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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 20.1895 (Nr. 210-222)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16558#0108
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L. Meggendorfers k)umoristische Blätter.

der Lieutenant dem belerbten k?errn, der noch zwischen Thür
und Augel stand, „wo kommen denn Sie hergeschneit?"

„Nun, aus Aleinstädtel natürlich, vom Ministerium tele-
graphisch herbefohlen und da dachte ich, Sie sollten mich die xaar
Tage beherbergen?"

„Mit großem vergnügen . . . aber sehen Sie, ich bitte vor
allemj, was hier zu machen istl"

„Alle tvetter nochmal, ist denn das nicht die . . . die . . ."

„Freilich, die Rittel-Knittelfinger, die damals in Alein-
städtel . . ."

„bserrjeh, die verrückte Person . . . ahal Tot ist sie nicht,
sie hat gezuckt . . . mein Gott, wir haben uns auch einmal
gekannt... es wird so in den zwanziger Iahren gcwesen sein ..."

„Aber, ich bitte Sie, lieber Stabsarzt," unterbrach ihn
ängfilich der Lieutenant, „ich glaube wahrhastig
si? bekommt Arämpfe?"

„Aeine Rede, so machen sie's alle, wenn
man ihnen zu sehr iu die Nähe des Geburts-
jahres kommt . . . lassen Sie mich nur machen
. . . also, wie gesagt, so Mitte der zwanziger
Iahre mag es gewesen sein . . ."

„Ah, sehen Sie, jetzt erwacht sie."

„Lsab ich mir gedacht", meinte trockcn der
Stabsarzt.

„Mobinich?" hauchtedieRittel-Anittelfinger.

„bsier, bei guten Leuten . . ." niimte der
Stabsarzt und dann die Rittel-Anittelfinger i

„Tdgardo sprich, wer ist der Mann, der
trennend zwischen uns sich drängt?"

„Unser Stabsarzt, tcure Rittel," cntgegnete
der Lieutenant, „kennt Sic ja."

„Schon seit dreißig IahrenI" minite der weiter
„Das war nicht ich, das war die Rittel,

Die niir G roßmutter ist gewesen,

Und Lure srevle Rede hätte nie vermocht
Mich aus der Mhnmacht Lann zu reißen . . .

Mir war, als ob ein gold'ner Regen
Saust übcr mich hcrniederträusle —

Das brachte mich zu mirl"

„Sehen Sie," sagte der Stabsarzt halblaut
zu dem Lieutenant, indessen die Rittel-Anittcl-
finger dastand, anzuschauen wie eine Seherin,

„sehen Sie, die gute Seele gibt Ihnen da einen
beherzigenswerten Ivink, ich will die Sache zum
Abschlusse bringen, was?" Rnd sich zur großen
Tragödin wendend fragte er bedentungsvoU:

„Und wenn besagter „gold'ner Regen"

Sich nun in tvirklichkcit ergössc?"

„Dann geht Iohannal" antwortetedieRittel
woraus der Stabsarzt beipflichtend scin bsaupt
neigte und wiederholte: „Iohanna geht . . ."

Die Anittelfinger aber schloß:

„Iohanna geht und nieinals kehrt
sie wieder."

Dann verhüllte sie mit dem Schleier ihr
bjaupt' und ging. tvenige Augenblicke daranf
hörte man sie im ksausflur besehlend „Margarete"
rusen, in kurzem betraten kserrin und Dienerin
die Straße und so oft die in Thränen zersließende
Gretel umkehren wollte, streckte die große
Tragödin gebieterisch ihren langen Arm gegen
die eigene ksausthüre aus, hinter der denn auch
beide verschwanden.

Gben aber, in von Aadders wohnung, sank dieser dem
Stabsarzt dankbar an die Brust, während unten pädel mit
affenähnlicher Geschwindigkeit seine Thüre verrammelte, in sein
Bett kroch, die Decke über den Aops zog und trotz allen Pochens
von Seite des Lieutenants nicht öffnete, so daß dieser schließlich
seinen Retter in der Not, den Stabsarzt, unter den Arm nahm
und ins nächste Restaurant führte — von wo dann Beide sehr
„srüh" heimkamen. — von Aadder war, wohl in Folge der er-
zählten Lreignisse, während seines Aommandos merkwürdig
zurückhaltend gegen das weibliche Geschlecht, und pädel, sein
Bursche sang nicht eininal mehr seine Lieblingsarie:

„wenn eun lNödchen mür gesöllt."

(Lben darum.

„warum weinst Du denn, Tousinchen?" — „Mama hat gezankt, wir
beide hätien zusammen ein verhältnis ..." — „Aber daran ist ja kein wort
wahrl" — „Darum weine ich ja ebenl"

Redaktion: Max Schreiber. Druck und verlag von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.

Geschäftsstelle in München: Corneliusflraste 19.
 
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