Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
206 Meggendorfer-Blätter, München

— „Welche Anverschämchek! Der Schneider schickt mir die Rechnung,
und damit ich ste aufmache, steckt er ste in einen Korb Blumen."

Das neve Haus Von Peter Robtnson

Nach dem Nichtfest war
es so ganz gemächlich weiter
gegangen, bis man nun, zu
Anfang November, mit Sack
und Pack aus dem alten ins
neue Äaus ziehn konnte. So
gerade zum Winter, das hatts
auch manches Schöne, Wenn
dann der See zugefroren
war, konnte Leinrich Sand-
voß sich neben der Treppe,
den kleinen Abhang hinunter,
Waffer gießen und eine
-Schlittenbaha herstellen laf°
sen, bequem in seinem Zim-
mer die Schlittschuhe an-
schnallen und dann, hast du
nicht gesehn, hinaussausen
auf den weiten See. Denn
Leinrich Sandvoß war ein
rüstiger Lerr und liebte es,
sich einen Bärenhunger an-
zuschaffen, indem er einmal
um den ganzen See herum-
lief. Aber freilich, — erst
mußte sein Werkführer den
längsten Bohrer aus der
Werkstatt genommen und die
Vertrauenswürdigkeit des
Eises vor Leinrich Sandvoß'
eigenen Augen festgestellt ha-
ben. Denn einmal — vor
sünfundzwanzig Iahren —
war Äeinrich Sandvoß unter
das Eis geraten, und er hätte
wohl seine Werkstätte, seine Kupserhämmer, sein Lauptbuch
und Frau und Kinder nicht wiedergesehn, wenn nicht der
alte Brodzki, der hastig der Ansallstätte zugelaufen war,
zwei Meter davon gerade an dem Punkt eingebrochen wäre,
wohin Leinrich Sandvoß sich unter dem Eise verirrt und
wo er dann wild gegen die schimmernde Decke angehämmert
hatte. Seitdem war er ein vorstchtiger Mann geworden
und hütete dieses Leben, das ihm ja auch keinen Grund

gegeben hatte, es nicht durch-
aus schätzenswert zu finden,
mit einer Aengstlichkeit, die
manchmal zu seiner Riesen-
statur, seiner breiten Brust
und seiner urgesunden inneren
Maschine in lächelnswerten
Gegensatz geriet. —

Für das neue Laus waren
auch ein paar neue Möbel an°
geschafft worden; ein richtiges
Staatszimmer war schon drü-
ben aufgebaut worden. Das
hatte Frau Beate Sandvoß
sich seit langem gewünscht, und
Leinrich hatte den Wunsch
berechtigt und vernünftig ge-
funden. Aber gewiß doch:
wenn er stch ein neues Laus
leistete, dann konnte seine Frau
auch ein neues Putzzimmer
beanspruchen.

Zu Jchanni war das Richtsest gewesen, drei Tage,
nachdem Leinrich Sandvoß seinen vierundsechzigsten Geburts-
tag geseiert hatte. Kupferschmiedemeister Sandvoß, der
reichste Mann von Müskenburg, hatte seit dreißig Iahren
Wohnhaus und Werkstätte am Cnde der Stadt, vor dem
Friedländer Tor. Nun hatte er sein neues Laus noch um
drei Minuten weiter hinaus-
gerückt. Dicht am See stand
es, selbstbewußt der Stadt den
Rücken kehrend. Zum fein-
kiesigen Seeufer führte eme
stattliche Freitreppe hinunter,
gegen deren letzte Stufe sacht
das Waffer plätscherte, wenn
der Wind vom fernen jen-
seitigen Afer Herüberkam, wo
der schwarze Wald stand.

So, das war nun das schön-
ste, wirklich das allerschönste
Laus von ganz Müskenburg.

Dreißig Iahre lang hatte Lein-
rich Sandvoß von diesem Lause
geträumt, nicht sehnsüchtelnd,
sondern solide abwartend, wie
zu träumen es sich eben ein
Kupferschmiedemeister leisten
kann, der jeden Lammerschlag
mit einem Groschen berechnet. Jungbrimnen
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen