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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 20.1895 (Nr. 210-222)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16558#0122
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L. Meggendorfers L)umoriftische Blätter.

(Zine Äeschichte von Grnnmischrtben.

s waren eiinnal zwei j)aar Guimnischuhe, ein ganz
großes und ein norinales. In jeder Sorte Schnee nnd
Schniutz hätte inan Gelegenheit haben können, ihre
ungleichen Spnren einträchtig nebeneinander die tzalbe Stnnde
nach einer gewissen inolligen Aaffeekneixe lftnaus und wieder
zurück zu verfolgen.

So war auch heute das „lftnaus" ganz regelrecht vor sich
gegangen; das „znrück" jcdoch sollte unerwartet einen Lfaken
kriegen. 0orlänflg freilich fiel noch nicht der leisefte Schatten davon
über die danipfenden Aaffeetafsen der beiden als Inhaber be-
regter Schuhe zunächst Letroffenen. Der inassivere von chnen,
der init dein wotzligen Rentierbäuchlein, k)err Ranlbars, nieinte
eben, voll Behagen in die dicht herabwallenden Schneeflocken
hinauslugend: „So was lieb' ichl Da ift inan von vorneherein
der Mühe des Schirinanfchannens enthobenl" „Das heißt,
solide Gnininischiche niuß nian haben," warf sein schinächtiges
Gegenüber, tferr Spocht, dein nian den Bureauvorsteher auf
zwanzig Schritte anroch, inir wichtiger Miene ein.

„Aber natürlich l Sollte inir heute schlecht bekoinmen ohne
die. chabe da näinlich heut frich ein paar ganz verflucht dünn-
wandige Glanzlederne erwischt; kaput sind sie auch. Man
trägt fie eben fo auf in den Guimnischichen."

Nach dein üblichen sdlauderstündchen gings an den Aufbruch.
Draußen wirbelte es zu des Dicken herzlicher Befriedigung
toller wie je. Der kferr Bureauvorsteher schlüpfte denn auch
hurtig in seine Gninniibehälter, der Andere aber inußte erst
das ganze Lokal durchstöbern, ehe er die Ueberzengung gewann,
hier seine Guininikähne nicht zu finden. Das war aber
wirklich niederträchtigl Der bvirt hatte einen Teckel, der sich
unter den Gästen heruinzudrücken pflegte; das arnie Geschöpf
hat von Menschen nie wildere Blicke eingeheinist, als an diesein
Tage von dein verunglückten Guininischuhbesitzer, der sich fünf-
zehn Minuten lang fest einredete, „waldinann" hätte seinen
Schatz gefressen.

Lserr Raulbars schwitzte vor Aerger, und sein Freund half
ihin auch hierin, soweit das bei ihm niöglich war. Tin Blick
auf das ausgedehnte jdiedestal des kjerrn Rentier hatte inzwischen
genügt, dein lvirt jeden versuch, Ersatz zu stellen, lächerlich
erscheinen zu lasfen. Dafür sprangen die Uinsitzenden desto
bereitwilliger niit „unniaßgeblichen" vorschlägen bei. Da war
Einer, der nieinte, Spocht niüßte seinen Freund einfach hucke-
pack nach kfause tragen. Ein Anderer ftellte init dein trostlos
ernsten Gesicht eines völlig und ganz nur zur Sache Redenden
fest: uin die Füße zu schonen wäre das jdraktischste, auf den
ksänden zu gehen. Ia, auch Liner war da, der knrzweg kjerrn
Aaulbars ins Gesicht behauptete: „Ach, Sie haben ja gar keine
Guniinischuhe angehabtl" „Spocht ist inein Zeuge, ich hatte
siel" rief der Dicke feierlich. „Und nun weiß ich auch, wo sie
sindl — Der lange glotzäugige Aerl, der da drübcn bis vor
'ner Viertelstunde hinter feinein Schnitt Glühwein lungerte;
kein Anderer hat sie wie derl vorwärts, Spochtl Den Racker
holen wir noch ein." Solch geniale, ulias fixe Ideen hat inan
zu Dutzenden, wenn inan etwas durchaus nicht finden kann.

N)er etwa als Unbeteiligter jetzt die beiden Fußspuren
auch nur fünfzig Schritte weit — weiter ging's fchon wegen
der stetig fallenden Flocken nicht — verfolgt hätte, wäre in
bewunderndes Staunen versunken über den Miderspruch zwischen
dein räuinlichen Gehalt der einen Spur und ihrer aller Er-
wartung spottenden Beweglichkeit. Gft sah inan nur ein
Fußviereck tief eingegraben, das andere inußte irgendwo hoch
oben in der Schwebe gehalten worden sein nach Storchinanier;
dann kainen konfuse Sätze und Sprünge nach rechts und links

und nach vorwärts; auch sah man wieder streckenweise blos
den Lindruck einer gewaltig großen Zehe und bald darauf nur
kjacke, nichts als kfacke.

Ls war ein jdasfionsweg, den Aaulbars da auf seinen
fragwürdigen Glanzledernen zurücklegte. Spochts trockene
Trostworte glitten fpurlos an dein arinen Dulder ab; dieser
tröstete fich einzig noch selber von innen heraus, indein er nach
und nach alles Unheil der welt auf diesen Schubjack von
Guinmischuhdieb herabwünschte.

Als sie den dann endlich zwischen den ersten kfäusern der
Stadt einholten, war das ein Lichtblickl Aber die nächste
Minute schon wieder ließ an traurigein Dunkel nichts zu
wünschen übrig. Der Mensch hatte und brauchte auch keine
Guinmischuhe; der trug ja ellenlange Stulpenstiefell!

Spocht versprach beim Abschied noch seinem geknickten
Freunde, mit Thränen des Mitgefühls im Ange, sofort die
ganze jdolizei in Aufruhr zu bringen, was er auch getreulich
vollfiihrte. Nur mit einem fürchterlichen chluch auf den frechen
Dieb gedachte er heut einzuschlafenl Gb er's hielt? — Nun,
am nächsten Morgen klopfte es sehr früh an Aaulbars Thür,
der nach schlafloser Nacht noch ganz' der Sorge seiner verschim-
pfierten untern Extremitäten hingegeben lebte. Auf sein
„kjerein" übergab ihm Spochts Dienftmädchen ein Packet und
einen Brief.? In letzterem stand zu Aaulbarsens unfäglicher
verblüfftheit geschrieben zu lesen:

„Nein lieber alter Aaulbars! Anbei Deine Gummischuhe.
Ich hatte sie aus versehen iiber meine gezogen. verzeih,
daß ich so erbärmlich kleine chüße habe. kvie gehts fonst?
kfoffentlich besserl Dein Spocht."

cöalgenhmnor.

die yand drückend): „5ie haben mich so warm verteidigt, kferr
Doktor . . . darf ich Sie vielleicht zur kjenkersmahlzeit
einladen?"

(Lin (Llefanten-Duell.
 
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