und tat ihm wohl;
ihm wuchsen zusehends die Aräfte. — Das Getreide war ein-
gebracht worden und nun droschen die Arbeiter mit den Flegeln
rythmisch drauf los. „iferrgott," dachte sich dabei Baruch, „wenn
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
Der Wunderrabbi von Trombowla
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schramm, Viktor
Entstehungsdatum (normiert)
1903 - 1903
Entstehungsort (GND)
Esslingen am Neckar

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Kutsche
Pferd
Kutscher
Peitsche
Mann
Juden

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Aufbewahrungsort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 54.1903, Nr. 657, S. 38

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