§. M e ggendorsers L)umoristische Blätter.
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Redakteur: „Na, Gedichte tningeu Sie alch — aber warum
so fnrchtsam — treten Sie doch näherl"
Dichter: „Bitte uehmen 5ie mal erst den jdapierkord
weg ... I"
Der Ätuch öer bösen Mai.
er Lieutcuant von Radder, in die Residenz kommandiert,
war gestern eiugctrosfen und heute daran, seiue sieben
Sachen in der von ihm gemieteten Wosinung zu ordnen
— das heißt, er hatte sich inmitten seines „Salons" auf einen
Fauteuil gesetzt und dirigierte von hier aus seinen Burschen
jdadel, welcher alsdann uach dem Gebote seines kserrn und
Meisters that:
„Nun Säule zwischen Borhänge an Fensterpfeiler stellen —
bou — und Venus, wenn abgestaubt, daraufsetzen . . ."
jdädel stellte die 5äule, nahm dann den Abguß der Venus,
trat mit demselbeu an das eine der weit geössneten chenster
und begann mit dem wedel den Staub zu entsernen. jdädel
war ein strammer Bursche, was ihn aber vor vielen seines-
gleichen besonders auszeichnete, war seine ksaltung — er
machte, bannte ihn nicht der Dienst in die starre Form, bestän-
dig jdose — ein Ueberbleibsel seiner öfteren Berwendung als
ötatist, wozu ihn das Regimentskommando auf Lrsuchen der
jeweiligen Theaterdirektion öfters leihweise abgelassen hatte.
Diese Ligenschaft und sein, beim Rnöpfexutzen und Stiesel-
wichsen kokett mißbrauchter Lravatteltenor, erhob ihn in den
Augen der dienenden weiblichen Bevölkerung seines Garnisons-
ortes Aleinstädtel weit über daS Niveau seiner Aameraden und
es war — so sehr sich's sein kferr, der Lieutenant, in seiner
Sxhäre angelegen sein ließ — äußerst zweifelhaft, wer schon
mehr lherzensunheil angerichtet hatte, Don Iuan oder Leporello.
Nachgerade war dann allerdings, lferrn wie Diener, der
Boden Rleinstädtels, der manchmal äußerst komplizierten Lnga-
gements wegen, etwas heiß geworden; jeder von ihnen fühlte
so etwas wie den „Fluch der bösen That" über sich schweben
— mit lebhafter Freude begrüßten daher sowohl bjerr als
Diener das besagte Aommando. In die Residenzl welches
Gelände für unternehmungslustige Leute — wehe aber l Gerade
hier sollten all den betrogenen bferzen die Rächerinnen entstehen.
Der Lieutenant sah also zu und pädel staubte weiter und
warf hie und da einen Blick über die schmale Btraße nach den
Fenstern vis-ü-vis, denn er hatte gesehen, daß sich dort bei
seinem Erscheinen die Borhänge bewegt hatten und sich jetzt
eine bfand, zu der ein entblößter Arm gehörte, welche beide,
ihren Dimensionen sowie ihrer Färbung nach, entschicden einem
Mesen der dienenden Alasse angehörten, also in seine Sxhäre
fielen, energisch mit dem Fensterriegel beschäftigte und, als
dieser nicht sofort funktionieren wollte, mit der wut cines ein-
geschlossenen Raubtieres daran rüttelte.
„Aha," dachte jdädel in seiner maßloscn Litelkeit, „der
hätten wir imponiert, wird gleich den Fensterstock herausgerissen
haben; aber nur kalt, jdädel liebt zu rasches Lntgegenkommen
nicht . . . Sapperlot das könnte mir hier taugen, gleich im
ersten INoment eine Bekanntschaft ü la Theatergretel unseligen
Angedenkens zu machen . . . gercchter Strohsack, hat mich dieses
Frauenzimmer gequält . . . brrrr . . . nein, nein, deswegen
ist unsereiner nicht in die Residenz gekommen . . ." und dann
räusxerte er sich, spitzte den Mund wie ein Aarxfen und wollte
gerade seine Lieblingsarie aus Zampa loslassen, bei der er
immer — einerseits weil er dachte, daß dies nobel sei und
andererseits weil er des übermäßig gesxitzten Mundes wegen
nicht gut anders konnte — die vokale so fürchterlich verschandelte:
lvenn eun Mödchen mür gefällt,
So hülft keun wüderströ — ö — ben . . .,
als er sich noch zur rechten Zeit der Anwesenheit seines bferrn
erinnerte, xarierte, und dafür einen Grandseigneur poste, dem
soeben ein ihm unangenehmes Geräusch auffällt — denn ge-
rade hatte drüben der Riegel nachgegeben und das Fenster war
aufgestogen.
