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Meggendorfer-Blätter — 55.1903 (Nr. 667-679)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16705#0157
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Zeitschrift für Humor und Aunst

f53

Nöa.

m Lfotel zum blauen bfecht fand heute eine höchst feier-
liche Sitzung statt. Um den Stammtisch in der Lcke
scharten sich die alten Freunde hinter einem Glase
Sekt, und der Amtsrichter Rupprecht erzählte mit vor
Freude geröietem Gesicht die Geschichte seiner Verlobung.

„Ihr wißt doch," begann er, „daß ich einen Vnkel hier
habe, den Aommerzienrat Dussegg. Dieser Vnkel sowohh wie die
ihm zugehörige Tante haben mich, genau
genommen und ehrlich gestanden, meiner
Lebtag nicht viel interessiert. Er hatz

b noch an den Brüsten der Wissen-
schaft lag, mich hie und da eingeladen, und
ich ging hin so etwa mit dem Gefühh
w>>. wenn man ins Examen steigt. Der
Ukann leidet an der Fragesucht. Der
geborene Untersuchungsrichter. Lr muß
alles wissen, glaubt aber prinzixiell höch-
stens ein Drittel dessen, was man ihm
berichtet. Das ist 'mal so eine Maxime
von ihm, er behauxtet, er begnüge
sich im Geschäst auch immer mit öZV»

Prozent.

Sie, die Tante, ist noch cin wenig
neugieriger. Sie huldigt aber einein
andern Grundsatz. Sie mißtraut nur dem Guten, das Schlechte
nimmt sie stets sür bare Ulünze unbesehen ul puri an, ste sügt
sogar aus eigenem noch einige hundert Prozent dazu.

Nun, ich habe sehr bald die nötigen Uonsequenzen gezogen.
Wenn ich hundert Mark Schulden hatte, so bat ich ihn um
dreihundert; die hat er mir jederzeit seiner Naturanlage gemäß
reduziert, und so war er zufrieden und ich auch. wenn ich aber
kein Geld brauchte, so hat er oft halbe Iahre lang auf den
Genuß meiner Dichtungen und Wahrheiten verzichten müssen.

Dieses verhältnis hat sich jedoch gegen Lnde des vorigen
lvinters gründlich geändert. Da kam nämlich die Tochter des
ksauses aus der schweizer jdension heim, in der sie volle drei
Iahre gesteckt hatte.

Ada war fortan mein jdanier. Mit Ada sing der Tag an,
mit Ada ging die Sonne meines Be-
wußtseins unter. Und wenn ich Ge-
legenheit sand, so umschwärmte ich
das hübsche Mädel, überhäuste sie mit
Blumen, mit zarten Diensten und mit
heißen Blicken, ich wurde der rsine
Liebesxockträgsr. bseute noch wette
ich, daß kein Bedienter und wäre es
ein Schwecgswichtslakai, solche Lasten
Garoerobe mit so viel Leichtigkeit zu
schlexxen vsrmag als ich.

Abcr was war des Fleißes Lohn?

Lin niedlicher Dank, ein kühler, ver-
wandtschaftlicher bsändedruck und alle
hohsn Feiertage einmal ein süßer Blick,
der weiter keinen Zweck hatte, als
mich stets aufs neue vor das Gefährt
der holden Götiin zu sxannen. ksie
und da, wenn si.h bei mir ein lichter
Moment einstellte , wunderte ich mich
über mich selb'^ and als ich einmal
im Zirkus Renz einen armen bsirsch
sah, der ein, ' ^"riumxhwagen zog,
d i rannen mir ' n des innigen

Mitgefühls über die wangen, und ich hätte gerne gewußt, ob das
bedauernswerte Tier noch weitere Aehnlichkeiten mit mir habe.
Gottlob schärst die Lifersucht auch dem geistig noch so Unbe-
mittelten die Augen, und so bemerkte ich doch ziemlich bald,
was die eigentliche Ursache war. Als Iurist ist man gerne auf
bestimmte Regeln eingeschworen, und so vermutete ich, dem be-
währten Satze: cüsrclis? lu tsmme solgend, daß meine Tante,

auf das meteorologische Gebiet übergreifend, das schlechte wetter
mache. Mit meiner Anstcht war ich aber diesmal sehr schief
gewickelt. Das weib nämlich, das ich suchte, war im vorliegen-
den Falle ein schwerer Reiter und zwar der mir nach Namen,
Stand und wohnort wohlbekannte Gberleutnant bjaßsurt.
Nachdem ich glücklich auf seine Sxur gestoßen war, erfuhr ich
ohne weitere Schwierigkeit, daß er als ernster Bewerber den
Lltern höchst wohlgefällig sei. Meinem Gnkel imxonierte alles
Schwere: das schwere Geld, die schweren Weine und die
schweren Reiter, und die letzteren wohl deswegen, weil bei diesen
nicht viel riskiert sein kann. wenn er einen solchen, seiner
Auffassung nach, auch nur zu szVs prozent annahm, so reichte
im Notfall der Rest immer noch zu einem ganzen Infanteristen.

Da war also nichts zu wollen. Auf dem Schlachtfeld der
Liebe haben die Uavallerieattacken noch
heute ihre alte wucht.

Mir blieb demnach mit Rücksicht
darauf, daß ich diese rollende Lnt-
wicklung, wie wir so schön zu
sagen xflegen, nicht „hintanhalten"
konnte, kein anderer Auswcg übrig, als
möglichst geräuschlos abzuspinnen und
nach blräften so zu tun, als wenn ich gar
nicht gewesen wäre. Ich machte mich
äußerst dünne, biß unerschrocken die
Zähne übereinander, denn so ein Ab-
sturz ist viel, viel schmerzhafter, als
man glauben sollte, und wenn man
noch dazu recht lieblich zu lächeln hat,
so liegen einem trotz aller Tapferkeit ver-
schiedene Dummheiten in nächster Nähe.

Ich ließ mich also ruhig in den
winkel stellen und schaute nur ab und
zu in die Zeitung, ob dort nicht eine
Anzeige zu lesen wäre, wonach bei
Dussegg dd Lo. ein abgelegter, aber
fast wie neuer Amtsrichter mit be-
deutendem Nachlaß zu verkaufen sei.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
Ada
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Gutschmidt, Richard
Entstehungsdatum (normiert)
1903 - 1903
Entstehungsort (GND)
Esslingen am Neckar

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Paar
Mann
Frau
Stammtisch
Liebe

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Aufbewahrungsort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 55.1903, Nr. 679, S. 153
 
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