162 Meggendorfer-Blätter, München
- „Du solltest doch das Spiel aufgeben, Kurt, wenn du beständig verlierst."
— „Ich kann aber ohne Spiel nicht leben!"
— „Na, mit ihm doch aber auch bald nicht mehr."
Der bekannte Herr
Larmlos saß ich eines Abends im Cafs Glasl. Plötz-
lich setzte sich an meinen Tisch ein Lerr, der mir sosort sehr
bekannt vorkam. Aber um alles in der Welt stel mir nicht
ein, wo ich ihu schou gesehen hatte. Da ich aus Ersahrung
weiß, mit welch suggestiver Kraft solch völlig belanglose
Fragen ihr Opfer oft stunden- und tagelang versolgen,
zahlte ich und ergriff schleunigst die Flucht. Aber leider
war es schon zu spät. Ich brachte den geschniegelten Lerrn
mit den semmelblonden Locken und dem gewichsten Pomade-
bärtchen nicht mehr aus dem Kops. Vor dem Einschlafen
ließ ich noch alle männlichen Wesen, mit denen ich regel-
mäßig in Berührung kam, an meinem geistigen Auge vor-
beispazieren: den Briefträger, den Schneider, den Schuster,
den Bader und noch ein Dutzend andere, aber keinem sah
Mibruch
llnä äie llkren Ie>ler iicken,
llnä äie 8äl>e müäe biicken,
lllül unä lllirlin lchiälrig nicken,
8u>e llachl!
8ute Ilacht, tzerr tlpollreker,
8ule Nachl, herr llpoltzeker,
8ule llachl, sterr Upolkeker,
6ule Ilachi!
3ule Ilachl, sterr kxpeäilor,
6ule llackt. herr llegtzlrator,
6ute Ilacht, sterr 8eomeier,
3ute Ilacht!
6ute llachl, herr Maier. Maier,
6ute Ilachl. herr stuber, stuber,
3ule llacht, herr Memanä, Memanä.
6ute Ilachtl
C. A. Lennig
Theorie und Praxis
Ländler: „Diese Feder ist un-
verwüstlich, mit der können Sie
scbreiben, solauge Sie leben."
Kunde: „Gut, so gebeu Sie
mir eiue."
— „Eine? Wollen Sie nicht
lieber gleich ein Gros nehmen?
Da kommen sie doch billiger."
Sicheres Brot
Ich stand mit dem juugen
Maler Ferdinand in der Six-
tinischen Kapelle und vertiefte
mich in Michelangelos Freskeu.
„Wiewundervoll" — flüstcrte
ich — „hat er jegliche Empfin-
dung wiedcrgegeben — vom sin-
nenden Grübeln bis zur auf-
jauchzenden Offenbarung!" —
Ferdinand zuckte gering-
schätzig die Achseln:
„Der Mann hat auch auf
Bestellung gearbeitet!"
er ähnlich. Am nächsten Morgen fixierte ich auf dem Bureau-
weg jeden Menschen, und beim Mittagessen schaute ich
jedem Gast forschend ins Gesicht. Nirgcnds jedoch traf ich
den Lerrn vom Cass.
Abeuds ging ich zum Nasieren: bevor ich in den Laden
trat, warf ich wie immer noch schnell einen Blick ins Aus-
lagfenster.
Ah! — Endlich! — Endlich wurde ich vou meiner
schweren Last befreit, denn aus der Auslage schaute mir
ja der geschniegelte Lerr mit den semmelblonden Locken
und dem gewichsten Pomadebärtchen entgegen: die Wachs-
büste nämlich, an der mein Friseur seine Kunst zur Schau
stellt. Sie war dem Menschen im Cass fprechend ähnlich,
und da ich sie natürlich jeden Tag fah, wenn ich zum
Nasieren ging, kam er mir gleich so bekannt vor.
