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Meggendorfer-Blätter — 63.1905 (Nr. 771-783)

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https://doi.org/10.11588/diglit.19790#0118
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Ntcggeudorfer - BIätler, München

Mädchen verliebt sind, lesen sie zumeist fürs
I / Leben gerne Liebesromane, und süßer Schauer
durchrieselt sie, so oft sie zu jener in keinem
richtigen Liebesroman fehlenden Stelle kommen: „ > > > Mort-
los küßte er immer wieder ihre Lippen, bis sie brannten —
wahre Liebe ist stumm I"
„Ach, wenn mir nur auch schon so weit wären!" seufzte
das achtzehnjährige Töchterchen des Vekonomierates Bcrnhagen.
„Ich weiß es ja — mein Herz sagt mir's — daß er mich
liebt, der Forstadjunkt. Aber er ist so furchtbar schüchtern und
traut sich nicht, davon zu reden, geschweige denn, mir — o,
welche Seligkeit! — einen Kuß zu rauben!" verdüsterten
Blickes starrte Aennchcn vor sich hin; mit einem Male erhellten
sich aber ihre Züge. „Mart, Du Traumichnicht," flüsterte sie,
„heute will ich Dir's zeigen, daß wahre Liebe stumm ist!" und
beflügelten Schrittes, aber auch klopfenden Herzens, eilte sie in
den park zu jener lauschig versteckten Bank, wo jedesmal um
die sechste Abendstunde ein blonder, hochgemachsener junger
Mann erschien, nach artiger Verbeugung um die Erlaubnis
bat, „dem gnädigen Fräulein" ein wenig Gesellschaft leisten zu
dürfen und — alsdann von den gleichgültigsten Dingen der
Welt zu sprechen anfing.
Auch heute knirschte, schlag sechs Uhr, unter seinen eilenden

MaMab.

„Mas, erst zwei Iabr ist Ihr Bub in der Lehre?
hält' ich gemeint, er wär' fertig."

Wahre Liebe ist stumm".
Humoreske von Hans Horina.
Schritten der feine Ries und, höflich wie immer, sein Kompliment
machend, stand Bruno Bolzenberg, der Forstadjunkt, vor ihr.
„Gestatten, gnädiges Fräulein?"
Aennchen nickte kaum merklich, und im nächsten Augenblick
saß er an ihrer Seite. Aber mindestens drei Spannen Respekt-
raum hatte er zwischen sich und „dem gnädigen Fräulein"
gelassen.
„Missen gnädiges Fräulein schon, daß morgen der alte
Forstrat Donnerburg zur Inspektion cintrifft?" — Aennchcn
schüttelte das Köpfchen verneinend — „Nicht? M, das werden
wieder ein paar sauere Tage werden," fuhr der Adjunkt fort,
sich im stillen über die ungewohnte Schweigsamkeit der heim-
lich Geliebten wundernd. „Sie müssen nämlich wissen, gnädiges
Fräulein, daß der alte Forstrat einer der zuwidersten Pedanten
ist, die es auf der Melt gibt. Er steckt voller Schrullen und
Launen, quält seine Untergebenen wegen jeder Kleinigkeit bis
aufs Blut und hat schon manchen ums Brot gebracht. — Ist
das nicht schrecklich? . . ."
Aennchen sah stumm vor sich hin.
Nun wurde Bolzenberg aufmerksam. Mas hatte sie nur
die Kleine? . . .
«Ist Ihnen vielleicht nicht wohl, gnädiges Fräulein?"
fragte er mit achtungsvoller Teilnahme.
Das Mädchen verneinte stumm und seufzte nur ein ganz
klein wenig.
Bolzenberg rückte unruhig näher. „Gder sollte Ihnen
vielleicht meine Anwesenheit nicht genehm sein?" begann
er wieder und gespannt hing sein Blick an ihren Lippen.
Aennchen brach aber auch jetzt nicht ihr Schweigen. Sie
schüttelte bloß das Köpfchen und lächelte schwermütig vor
sich hin.
„Ja, ums Himmels willen, was haben Sie denn dann nur
heute?" rief, warm werdend, der Adjunkt und rückte abermals
um ein Stückchen näher.
Keine Antwort.
Da rückte er ganz nahe heran, ergriff voll Eifer ihr
Händchen und schmeichelte: „Ach, gnädiges Fräulein, so
sprechen Sie doch, sprechen Sie nur ein einziges Wörtchen!"
Auch das half nicht. Aennchen blieb nach wie vor
stumm wie ein Fisch, und nur ein leises Zittern ihrer Hand
ließ ihn merken, daß sie sehr erregt war.
Da konnte sich der heimlich verliebte nicht mehr länger
zurückhalten. „Aennchen," rief er in den
stehendsten Tönen, „sprechen Sie, ich bitte Sie
inständigst darum!" und erregt legte er seinen
Arm um ihre Taille und zog sie an sich. Sie
ließ es, leise widerstrebend, geschehen und senkte
das Köpfchen mit einem tiefen Seufzer an seine
Brust.
„M, was bedrückt Dich — pardonI — was
bedrückt Sie so sehr, gnädiges Fräulein?!" rief
Bolzenberg verwirrt und legte in zärtlicher Be-
sorgnis nun auch den zweiten Arm um das
Mädchen. Aennchen blickte schüchtern empor,
schlug jedoch sogleich die Augen wieder nieder.
Ihre Lippen bewegten sich, als ob sic sprechen
wollte, aber sie brachte keinen Laut hervor.
Nun verlor Lolzcnberg vollends den Kopf.
„Aennchcn, liebes, gutes Aennchcn!" rief er
und drückte sie an sich. „M, quäle mich nicht
(Fortsetzung 5eile ^9).

Den Bhrcn nach
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
Maßstab
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "Was, erst zwei Jahr ist Ihr Bub in der Lehre? Den Ohren nach hätt' ich gemeint, er wär' fertig."

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schramm, Viktor
Entstehungsdatum
um 1905
Entstehungsdatum (normiert)
1900 - 1910
Entstehungsort (GND)
Esslingen am Neckar

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Mutter
Sohn
Frau
Gespräch
Ohr

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Zeitpunkt Aufnahme (normiert)
2013-11-21 - 2013-11-21
Aufbewahrungsort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 63.1905, Nr. 780, S. 118
 
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