Von Aadder unterhielt sich gottvoll; es war aber auch ein
Bild znm Malcn: bfier jdädel mit dem vornehm über die Schul-
ter geworsenen Aopfe indigniert nach dem Fenstcr gegenüber
biickend und drüben eine dicke, furchtbar echauffiert aussehende
jderson, die ihre Arme gegen jdädel rang — der Lieutenant
wollte gerade mit dem Lachen losbrechen, als sein Blick wieder
auf jdädel fiel. Der Teufel, das war keine jdose mehr I jdädels
Aussehen hatte sich im kjandumdrehen zum Erschrecken verändert;
er stand da mit gesträubtem bfaar, Augen und Mund erschrocken
aufgerissen, wie wenn ihm soeben ein Troxfen glühenden Siegel-
lacks auf die große Zehe gefallen wäre — ein Bild der höchsten
Berblüffung. Dann glitt ein halb blödsinniges Lächeln über
sein Gesicht, aber er blieb noch immer wie in der Lfypnose;
erst als die dicke, rote jderson am Fenster drüben die linke bfand
auf den Busen legend, die Rechte theatralisch gegen oben streckend,
verzückt über die Straße schrie:
„lheulende wolken, Segler verblüffte . . ."
kam er soweit aus seiner Erstarrung, daß sich seiue chände öff-
nen, das Ideal weiblicher Schönheit, die venus, krachend auf
dem Boden zerbersten und seine Lippen bebend stüsteru konnten:
„Ich bin verloren — die Theatergretel II"
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Redakteur: „Na, Gedichte tningeu Sie alch — aber warum
so fnrchtsam — treten Sie doch näherl"
Dichter: „Bitte uehmen 5ie mal erst den jdapierkord
weg ... I"
Der Ätuch öer bösen Mai.
er Lieutcuant von Radder, in die Residenz kommandiert,
war gestern eiugctrosfen und heute daran, seiue sieben
Sachen in der von ihm gemieteten Wosinung zu ordnen
— das heißt, er hatte sich inmitten seines „Salons" auf einen
Fauteuil gesetzt und dirigierte von hier aus seinen Burschen
jdadel, welcher alsdann uach dem Gebote seines kserrn und
Meisters that:
„Nun Säule zwischen Borhänge an Fensterpfeiler stellen —
bou — und Venus, wenn abgestaubt, daraufsetzen . . ."
jdädel stellte die 5äule, nahm dann den Abguß der Venus,
trat mit demselbeu an das eine der weit geössneten chenster
und begann mit dem wedel den Staub zu entsernen. jdädel
war ein strammer Bursche, was ihn aber vor vielen seines-
gleichen besonders auszeichnete, war seine ksaltung — er
machte, bannte ihn nicht der Dienst in die starre Form, bestän-
dig jdose — ein Ueberbleibsel seiner öfteren Berwendung als
ötatist, wozu ihn das Regimentskommando auf Lrsuchen der
jeweiligen Theaterdirektion öfters leihweise abgelassen hatte.
Diese Ligenschaft und sein, beim Rnöpfexutzen und Stiesel-
wichsen kokett mißbrauchter Lravatteltenor, erhob ihn in den
Augen der dienenden weiblichen Bevölkerung seines Garnisons-
ortes Aleinstädtel weit über daS Niveau seiner Aameraden und
es war — so sehr sich's sein kferr, der Lieutenant, in seiner
Sxhäre angelegen sein ließ — äußerst zweifelhaft, wer schon
mehr lherzensunheil angerichtet hatte, Don Iuan oder Leporello.
