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27

Zeitschrift für Humor und Kunst

Der Nhythmus

Die Dichter und Komponisten erkennt
man heutzutage daran, - datz sie gar
nicht wie solche aussehen. Sie unter-
scheiden sich von den andern Menschen
lediglich durch ihre Gewohnheiten und
durch ihre Vornamen. Es war also Elias
Meiermann ein Dichter wenn er auch
mitunter einem feiertäglich gekleideten
Osensetzersgehilfen glich - und Iwan
Giacomo Maria Kluns war nicht —
wie man leicht annehmen konnte — ein
Gipsfigurenhändler, sondern ein Kom-
ponist.

Der Kellner des Kaffeehauses — ein
gewiegter Mann, schlich mißtrauisch.um
die beiden herum. Er wußte nicht, daß
Iwan Giacomo MariaKluns seit gestern
als Kapelimeister irn Kabaret „Zr>r musi-
kalische» Verbindungstüre" angestellt und
mitdcmbeträchtlichenVorschußvonsieben
Mark fünfzig Pfennig ausgerüstet war.

„Elias!"

„5om?"

„Paß' mal auf! Lalilalilila!"

„Was ist das?"

„Ein neuer Nhythmus! Ein Refrain!
Gefällt er dir?"

„Jch weiß nicht — ich habe ihn schon
wieder vergefsen!"

„Also werde ich ihn dir nochmals
vorsingen: Lalilalalililalalilalilalilili . ."

„So, hör doch auf," murmelte Elias,
„die Leute halten uns ja für verrückt."

„Gefällt es dir jeht?"

„Ausgezeichnet!"

„Dann kannst du mir einen Text
dazu fchreiben. Aber ich will ihn morgen
haben. Kannst du das machen?" Elias
überlegte. „Ich weiß nicht, ob ich nicht
den Rhythmus vergefsen werde. Ich
habe ein schlechtes Gedächtnis für Musik."

„Oh — ich werde dir ihn so oft vor-
singen, bis du ihn behältft. Lör zu:
Lalililalalilila..."

Ein Opfer seines Berufes

„Euer Polizeihund wird ja so
dick zum Platzen."

— „Ia, schauen S', a jeder möcht
si' halt gern mit ihm guat stehn."

Jwan Giacomo Maria hatte kein
besonders sympathisches Organ. Deshalb bat ihn der Kellner
auf Wunsch der vereinigten anwesenden Gäste, das Singen
einzustellen. Llnd die beiden Kasfees machten fünfzig Pfennig,
und ob die Äerren sonst noch etwas gehabt hätten?

Als Iwan Giacomo Maria sich von Elias trennte, war
dieser mit dem Rhythmus angefüllt — bis obenhin, Kluns
hatte ihm diesen vorgesungen — nicht einmal — nein hun-
dertmal. Zum Schluß hatte Elias mitsingen miissen, —
immer wieder: „Lalililalali." — und nun hatte er ihn!

Kluns war stolz. „So, mein Lieber," meinte er gönner-
haft „nun paß auf, daß du ihn nicht wieder vergißt. !lnd
morgen bringst du mir den Text. Servus, Elias!"

„Lalila — Servus — lalili - - Iwan Giaco lalilamo
Maria — lali —

„So ist's recht" — fagte Iwan und ging fort.

„Lalila — oh pardon — lalili" sagte Elias, der ge-
dankenvoll und wuchtig einem würdigen Bürger auf den Fuß
getreten war, und ging auch weg. Langsam — in tadel-
losem Takt. And leise summte er vor sich hin: „Lalili."

„Wernoeinstingis!" — rief der Schaffner. Das sollte
heißen, daß die an der lehten Laltestelle eingestiegenen Lerr-
schaften sich mit ihm betreffs Lösung einer Fahrkarte ins
Benehmen setzen sollten.

„Lali — bitte — lala — 5whe — lili — straße!" sagte
Elias Meiermann.

„Alsdann — Lilienstraße?" erkundigte sich der Schaffner.

„Nein! Lali —"

„Wer is eahner Lalli — ? Moanes leicht mi?" murrte
der Schaffner empvrt.

„Nein — ich möchte lalilala — "

Die übrigen Passagiere begannen von ihm wegzurücken.
Ein menschenfreundlicher Lerr machte geheimnisvolle Gesten
— und übernahm bereitwillig die Vermittlung.

„Wo möchten's denn hin — ?" sagte er in jencm fingen-
den Tonfall, in dem man zu kleinen Kindern spricht.

Aber sein Gesang paßte nicht zu Elias Nhythmus und
das Geklingel des Wagenführers auch nicht.

Der Dichter bekam Angst um seinen Nhythmus.
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