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L. Meggendorfers ^umoristische Blätter.
dahin wie Schnee an der Frichlingssonne. Lin guter
Troxfen aus Herrn Bolls weinkeller trug nicht wenig
dazu bei, die rasch geschlossene Freundschaft zu befestigen.
Man begann zu erzählen und bserr Gröhler teilte in
gehcimnisvollein Tone init, daß er in nächster Zeit
in einem Ronzert mitwirken werde; mehr durfte er
indessen nicht sagen, da ihn der Ronzertdirektor seiner
Angabe nach mit einem fürchterlichen Lidschwur zum
Stillschweigen verpflichtete — etwaiger Koukurrenz
wegen nämlich. In den Augen Tugeniens gewann
der Fremde dadnrch einen romantischen 5chimmer, der
ihn natiirlich noch begehrenswerter machte.
Für den morgigen äonntag bat man bserrn Gröhler
zum Mittagsessen und cr nahm auch ohne sich zu be-
denken an. Zu Beginn der Mahlzeit sprach er zwar
sein Bedauern aus, daß er heute so wenig bei Appetit
sei, alkein durch die Gründlichkeit, mit der er die reich-
besetzte Tafel säuberte, lieferte er den Beweis, daß er
zn jenen bescheidenen Naturen gehörte, denen jede
Ruhmredigkeit fremd ist und die ihre vorzüge in den
Schatten zu stellen lieben.
„ksat Ihnen unser einfaches Mittagsmahl gemun-
det?" fragte Fräulein Eugenie — eigentlich höchst
überflüssiger weise, denn Lserrn Gröhlers phänomenale
Leistungen mußten hier jeden Zweifel verstummen machen.
„Fräulein Eugenie, ich möchte jeden Tag in meinem
Leben so essen," erwiederte der Gast mit schwärme-
rischem Ausdrucke.
Die zarte Iungfrau errötete über und über. war
das nicht eine bescheidcn verhüllte Liebeserklärung?
„G kserr Gröhler," stammelte sie in mädchenhafter
Bcrwirrung, „Sie belieben zu scherzen."
„Mit solchen Dingen" — hier faltete cherr Gröhler
bedeutungsvoll die bsände über seinen Magen — „pflege
ich nie zu scherzen."
In dieser Nacht hatte die Tochter des bsauses
einen lieblichen Traum. Sie sah sich am Ziel ihrer
Wünsche, vereinigt mit dem Manne ihrer wahl. Arm
in Arm wandelten die beiden glücklichen Menschen durch
ein lachendes Gefilde. Dann blieb der Gcliebte plötz-
lich stehen, löste seinen Arm aus dem ihren, nahm eine
Flöte aus der Rocktasche und blies so süß, so schmelzendl
Tschadadra tschadra tschadra l Schmetternde lang-
gezogene Töne erschallten, so daß Fräulein Eugenie
schlaftrunken in die lsöhe fuhr. was war das?
Dieselbe Frage legten sich gleichzeitig die sämmtlichen
Insassen des zweiten Stockes vor, als sie durch einen
rasenden Lärm um 6 Uhr Morgens aus dem Schlafe
gerissen wurden. Frau Iosephine Rüchlein, eine zart-
besaitete Witwe, die neben cherrn Gröhler wohnte, siel
beinahe aus dem Bette vor Schrecken und besaß kaum
die Fassung, sich in ein malerisches Negligee zu werfen
und die Thüre halb aufzumachen. Raufmann Rirsch
und Lsauxtmann weintraub streckten gleichfalls die
Röpse aus ihren Thüren und Stadtmissionär Tobias
erschien im Schlafrock auf dem Rorridor mit der jdostille
in der Lsand, vielleicht in der Meinung, daß Iemand
feines geisilichen Beistandes bedürfe und diesem wunsche
nun auf so geräuschvolle Art Ausdruck verschaffe. In-
zwischen war jedoch Alles still geworden.
(Fortsetzuiig solgt.)
Das Kind Mli ben Äiesenfnßen
optische Täuschung
Äedaktion: Aiax Schreiber. Druck und Verlag von f). L. Schreiber, beide in Lßlingen bei Ltuttgart.
Geschäftsstelle in München: Corneliusstrsctze 19.
