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Meggendorfer-Blätter — 62.1905 (Nr. 758-770)

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https://doi.org/10.11588/diglit.9749#0056
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Meggendorfer-Blätter, Blünchen

^8

(Zin Nbenteuer.

von L. Detrc.

er akademische INaler Rohr-
bach ist mit seiner jungen
Frau auf der kjochzeitsreise.

Sie sitzen allein im Loupe des
Schnellzuges. Schon vier Stun-
den dauert die rasselndeSchnell-
sahrt, die hohen lvogen der
interessanten Gesprächsthemata
haben sich gelegt; da sagt die
junge Frau:

„Gustav, ich möchteeinkleines
Lisenbahnabenteuer erleben."

„Aber so etwas, liebe Llse,
kann man auf Bestellung nicht
bekommen."

„Ich meine ein künstliches.

Nimm an, ich sei eine allein
reisende junge Dame, Du ein
frecher Iüngling, der inir um
jeden Preis den Ljof machen
will. Ich wehre mich dagegen."

„Gut, liebe Llse. Aber wir
müssen unsre Rollen ernst
nehmen, sonst gibt's keinen
Spaß dabei." —

„Also,ich beginne: Eine wunderbare Gegend, die wir jetzt durch-
queren. Gnädiges Fräulein machen zum erstenmal diese Tour?"

„Mas soll ich darauf antworten, Gustav?"

„Vorläufig gar nichts. Und dann bitte ich Dich, die Ant-
worten gefälligft selbst zu suchen."

„Also, ich fahre fort: Die Sonne belästigt Sie, gnädiges
Fräulein; wenn Sie gestatten, werde ich den vorhang vorziehen."
„Ich bitte."

Damit war zwischen beiden das künstliche Zwiegespräch in
Fluß gebracht.

Frau Else kam ganz vortrefflich in ihre Rolle, und als der
ungestüme Reisegefährte sie gar mit Aomplimenten über-
schüttete, wies sie diese mit strenger Nliene zurück.

Ljerr Rohrbach aber mußte seiner Sache gewiß sein, denn
er ließ nicht nach, seinem schönen Vis-a-vis alle möglichen und

unmöglichen Schönheiten zu
sagen und wurde endlich so kühn,
daß er ihre widerstrebende
bjand ergriff und küßte.

Frau Else wollte stch aber,
ihrer Rolle getreu, solche Zu-
dringlichkeiten durchaus nicht
gefallen lassen. Zornerglüht
rle sie aus: „Mein Ljerr, wenn
Sie Ihr unverschämtes Be-
tragen fortsetzen, rufe ich um
hilse."

Lben ging der Schaffner
auf dem Schmalgange des lVag-
gons an dem Loupe vorüber.
Sie hatten ihn aber in der Auf-
regung des Dialoges nicht be-
merkt.

bjerr Rohrbach kam aber
aus seiner erkünstelten Auf-
regung in eine nervöse, und
trotz des Sträubens seiner Ftau
umhalfte und küßte er sie. Äie
glaubte es ihrer Rolle schuldig
zu sein, um kjilfe zu schreien.

Bald darauf hielt der ZUg.
Der Schaffner kam zur Toupö-
türe und bat den bjerrn Rohrbach, abzusteigen, ein Ljerr wolle
ihn auf ein xaar Sekunden dringend sprechen.

Der Schaffner und bjerr Rohrbach verschwanden; ein kurzer
psiff, der Zug setzte sich in Bewegung.

Frau Llse ging auf den Gang hinaus, sah dort den
Schaffner und fragte ihn erschrocken: „Jst der bjerr noch nicht
zurückgekommen?"

„Sie brauchen keine Angst mchr zu haben, meine Gnädige, ich
war Augenzeuge seiner Frechheiten und habe ihn auf der
Station der Gendarmerie übergeben."

„Um Gottes willen, das war ja mein Mann!" rief Frau
Llse aus.

Auf der nächsten Station stieg sie aus und erhielt nach einer
Stunde solgendes Telegramm: „Ich komme mit dem nächsten
Zug; nun hast Du Dein Lisenbahnabenteuer."

Immer derselbe.

— „lveißt Du, Aamerad, Deine reiche Braut ist aber mager."
Leutnant: „Rein lvunder, wo Nlädel vor Ilück jar
nich' ordentlich essen kann."

Keimkehr.


verantwortlicher Redakteur: Ferdinand Schreiber jr. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Vesterreich-Ungarn für kjerausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in lvicn I.

Verlag vvn I. F. Schrriber in Wünchen und Esilingrn.
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