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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 20.1895 (Nr. 210-222)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16558#0100
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Bl e g g e 11 d o r f e r s L) u IN o r i st i s ch e B l ä t t e r.

Vor dem Slraußenei.

Girgl: „Sell is merka'ürdi! Sagt's, vetter, dös kann do
uiimögli an vogcl allein g'legt hali'n?"

Verstandeu.

verschnldctcr verehrer: „ . . . O inein Fränlein, die
Glnt ineines kferzcns ist ungeheuer!"

Reiche partie: „G, das schadet nichts! tNein Vater bat
seuersichere Geldschräukc!"

§>ie brei klugen Dackeln.

s ist allbekannt," begann der alte Mbersörster eines
Sainstags abends ain Stammtische, nachdem er sich
eine frische pscise gcstopft hatte . . . „es ist allbekannt,
daß die Dackeln übcraus kluge Tiere sind, und ich hatte iin
Laufe incincr langjährigen Praxis häufig Gelegenheit, inich
hievon zu iiberzeugen. Das Merkwürdigsie jcdoch ist mir aus
diesem Gebiete im vergangenen !1?iuter passiert, wie Sie aus
der folgenden wahren Geschichtc entncchncn wcrdcii."

Er drückte mit dem Daumen seiner
Rechten den glimmendcii Tabak in sciner
pfeise fester, that ein paar tiefe Zügc
und suhr sort: „Da habe ich Ihnen da-
beim drei Dackeln — wahre sdrachtexem-
plarc! — und mit einer Klugheit begabt,
die geradezu verbliisfcnd ist. Derflosscnen
Mintcr miißte ich in die Stadt, um einige
meiuer notwendigsten Einkäufe zu besor-
gen uud ließ meine drei Dackeln allcin zu
kfause. Es war au einem vertcufelt kalten
Ulorgen, und alle Anzeichen sprachen dasür,
daß die Uälte im Laufe des Tages noch
zumchmen wcrde. jIch schritt deshalb
wacker tchrlab und erreichte in verchältnis-
mäßig kurzer Zeit dassZiel mciner wan-
derung. Da ich hinlänglich Zeit hatte,
besorgte ich in aller Gemütsriche meine
Geschäste, mchm dann einen kleinen Im-
biß, trank einige Gläschen lvein, um für
den Rückweg warm zu bleiben und hatte
auf diese lveise eiuigc Stunden verbracht.

Lben wollte ich mich gemächlich wieder
aufmachen, da fichr mir wie der Blitz

ein jcher Schrecken durch die Glieder: ich hatte meine drei
Dackeln vorläufig iu den aus dünuen Brettern erbauten, engen
kfundekotter gesperrt, in der Absicht, sie vor dem Fortgehen wie
gewöhnlich in die warme Stube zu lassen, damit mir die Aerls
nicht erfrören, hatte aber später darnach vergessen. Ietzt saßen
die armen Tiere in dem engen Bretterkasteu, konuten sich kaum
bewegeu und mußten bei der mörderischen Rälte — es hatte
nämlich 2o" Reaumur — bercits jämmerlich erfroreu sein.

Rasch packte ich nicine Sachen zusammen und machte mich
mit leichten Füßeu, aber schwerem Lferzen auf den weg. Ich
lief mehr als die Lfälfte des anstrengenden Weges und geriet,
trotz der Aälte, die zunahm, je höher ich stieg, in einen heftigen
Schweiß. lver die Rälte in unseren Bergen kennt, rvird be-
greifen, daß ich bereits jede Lfoffnung, nieine braven Dackeln
zu rettcn, aufgcgeben hattc, dcnn ich ivußte, daß ihr Gesängnis
sie hinderte, hin und her zu laufen und ihneu höchftens ge-
stattete, nebcn einander zu licgen oder zu fitzcn. Allein ein
innercr Drang trieb mich vorwärts, bis ich endlich in unglaub-
lich kurzer Zeit mcin Gehöft erreicht hatte. Aeuchend — atem-
los langte ich bei dem Lfuudekotter, der an der rechten Seite
frei im Lfofe liegt, an und horchte einen Noment mit gespann-
tem Atem. Bichts regtc sich — kein Laut war hörbar! Ich
versichere Sie, meine Lferren, mir traten die Thränen in die
Augen — meine Dackeln waren ohne Zweifel fämtlich erfroren!

Lfoffnungslos und mit schwerem Lferzen, denn ich hatte die
drei prächtigen Aerle wirklich lieb, öffnete ich die Thüre des
kfundestalles und — meine kfcrren — da bot sich mir ein un-
beschreiblicher Anblick: Da saßen Ihnen die drei Dackeln,
schwitzend und mit weit heraushängeuden Zungen,
stramm wie drei Eoldaten, auf den kfinterfüßen und
schlugen, ohne dabci einen Laut auszustoßen, die
vorderpfoten mitAraft undvehemenz iibereinand e r,
wie dies nnsere kfolzfäller zu thun pflegen, wenn
ihnen kaltist. DieklngenAerle, welche dashäufig
gesehen hatten, machten es ihnen jetzt nach und
retteten sich dadurch das Leben.

Neine Lferren, Sie köunen sich die beiderseitige ^reude
des wiedersehens selbft ausmalen; weun 5ie aber meine drei
klugen Dackeln kennen lernen wollen, dann schenken Sie mir
einnial die Ehre Ihres Besuches." O. E. W.
 
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