5. Neggendorfers Humoristische Blätter.
U9
„Und rnir," entgegnet die Blonde mit schmel-
zender Stimme „einen veilchenstrauß — sehen
Sie nur — den hat er mir erst gestern gegeben l"
Dabci zeigt sie leuchtenden Antlitzes ein
kleines Bouquet Violsttss äo Larrns, das sie
von ihrem Gürtel loslöst.
Ich sitze noch immer regungslos und axatlsisch
da, lasse die Auseinandersetzungen der beiden
Nädchen über mich ergehen, möge kommcn,
was da wollel Gott helfe mir, ich kann nicht
andersl
„Das ist aber doch sonderbar," sagte jetzt
die blonde Schwäbin, welche anfing, die Situa-
tion zu erfassen, „mir gegenüber hat er doch
iinmer behauptet, Müller zu heißenl"
„Und mir hat er sich als Ljerr Schulze vor-
gestelltl"
„Ia, zum Ruckuck, mein Lserr, heißen Sie
Müller?" schüttelte mich die Blonde am rechten
Arm.
„gft's wahr, Frau Nachbarin, daß Ihr Nann unter die Uegetarianer gegangeu?'
„Ia, er trinkt nur noch Rirsch und wachholderl"
Die Vtonöe und öie Maune.
as scheint aber selbst für die Sanftmut der kleinen lNa
donna etwas zu stark zu sein. Sie wirft verächtlich den
Roxf in den Nacken zurück und sagt:
„lvenn er sich mit einer von uns beiden einen Sxaß er-
laubt hat, dann dürfte es kaum zweifelhaft sein, daß er Sie
zum Gegenstand desselben ausersehen hat, denn mir gegenüber
hat er stets die ritterlichste Liebenswürdigkeit an den Tag
gelegt."
„Uas ist das Richtigel lNit Speck fängt i.ran eben die
llläuse — nicht wahr, Lferr Schulze?"
Ich finde keine halbwegs vernünftige Antwort und stoße
deshalb einen unartikulierten Laut aus.
„Sehen Sie, wie er mir zuftimmt," ruft die lvienerin wie
ein römischer Triumphator aus.
„Bei alleu unsern Zusammenkünften überreichte er mir ein
jdaar gelbe Theerosen, meine Lieblingsblumen."
„Gder heißen Sie Schulze?" zerrt die Braune
an meinem linken Rockärmel, „oder wie heißcn
Sie eigeutlich, heraus mit der Sxrachel"
„Ljerr lvalterl" ertönt es in diesem sürch-
terlichen Augenblick hinter mir. Ich wende mich
um, aufs tödlichste erschreckt, bebend, entgeistert
.ist deun die ganze ^ölle heute los?
lvas muß ich sehen? Da steht unser Uinder-
mädchen, eine stämmige Bäuerin im National-
kostüm, mit unserem Iüngsten, einem nur wenige
lNonate alten Säugling und nickt mir mit der
familiären Zutraulichkeit dieser urwüchsigen
Naturkinder zu. Ich starre sie an wie eins
Erscheinung aus dem Ienseits und höre rechts
und links ein fürchterliches bsohngelächter. Ich
versuche mich von meinem Sitze zu erheben.
Meine Füße versagen mir den Dienst, es ist, als
ob ich zentnerschwere Bleigewichte an denselben
hätte, und der Boden tanzt mir vor den Augen
„Guten Tag, Ljerr lvalterl" begrüßt mich
das lNädchen, „der Rudi ist schon wieder schlimm
und läuft mir immer davon. Ich weiß gar
nicht, wo er jetzt steckt, ach bitte, halten Sie mir
doch unterdessen ein wenig den kleinen Louis
bis ich Rudi gefunden habe."
And bevor ich noch Zeit habe, ein lvort auszusxrechen,
legt mir das furchtbare weib den kleinen Louis, der über diese
Drtsveränderung erbost, ein fürchterliches Geschrei erhob, auf
den rechten Arm, stopft mir eine ungeheure lNilchflasche in die
linke Ljand und läuft spornstreichs davon.
Ich biete einen wahrhaft jammervollen Anblick dar; mein
Ttzlinder ist mir bis in den Nacken zurückgerutscht, dicke
Schweißtropfen xerlen mir von der Stirne, wütend wiege ich
das noch immer schreiende Rind zur Ruhe. Ick glaube, ich hätte
weinen mögen vor ohnmächtiger !Vut I llnd rechts und links meine
beiden Lroberungen, die keine Miene machten sich zu entfernen,
und mit grinsenden Gesichtern — wie häßsich erscheinen sie mir
jetzt — sich über das schreiende Rind beugen. Ich sehe es
deutlich. Aus den beiden Gegnerinnen sind zwei verbündete
geworden, zwei verbündete, die sich für betrogen halten und
nun ihre Rache wollen. Sie weiden sich an meiner entsetzlichen
Situation.
„Lin reizender Iunge," sagte die Blonde mitfurchtbarem kjohn.
„Der ganze j?apa," flötete die Braune.
„vater und Sohn — ein rührendes Familienbild!"