Nachgerade war dann allerdings, lferrn wie Diener, der
Boden Rleinstädtels, der manchmal äußerst komplizierten Lnga-
gements wegen, etwas heiß geworden; jeder von ihnen fühlte
so etwas wie den „Fluch der bösen That" über sich schweben
— mit lebhafter Freude begrüßten daher sowohl bjerr als
Diener das besagte Aommando. In die Residenzl welches
Gelände für unternehmungslustige Leute — wehe aber l Gerade
hier sollten all den betrogenen bferzen die Rächerinnen entstehen.
Der Lieutenant sah also zu und pädel staubte weiter und
warf hie und da einen Blick über die schmale Btraße nach den
Fenstern vis-ü-vis, denn er hatte gesehen, daß sich dort bei
seinem Erscheinen die Borhänge bewegt hatten und sich jetzt
eine bfand, zu der ein entblößter Arm gehörte, welche beide,
ihren Dimensionen sowie ihrer Färbung nach, entschicden einem
Mesen der dienenden Alasse angehörten, also in seine Sxhäre
fielen, energisch mit dem Fensterriegel beschäftigte und, als
dieser nicht sofort funktionieren wollte, mit der wut cines ein-
geschlossenen Raubtieres daran rüttelte.
„Aha," dachte jdädel in seiner maßloscn Litelkeit, „der
hätten wir imponiert, wird gleich den Fensterstock herausgerissen
haben; aber nur kalt, jdädel liebt zu rasches Lntgegenkommen
nicht . . . Sapperlot das könnte mir hier taugen, gleich im
ersten INoment eine Bekanntschaft ü la Theatergretel unseligen
Angedenkens zu machen . . . gercchter Strohsack, hat mich dieses
Frauenzimmer gequält . . . brrrr . . . nein, nein, deswegen
ist unsereiner nicht in die Residenz gekommen . . ." und dann
räusxerte er sich, spitzte den Mund wie ein Aarxfen und wollte
gerade seine Lieblingsarie aus Zampa loslassen, bei der er
immer — einerseits weil er dachte, daß dies nobel sei und
andererseits weil er des übermäßig gesxitzten Mundes wegen
nicht gut anders konnte — die vokale so fürchterlich verschandelte:
lvenn eun Mödchen mür gefällt,
So hülft keun wüderströ — ö — ben . . .,
als er sich noch zur rechten Zeit der Anwesenheit seines bferrn
erinnerte, xarierte, und dafür einen Grandseigneur poste, dem
soeben ein ihm unangenehmes Geräusch auffällt — denn ge-
rade hatte drüben der Riegel nachgegeben und das Fenster war
aufgestogen.
Von Aadder unterhielt sich gottvoll; es war aber auch ein
Bild znm Malcn: bfier jdädel mit dem vornehm über die Schul-
ter geworsenen Aopfe indigniert nach dem Fenstcr gegenüber
biickend und drüben eine dicke, furchtbar echauffiert aussehende
jderson, die ihre Arme gegen jdädel rang — der Lieutenant
wollte gerade mit dem Lachen losbrechen, als sein Blick wieder
auf jdädel fiel. Der Teufel, das war keine jdose mehr I jdädels
Aussehen hatte sich im kjandumdrehen zum Erschrecken verändert;
er stand da mit gesträubtem bfaar, Augen und Mund erschrocken
aufgerissen, wie wenn ihm soeben ein Troxfen glühenden Siegel-
lacks auf die große Zehe gefallen wäre — ein Bild der höchsten
Berblüffung. Dann glitt ein halb blödsinniges Lächeln über
sein Gesicht, aber er blieb noch immer wie in der Lfypnose;
erst als die dicke, rote jderson am Fenster drüben die linke bfand
auf den Busen legend, die Rechte theatralisch gegen oben streckend,
verzückt über die Straße schrie:
„lheulende wolken, Segler verblüffte . . ."
kam er soweit aus seiner Erstarrung, daß sich seiue chände öff-
nen, das Ideal weiblicher Schönheit, die venus, krachend auf
dem Boden zerbersten und seine Lippen bebend stüsteru konnten:
„Ich bin verloren — die Theatergretel II"