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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 20.1895 (Nr. 210-222)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16558#0118
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L. Meggendorfers ^umoristische ^lätter.

U0


in ganz unparteiischer Weise geteilt. Die geraden Tage weihte
ich der Blonden, die ungeraden fanden mich stets in Gesellschaft
öer Braunen."

„Eine weise Linteilung I" meinte einer von der Tafelrunde.

„Ia, anders ließ sichs schlechterdings nicht einrichten. Ich
setzte diese Spaziergänge durch mehrere wochen mit pünktlichster
Regelmäßigkeit fort, indem ich eiiimal der Blonden, der ich mich
unter dem Namen Niiller genähert hatte, weise Ratschläge für
das praktische Leben erteilte — sie war Sprachlehrerin — und
Tags darauf wieder mit der Braunen, die mich als Lferrn Schulze
aus Berlin kannte, in der heiteren Weise eines lustigen Kriegs
schäkerte. Das ging fort bis — bis — na bis eben eines Tages
die fürchterliche Ratastrophe eintrat."

„Eine Katastrophe — aha I"

„Ia meine chreunde, es ist eben nichts so klug gesponnen,
es kommt an die Sonnen. Ich erinnere mich noch deutlich
jenes entsetzlichen Tages. Es war ein ungerader Tag — ich
glaube der erste April — ich schäkerte also mit der Braunen.
Die Unterhaltung war ganz besonders animiert, trotzdem mir das
Thema nicht recht behagte Ls handelte sich nämlich um die
Ehe, einen Gegenstand, den ich bisher stets ängstlich vermieden
hatte. Ich wollte ja niemanden täuschen und geberdete mich
aus Borsicht stets als entschiedener Gegner dieser Institution.
Aber die kleine Braune wollte gerade heute nicht locker lassen.
5ie verlangte Gründe, suchte jene, welche ich vorbrachte,
mit unerschöpflicher Dialektik zu widerlegen und sprach
endlich einen Satz aus, der mir die Röte der Verlegen-
heit ins Antlitz trieb. Sie sagte nämlich mit verdäch-
tiger Kaltblütigkeit: „wer weiß, am Lnde sind Sie
gar schon verheiratet I"

Ich faßte mich jetzt so rasch als möglich, lachte
übertrieben laut auf, wie man das in solchen Fällen zu
thun pflegt und sagte leichthin: „vielleicht — vielleicht
auch nichtl"

„Na, na," sagte die hartnäckige Rleine, „man kann
nicht wissen. Lferr Schulzel"

Die Betonung dieses „kserr Schulze" klang mir
verdächtig. Ls lag so etwas Eigentümliches, Ironisches
darin, als ob sie mir wirklich nicht so recht traute.

Ich wollte so rasch als möglich dem Gespräche eine
andere Mendung geben und schlage ihr vor, eine von
uns öfters benützte Bank, welche sich in einem von
dichtemLanbwerk gebildeten Rondell befindet aufzusuchen. !

5ie stimmt mir bei und wir sind eben im Begrisfe,
diesen ruhigen Zufluchtsort zu betreten, als eine Stimme
erklingt, die mir alles Blut im Leibe erstarren macht
und mich entsetzt zurückfahren läßt.

„Guten Tag, kserr lNüller," ertönt es von der von
uns aufgesuchten Bank her.

Ich traue meinen Ghren nicht, meinen Augen
aber muß ich glauben. Da sitzt sie wirklich mit ihrem
unschuldigen Madonnengesicht und lacht mir entgegen,
die kleine Blonde vom T-Gartenl welcher Lngel
oder Teufel hat die hiehergeführt? Ich kann mirs nicht
erklären. Mir ist zu Mute, wie einem verbrecher, der
auf frischer That ertappt wurde. Den tollkühnen Ge-
danken, die Blonde mit eiserner Stirne einfach zu ver-
leugnen, muß ich alsbald aufgeben — sie nickt mir so
vertraulich zu, es gehört eine Dreistigkeit jzur Durch-
führung solcher Gemeinheit, über die ich nicht verfüge.

Ich weiß überhaupt nicht, wie ich mich benehmen follel
Meine Besonnenheit hat mich vollständig verlasfen, wie
geistesabwesend folge ich meiner Führerin und mit

einemmale sitze ich auf der Bank, die mir in diesem Augenblicke
wie eine Folterbank erscheint. Rechts die Blonde, links die
Braune, und ich wie ein Angeklagter die Augen zu Boden ge-
schlagen in der Mitte — zwischen Beiden. Die Situation ist
kritisch genug. Ich stiere blödsinnig auf den Sand zu meinen
Füßen und wage es nicht, einen Laut von mir zu geben. Lnd-
lich unterbricht die Braune das qualvolle Schweigen.

„Die Dame scheint einer zufälligen Aehnlichkeit zum
Gpfer gefallen zu fein," sagte sie mit einem Lachen, das mir
wie Ljohngelächter der Ljölle erscheint, „sie HLlt Sie für einen

kferrn Müller-zu gleicher Zeit kann man aber doch nicht

Nüller und Schulze heißen, nicht wahr?"

„Glaube ich auch nicht," antwortete ich gedankenlos.

„Ich irre mich aber durchaus nicht," opponiert die Blonde
mit einer Lnergie, die sie bisher niemals an den Tag gelegt
hatte. „Ich kenne ja den Lserrn Müller schon längere Zeitl"
„Und ich," eiferte die rasche Braune mit zornfunkelnden
Augen, „werde wohl wissen, mit wem ich hier bin. Das ist
Lferr Schulze — Ljerr Schulze aus Berlin. Mit Zhnen," fügt
sie mit furchtbarer Geringschätzung hinzu, „wird er sich vielleicht
einen kleinen Sxaß erlaubt habenl" (Fortsetzung folgt).

Vcrstauden.

verschuldcter Lebcmann: . . Mit e'mcm Vort, me'm

Fräulein: ich bete Sie anl"

Reiche Partie: „Ach, ich verstehe, Not lehrt beten!"

Redaktion: Rlax ^chreiber. Druck und verlag von I. L. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.

GeschäftsstellL in M ünch en: Corneliusstraste 19.
 
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