Auch ein Alegetarianer.
U9
„Und rnir," entgegnet die Blonde mit schmel-
zender Stimme „einen veilchenstrauß — sehen
Sie nur — den hat er mir erst gestern gegeben l"
Dabci zeigt sie leuchtenden Antlitzes ein
kleines Bouquet Violsttss äo Larrns, das sie
von ihrem Gürtel loslöst.
Ich sitze noch immer regungslos und axatlsisch
da, lasse die Auseinandersetzungen der beiden
Nädchen über mich ergehen, möge kommcn,
was da wollel Gott helfe mir, ich kann nicht
andersl
„Das ist aber doch sonderbar," sagte jetzt
die blonde Schwäbin, welche anfing, die Situa-
tion zu erfassen, „mir gegenüber hat er doch
iinmer behauptet, Müller zu heißenl"
„Und mir hat er sich als Ljerr Schulze vor-
gestelltl"
„Ia, zum Ruckuck, mein Lserr, heißen Sie
Müller?" schüttelte mich die Blonde am rechten
Arm.
„gft's wahr, Frau Nachbarin, daß Ihr Nann unter die Uegetarianer gegangeu?'
„Ia, er trinkt nur noch Rirsch und wachholderl"
Die Vtonöe und öie Maune.
as scheint aber selbst für die Sanftmut der kleinen lNa
donna etwas zu stark zu sein. Sie wirft verächtlich den
Roxf in den Nacken zurück und sagt:
„lvenn er sich mit einer von uns beiden einen Sxaß er-
laubt hat, dann dürfte es kaum zweifelhaft sein, daß er Sie
zum Gegenstand desselben ausersehen hat, denn mir gegenüber
hat er stets die ritterlichste Liebenswürdigkeit an den Tag
gelegt."
„Uas ist das Richtigel lNit Speck fängt i.ran eben die
llläuse — nicht wahr, Lferr Schulze?"
Ich finde keine halbwegs vernünftige Antwort und stoße
deshalb einen unartikulierten Laut aus.
„Sehen Sie, wie er mir zuftimmt," ruft die lvienerin wie
ein römischer Triumphator aus.
„Bei alleu unsern Zusammenkünften überreichte er mir ein
jdaar gelbe Theerosen, meine Lieblingsblumen."
„Gder heißen Sie Schulze?" zerrt die Braune
an meinem linken Rockärmel, „oder wie heißcn
Sie eigeutlich, heraus mit der Sxrachel"
„Ljerr lvalterl" ertönt es in diesem sürch-
terlichen Augenblick hinter mir. Ich wende mich
um, aufs tödlichste erschreckt, bebend, entgeistert
.ist deun die ganze ^ölle heute los?
lvas muß ich sehen? Da steht unser Uinder-
mädchen, eine stämmige Bäuerin im National-
kostüm, mit unserem Iüngsten, einem nur wenige
lNonate alten Säugling und nickt mir mit der
familiären Zutraulichkeit dieser urwüchsigen
Naturkinder zu. Ich starre sie an wie eins
Erscheinung aus dem Ienseits und höre rechts
und links ein fürchterliches bsohngelächter. Ich
versuche mich von meinem Sitze zu erheben.
Meine Füße versagen mir den Dienst, es ist, als
ob ich zentnerschwere Bleigewichte an denselben
hätte, und der Boden tanzt mir vor den Augen
„Guten Tag, Ljerr lvalterl" begrüßt mich
das lNädchen, „der Rudi ist schon wieder schlimm
und läuft mir immer davon. Ich weiß gar
nicht, wo er jetzt steckt, ach bitte, halten Sie mir
doch unterdessen ein wenig den kleinen Louis
bis ich Rudi gefunden habe."
And bevor ich noch Zeit habe, ein lvort auszusxrechen,
legt mir das furchtbare weib den kleinen Louis, der über diese
Drtsveränderung erbost, ein fürchterliches Geschrei erhob, auf
den rechten Arm, stopft mir eine ungeheure lNilchflasche in die
linke Ljand und läuft spornstreichs davon.
Ich biete einen wahrhaft jammervollen Anblick dar; mein
Ttzlinder ist mir bis in den Nacken zurückgerutscht, dicke
Schweißtropfen xerlen mir von der Stirne, wütend wiege ich
das noch immer schreiende Rind zur Ruhe. Ick glaube, ich hätte
weinen mögen vor ohnmächtiger !Vut I llnd rechts und links meine
beiden Lroberungen, die keine Miene machten sich zu entfernen,
und mit grinsenden Gesichtern — wie häßsich erscheinen sie mir
jetzt — sich über das schreiende Rind beugen. Ich sehe es
deutlich. Aus den beiden Gegnerinnen sind zwei verbündete
geworden, zwei verbündete, die sich für betrogen halten und
nun ihre Rache wollen. Sie weiden sich an meiner entsetzlichen
Situation.
„Lin reizender Iunge," sagte die Blonde mitfurchtbarem kjohn.
„Der ganze j?apa," flötete die Braune.
„vater und Sohn — ein rührendes Familienbild!"
Auch ein Alegetarianer.