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Meggendorfer-Blätter, München

wieder allcs zur Ruhe gegangen, so gegen vier Ahr
morgens wieder auf den Leimwcg. Die Sonne war
gerade aufgegangen nnd fchien schön auf die Vorder-
fenster des Baalkeschen Lauses, hinter denen die
beiden alten Damen ihre Zimmer hatten. Die Roll-
vorhänge aus bemaltem Kattun waren herabgelaffen.
Es waren schöne Vorhänge. Auf dem einen fah
man eiu herrliches Seestück mit einem Sturm darauf,
wie ihn wohl noch kein Mensch aus dem ganzen
lleincn Fischerdorf erlebt hatte, auf dem andern
aber den Kaiser Napoleon auf seinem Schimmel,
wie er gerade eine Schlacht lenkt. Ob es eins sieg-
reiche oder eine unglückliche Schlacht war, konnte
man auf dem Bilde nicht erkennen. Die Bewe-
gungen der Truppen waren geschickt durch Pulver-
dampf verdeckt, das Antlitz des Feldherrn aber gab
nicht die geringsten Anhaltspunkte.

Die Morgensonne strahlte auf das steinerne
Antlitz des Kaisers. Der alte Dörcks schaute sich
das Biid, das er schon oft geschen hatte, wieder
einmal an und freute sich darüber. Da aber wurde
auf einmal sein Blick von dem Gemälde abgelenkt,
er sah etwas, das er in seincm doch immcrhin recht
ansehnlichen Leben noch nie gesehen hatte. Der
Vorhang hing etwas schräg herunter, unten in der
Ecke ließ er ein Wafferglas sehen, das innen auf
dem Fensterbrett stand. !lnd in diesem Glase lagen
in Wasser Zähne, zwei vollständige Reihen wirk-
licher und wahrhaftiger Zähne von schöner weißer
Farbe, so prächtig, wie sie kaum die zwanzigjährigen
Mädchen im Dorf hatten. So beißtüchtig und so
appelitanregknd waren sie, und auch Zahnfleisch
hatken sie, wunderbar rosiges Zahnfleisch

Dörcks wanderte heim in sein Skübchen, das er
als Altenteil bei scincm ältesten Sohne hatte, Aber
er legte sich nicht mehr nieder, der Schlaf war
ihm vergangen. Die Zähne gingen ihm nicht mehr
aus dem Kopf. Das ist natllrlich nur bildlich ge-
meint, in Beziehung auf jene schönen Zähne in der
Nachbarschaft des Kaisers Napoleon, denn Dörcks
selbst hatle in seinem nebenundachtzigjährigen Munde
keinen einzigen Beißknochen mehr, Mit siebzig Iah-
ren waren ihm die letzten sechs alle auf einmal, wie
auf Verabredung, nach einem Fieber herausgesallen.

Im Wohltätigkeitskonzert Saaldienercalsnacheinem

miserablen Vorirag das Publi-
kum fluchtartig hinausstrvmt, zu einigen Freibilletinhabern): „Nicht vor-
drängen, die Äerrschaften, die bezahlt haben, kommen zuerst'raus!"

Tas Gebifl

an Fischer Baalke verheiratet, der im Sommer an Badegäste
vermietete. Zn diesem Sommer hatte man recht angenehme,
ruhige Mieter gefunden, zwei ältere Damen, die einen Korb voll
Leihbibliotheksbüchern mitgebracht hatten und den ganzen Tag am
Strande saßen und lasen. Die
eine dieser Damen besaß ein
Körrohr und machte fleißigen
Gebrauch davon.

Also kurz und gut: am
18. Iuli, um drei Ahr nachts,
kam bei Fischer Baalke der
Iunge an. Der Argroßvater
hatte ihn erwartet; zwischen
zwölf und drei Ahr nachts
konnte der alte Dörcks ohne-
hin nie schlafen, und das war
doch einmal eine Abwechie
lung. Er freute sich nach Ge-
bühr, wenn er auch fand, daß
der Iunge nicht anders aus-
sähe, wie die vielen, vielen
neugeborenen Kinder, die er
in seinem Leben schon geseheu
hatte. Dann machte er sich,
nachdem bei Fischer Baalke

Erster Gedanke

— „Mali, sofort an Arzt mit der Magen-
pumpen. I glaub', i hab Waffer g'schluckt."
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