Lans Sollinger
dop^riZbt 1914 b^ I?. Lebrslber
- „Du solltest doch das Spiel aufgeben, Kurt, wenn du beständig verlierst."
— „Ich kann aber ohne Spiel nicht leben!"
— „Na, mit ihm doch aber auch bald nicht mehr."
Der bekannte Herr
Larmlos saß ich eines Abends im Cafs Glasl. Plötz-
lich setzte sich an meinen Tisch ein Lerr, der mir sosort sehr
bekannt vorkam. Aber um alles in der Welt stel mir nicht
ein, wo ich ihu schou gesehen hatte. Da ich aus Ersahrung
weiß, mit welch suggestiver Kraft solch völlig belanglose
Fragen ihr Opfer oft stunden- und tagelang versolgen,
zahlte ich und ergriff schleunigst die Flucht. Aber leider
war es schon zu spät. Ich brachte den geschniegelten Lerrn
mit den semmelblonden Locken und dem gewichsten Pomade-
bärtchen nicht mehr aus dem Kops. Vor dem Einschlafen
ließ ich noch alle männlichen Wesen, mit denen ich regel-
mäßig in Berührung kam, an meinem geistigen Auge vor-
beispazieren: den Briefträger, den Schneider, den Schuster,
den Bader und noch ein Dutzend andere, aber keinem sah
Mibruch
llnä äie llkren Ie>ler iicken,
llnä äie 8äl>e müäe biicken,
lllül unä lllirlin lchiälrig nicken,
8u>e llachl!
8ute Ilacht, tzerr tlpollreker,
8ule Nachl, herr llpoltzeker,
8ule llachl, sterr Upolkeker,
6ule Ilachi!
3ule Ilachl, sterr kxpeäilor,
6ule llackt. herr llegtzlrator,
6ute Ilacht, sterr 8eomeier,
3ute Ilacht!
6ute llachl, herr Maier. Maier,
6ute Ilachl. herr stuber, stuber,
3ule llacht, herr Memanä, Memanä.
6ute Ilachtl
C. A. Lennig
Theorie und Praxis
Ländler: „Diese Feder ist un-
verwüstlich, mit der können Sie
scbreiben, solauge Sie leben."
Kunde: „Gut, so gebeu Sie
mir eiue."
— „Eine? Wollen Sie nicht
lieber gleich ein Gros nehmen?
Da kommen sie doch billiger."
Sicheres Brot
Ich stand mit dem juugen
Maler Ferdinand in der Six-
tinischen Kapelle und vertiefte
mich in Michelangelos Freskeu.
„Wiewundervoll" — flüstcrte
ich — „hat er jegliche Empfin-
dung wiedcrgegeben — vom sin-
nenden Grübeln bis zur auf-
jauchzenden Offenbarung!" —
Ferdinand zuckte gering-
schätzig die Achseln:
„Der Mann hat auch auf
Bestellung gearbeitet!"
er ähnlich. Am nächsten Morgen fixierte ich auf dem Bureau-
weg jeden Menschen, und beim Mittagessen schaute ich
jedem Gast forschend ins Gesicht. Nirgcnds jedoch traf ich
den Lerrn vom Cass.
Abeuds ging ich zum Nasieren: bevor ich in den Laden
trat, warf ich wie immer noch schnell einen Blick ins Aus-
lagfenster.
Ah! — Endlich! — Endlich wurde ich vou meiner
schweren Last befreit, denn aus der Auslage schaute mir
ja der geschniegelte Lerr mit den semmelblonden Locken
und dem gewichsten Pomadebärtchen entgegen: die Wachs-
büste nämlich, an der mein Friseur seine Kunst zur Schau
stellt. Sie war dem Menschen im Cass fprechend ähnlich,
und da ich sie natürlich jeden Tag fah, wenn ich zum
Nasieren ging, kam er mir gleich so bekannt vor.
Lans Sollinger
dop^riZbt 1914 b^ I?. Lebrslber