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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 20.1895 (Nr. 210-222)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16558#0077
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L. Meggendorfers L)umoristische Blätter.

69

Äus ödalb-Äsien.

„Itzig, was haste gekauft um deine finef Rreuzer?"

„Tate, a Sacktüchel."

„Gott über der lveltl Das Iüngel werd' der reine Lavalierl"

Lin ungeputzter Rnopf. (Zortsetzung von Seite 67).

und was das Aussehen seiner Soldaten anbetraf, fo konnte
das nie fchneidig genug sein. Ganz besonders hielt er auf
gründliches putzen von Uniform und waffen, und letztere
mußten nur so blitzen und blinken. Auch tzeute schien jeder
Knopf eine kleine Sonne für sich zu sein, und doch waren von
dem allsetzenden Kommandeur einige Sonnenfinsternisse entdeckt
worden, die nicht dazu angethan waren, das finstere Gesicht
des Allgewaltigen zu erhellen. In seiner Kritik, welche er vor
den Vffizieren abgab, betonte er das aufs nachdrücklichste.

Die Uebung war vorüber und Radamarr hatte sich auf
den Heimweg gemacht. Er dachte über das verhalten seines
Regimentes nach und mußte sich gestehen, daß er mit demselben
im ganzen doch recht zufrieden sein konnte. Aber eines hatte
ihn heute befremdet; die Leute, die fonst mit keiner wimxer
zuckten, hatten ihn teilweise so angeschaut, einige hatten
geradezu verschmitzt impertinente Gesichter geschnitten. Und
selbst die Gffiziere konnte er nicht alle von diesem vorwurf
freisprechen. Der Lieutenant von Grünspecht hatte beinahe
gefeixt, als er den einen lNann wegen Blindheit der Anöpfe
zur Verantwortung ziehen ließ. — lvas hatte das alles zu
bedeuten? Sollte er etwa die Ursache — schockschwere Notl
er — das war ja gar nicht auszudenken! Lr — Gberst von
Radamarrl Gbschon er diesen Gedanken entrüstet abschüttelte,
drängte sich ihm dieser doch immer und immer wieder auf.
Aber was hätte es denn fein können? Lr sah sich seine Uni-
form, das Sattelzeug, sein j)ferd an, in der lNeinung, daß
vielleicht da etwas nicht in Grdnung fei und sich so das auf-
fallende lvesen seiner Soldaten erklären lasse. Lr konnte nichts
verdächtiges wahrnehmen. — Aber da blieb plötzlich fein Blick

an einem Rnopf vorn am lvaffenrock haften — sein Auge
ward starr und nahm einen unheimlichen Ausdruck an. Dieser
Rnopf — er sah ja ganz anders als die übrigen aus — er
war — schockschwere Not und Bombenelementl — er war ja
nicht gexutzt — beinahe fchwarz — Rreuzdonnerwetterl — und
das xassierte ihm, dem Regimentskommandeur von Radamarr,
der eben die Leute zur Strafe hatte heranziehen lassen, bei
denen die Knöpfe mangelhaft geputzt waren. G, er war
außer sich, er schäumte vor lvut — dieser lNüller 7, der
Schurkel Diesem nichtsnutzigen Strick hatte er die unauslösch-
liche Blamage zu verdanken! Nun, er wollte ihn kriegen, den
Lump! Radamarr gab seinem pferde die Sporen und das
unschuldige Tier brachte schweißtriefend und mit Flocken schäu-
meuden Geifers bedeckt seinen Ljerrn in rasender Geschwindig-
keit nach lfause.

Franz pfiff eben mit viel Gefühl „Ich kenn' einen hellen
Edelstein," während er Körbe voll schwarzer Diamanten aus
dem Keller heraufholte. Lr war ahnungslos und hatte kaum
Zeit, die leicht entzündliche Bürde, die er trug, in Sicherheit
zu bringen, als das Donnerwetter in Gestalt seines heim-
kehrenden Ljerrn, der den lvaffenrock bereits abgelegt hatte,
hereinbrach und es auch gleich einschlug. lNüller 7 stand da
wie ein Baumkuchen, über den nicht nur einmal fondern
immer von neuem wieder die Schale des Zorns ausgegossen
wurde. „Zu Befehl, kjerr Dberftl" war alles, was er hervor-
bringen konnte, nachdem das letzte und feltene lvort „kjornochse"
von den Lixpen seines yerrn verklungen war. Aber ein solch
unschuldvolles Tier war Franz leider nicht, sondern ein lNensch
mit Gänsehaut, dem es — nach alledem, was er soeben über
sich gehört hatte, — vor seiner eigenen Schändlichkeit gruselte.

Aber was hatte er eigentlich verbrochen? Soweit er aus
des Vbersten sich überstürzenden vorwürfen verstehen konnte,
sollte er die llniformknöpfe nicht geputzt haben. Ronnte er
das wirklich vergessen haben? Lr sann und sann, da brach
schon ein zweites lvetter über ihn herein.

Line Droschke rollt wie der Donner daher und hält vor
des kjauses Thür. Das lvagenfenster blitzt in der Sonne auf.
Frau von Radamarr entsteigt wankend dem Gefährt, und
Franz, der ihr entgegengeeilt ist, geleitet sie in ihre Zimmer
hinauf. „Frau Gberst scheinen krank — magenkrank zu sein"
meint Franz mitleidsvoll, indem er seine kserrin stützt, welche
mit einer Hand krampfhaft die lNagengegend bedeckt hält.
Aber diese will davon nichts hören. Vben angekommen, sinkt
sie in einen Stuhl und erzählt atemlos, wie es ihr ergangen
ist. Auf ihrem lveg durch die Straßen hatte man sie verhöhnt,
versxottet, die Leute hatten sich gegenseitig auf ihre lllagen-
gegend aufmerksam gemacht — sie hatte das lvort „lNagen"
deutlich gehört — und dann gelächelt. Die Schuljugend hatte ihr
nachgeschrieen, sie „Anopfgefreite" tituliert und war ihr gefolgt,
bis sie sich in eine Droschke gestüchtet hatte.

Frau Gberst war eine etwas korpulente Dame; sie ver-
suchte, nachdem sie die kjand ein wenig von ihrem lNagen
hinweggezogen hatte, bis auf diesen hinunterzusehen, aber es
gelang ihr nicht, ihre Körxerfülle hinderte sie daran. Franz
hatte einen schüchternen Blick ebendahin geworfen und seirt
Auge nahm plötzlich einen entsetzten Ausdruck an. Da blinkte
ja ein goldener Knopf an dem dunklen paletot feiner gnädigen
Frau auf wie ein einsamer Stern am nächtlichen Lfimmel.
Franz erkannte mit einem lNale seine ganze furchtbare Schuld,
sein Auge fina an unheimlich zu leuchten, sein Aussehen ver-
änderte sich, er blickte scheu um sich, zog heimlich sein Taschen-
messer, öffnete es und suchte sich seiner kferrin unbemerkt zu
I nähern. Diese hatte die verdächtigen Bewegungen ihres
 
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