L. Meggendorfers ^umoristische Blätter.
dahin wie Schnee an der Frichlingssonne. Lin guter
Troxfen aus Herrn Bolls weinkeller trug nicht wenig
dazu bei, die rasch geschlossene Freundschaft zu befestigen.
Man begann zu erzählen und bserr Gröhler teilte in
gehcimnisvollein Tone init, daß er in nächster Zeit
in einem Ronzert mitwirken werde; mehr durfte er
indessen nicht sagen, da ihn der Ronzertdirektor seiner
Angabe nach mit einem fürchterlichen Lidschwur zum
Stillschweigen verpflichtete — etwaiger Koukurrenz
wegen nämlich. In den Augen Tugeniens gewann
der Fremde dadnrch einen romantischen 5chimmer, der
ihn natiirlich noch begehrenswerter machte.
Für den morgigen äonntag bat man bserrn Gröhler
zum Mittagsessen und cr nahm auch ohne sich zu be-
denken an. Zu Beginn der Mahlzeit sprach er zwar
sein Bedauern aus, daß er heute so wenig bei Appetit
sei, alkein durch die Gründlichkeit, mit der er die reich-
besetzte Tafel säuberte, lieferte er den Beweis, daß er
zn jenen bescheidenen Naturen gehörte, denen jede
Ruhmredigkeit fremd ist und die ihre vorzüge in den
Schatten zu stellen lieben.
„ksat Ihnen unser einfaches Mittagsmahl gemun-
det?" fragte Fräulein Eugenie — eigentlich höchst
überflüssiger weise, denn Lserrn Gröhlers phänomenale
Leistungen mußten hier jeden Zweifel verstummen machen.
„Fräulein Eugenie, ich möchte jeden Tag in meinem
Leben so essen," erwiederte der Gast mit schwärme-
rischem Ausdrucke.
Die zarte Iungfrau errötete über und über. war
das nicht eine bescheidcn verhüllte Liebeserklärung?
„G kserr Gröhler," stammelte sie in mädchenhafter
Bcrwirrung, „Sie belieben zu scherzen."
„Mit solchen Dingen" — hier faltete cherr Gröhler
bedeutungsvoll die bsände über seinen Magen — „pflege
ich nie zu scherzen."
In dieser Nacht hatte die Tochter des bsauses
einen lieblichen Traum. Sie sah sich am Ziel ihrer
Wünsche, vereinigt mit dem Manne ihrer wahl. Arm
in Arm wandelten die beiden glücklichen Menschen durch
ein lachendes Gefilde. Dann blieb der Gcliebte plötz-
lich stehen, löste seinen Arm aus dem ihren, nahm eine
Flöte aus der Rocktasche und blies so süß, so schmelzendl
Tschadadra tschadra tschadra l Schmetternde lang-
gezogene Töne erschallten, so daß Fräulein Eugenie
schlaftrunken in die lsöhe fuhr. was war das?
Dieselbe Frage legten sich gleichzeitig die sämmtlichen
Insassen des zweiten Stockes vor, als sie durch einen
rasenden Lärm um 6 Uhr Morgens aus dem Schlafe
gerissen wurden. Frau Iosephine Rüchlein, eine zart-
besaitete Witwe, die neben cherrn Gröhler wohnte, siel
beinahe aus dem Bette vor Schrecken und besaß kaum
die Fassung, sich in ein malerisches Negligee zu werfen
und die Thüre halb aufzumachen. Raufmann Rirsch
und Lsauxtmann weintraub streckten gleichfalls die
Röpse aus ihren Thüren und Stadtmissionär Tobias
erschien im Schlafrock auf dem Rorridor mit der jdostille
in der Lsand, vielleicht in der Meinung, daß Iemand
feines geisilichen Beistandes bedürfe und diesem wunsche
nun auf so geräuschvolle Art Ausdruck verschaffe. In-
zwischen war jedoch Alles still geworden.
(Fortsetzuiig solgt.)
Das Kind Mli ben Äiesenfnßen
optische Täuschung
Äedaktion: Aiax Schreiber. Druck und Verlag von f). L. Schreiber, beide in Lßlingen bei Ltuttgart.
Geschäftsstelle in München: Corneliusstrsctze 19.