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Meggendorfer-Blätter — 63.1905 (Nr. 771-783)

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https://doi.org/10.11588/diglit.19790#0046
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^6

Meg g e n dor fer -B l ätler, München

Im Lifcr.


Ach, Herr Doktor, ich bilde mir iminer ein, daß mich ein Mann verfolgt . . . Das sind wohl

Wahnvorstellungen, nicht wahr?" —
— „Selbstverständlich I Schau'» Sie nur 'mal in den Spiegel!"

in Aüche und Haus, wenn sie ihren Platz darinnen teilen sollte.
Nein, daraus konnte nun und nimmer etwas werdenI Aber
eines konnte sie tun und das tat sie auch augenblicklich: sie
schrieb ihrer Mama und bat sie um Rat. Sie hatte solche Eile
damit, daß sie den Brief selbst zur Post trug; doch als er un-
wiederbringlich in der schmalen Einwurfsöffnung verschwunden
war, überschlich sie doch etwas wie Beklommenheit. So ganz
befriedigt über den getanen Schritt mar sie nicht.
Zwei Tage nach dem häuslichen Intermezzo läutete es an
der Flurtüre und als Frau Hannchen ausmachte, stand ihre
Frau Mama vor ihr. Hannchen hatte sich das wohl gedacht;
was würde Vskar zu dieser Einmischung in ihre ehelichen
Differenzen sagen? Doch die Mutter beruhigte sie in dieser
Beziehung.
„Glaube nicht, mein liebes Aind," sagte sie, nachdem sie
es sich bequem gemacht hatte, „daß ich nicht ganz genau die
Stellung kenne, die ich hier einzunehmen habe. Nein, Dein
Mann braucht gar nicht zu erfahren, daß ich auf Deine Ver-
anlassung hierher gekommen bin, es paßt mir auch selbst besser
in meinen Plan. Ich habe nämlich, wie in allen meinen
Unternehmungen, auch in dieser Sache meine Methode. Du
sollst sehen, in acht Tagen habe ich Vskar seine Nörgelsucht
abgewöhnt, und er wird Deine Aüche für die beste der Welt
erklären. Das Erste ist, daß man einem Manne jede kritische
Selbständigkeit nimnit; je energischer man damit von Anfang
an verfährt, desto schneller geht es, und die Männer werden
schließlich fügsam wie die Lämmer. Damit aber übrigens Vskar
nicht meint, daß ich es sei, die ihm das Essen koche, werde ich
strikte jeden vormittag abwesend sein und immer erst zum
Mittagessen erscheinen. Und nun genug davon I"

Frau Hannchen seufzte,
doch tat sic am besten, sich
der Einsicht ihrer Frau
Mama still zu fügen. Als
Vskar am Mittag nach Hause
kam, war er wohl von dem
unerwarteten Besuche über-
rascht, ohne aber den wirk-
lichen Zusammenhang zu
ahnen. Unlustig und gleich-
gültig, wie in den letzte»
Tagen überhaupt, setzte er
sich zu Tische und als die
Suppe aufgetragen wurde,
nahm er nach seiner Ge-
wohnheit nur wenige Löffel
davon auf seinen Teller.
Aber die Schwiegermutter
hatte ihn bereits mit er-
wartungsvoller Miene beob-
achtet und platzte nun los.
„Nicht doch, lieber
Schwiegersohn," sagte sie
und füllte ihm mit dein
großen Schöpflöffel nach,
„Suppe reizt den Appetit,
und wer sich gleich mit der
Absicht zum Essen nieder-
setzt, es sich nicht schmecken
zu lassen, übt ein unverant
wörtliches Attentat auf seine
Magennerven aus und steht
unbefriedigt vom Tische
wieder aus. Die Suppe
schmeckt Ihnen doch?" fuhr sie fort, als Vskar einige Löffel
davon genommen hatte. „Nicht wahr, sie ist gut?"
„V ja, ich denke," gab Vskar zögernd zurück.
„Ausgezeichnet ist sie," fiel die Schwiegermutter ein und
füllte ihm den Teller nochmals auf.
Vskar war baff, aß aber gehorsam den zweiten Teller leer
und — war cs nur Einbildung, oder war es wirklich so —
die Suppe hatte ihm in der Tat geschmeckt. Das erstemal in
seiner jungen Ehe.
Dann kam Aal in Aspik.
„Eine deliziöse Vorspeise," suggerierte die Schwiegermutter
und legte dem erbleichenden Schwiegersohn ein halbes Pfund vor.
„wie trefflich er im Gewürze ist, und so kernig im Fleisch,"
fuhr sie weiter fort.
Vskar stocherte ein wenig darin herum, aber die Schwieger-
mutter wendete kein Auge von seinem Teller, das fühlte er
trotz seiner niedergeschlagenen Blicke, so daß er wohl oder übel
seine Portion aufessen mußte. Und — wenn er ehrlich sein
wollte, er hatte es mit Appetit getan.
Beim Aalbsbratcn erging es ihm ähnlich. Ls bedurfte
fast nicht mehr des lobenden Einflusses, den Mama auch hier
aufbot, um ihm alle Ehre angedeihen zu lassen.
„Siehst Du?" flüsterte die brave Frau ihrer Tochter zu,
und diese nickte verständnisinnig.
So ging es etwa acht Tage lang fort. Vskar aß mit
immer größerem Appetit zu Mittag, und wenn ihm die Schwieger-
mutter nicht jeden Tag auf das Bestimmteste versichert hätte,
daß sie nie einen Fuß in der Tochter Aüche setze, so hätte er
angenommen, daß die bessere Zubereitung der Speisen ihrer
Unterstützung zuzuschreiben sei. So mußte aber das ganze
(Schluß Seite H7)
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
Im Eifer
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Bildunterschrift: - "Ach, Herr Doktor, ich bilde mir immer ein, daß mich ein Mann verfolgt ... Das sind wohl Wahnvorstellungen, nicht wahr?" / - "Selbstverständlich! Schau'n Sie nur 'mal in den Spiegel!"

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schramm, Viktor
Entstehungsdatum
um 1905
Entstehungsdatum (normiert)
1900 - 1910
Entstehungsort (GND)
Esslingen am Neckar

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Arzt
Patientin
Arztpraxis
Schreibschrank
Verfolgungswahn

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Zeitpunkt Aufnahme (normiert)
2013-11-21 - 2013-11-21
Aufbewahrungsort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 63.1905, Nr. 774, S. 46
 
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