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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 21.1895 (Nr. 223-235)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16559#0033
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Meggendörfers Humoristische Blätter.

29

Än den Unrechten gekonrmen.

Geb' MM Kuckuck!

orchl da töiite der Lhorgesang so ernst hinaus. Oas war
ein 5-ühiiepsalin für den verlorenen Sohn — ein trübcr
wandersegen — doch in Gottliebs Ghren ertänten lanter noch
als Bußpsalinen des j)förtners Abschiedsworte: „Geh' zum
Ruckuckl" Der gute Gottlieb aber war zeitlebens eine harmlose
Seele gewesen und er nahin des Rlosterinannes wort als red-
lichen Rat und dachte, hei nun, so geh ich den Kuckuck zu
suchen. Gesehen hatte er zwar sein Lebtag noch keinen, und
er wußte uicht, sei es ein vogel wie die Rlosterhühner und
Gänse — oder ein Nensch in khosen und Mainins, oder meiß
der Uiminel mas; der graue waldgeselle hatte wohl im Früh-
ling alltäglich zuiu Rloster hinab sein Rufen erschallen lassen,
aber gezeigt hatte er sich nie. Der Gottlieb aber dachte schlau,
hör ich ihn rufen, dann kann er niinmer weit sein und nimmer
schwer zu suchen. —

U)ie er sich aus seinem erften 5chrecken herausgewandert
hatte, da stand er drobeu auf dem waldigen Berge und schaute
um und um und sah nichts als 5tamm und 5tamm so weit
sein Auge schweifen konnte, da schlug er sich klagend vor den
gedankenirren Rops und bereute bitter, daß er den Fabeleien
des fremden Gesellen Glauben geschenkt und Rutte uud Gürtel
thöricht oerschmäht hatte. Beinahe wäre er umgekehrt, um
reuigen therzens anzuläuten au der Alosterpforte, aber Furcht
und Scham hielten ihn zurück und trieben ihn vorwärts den
Ruckuck zu suchen.

Draußen im Walde saß anf moosigem 5tein eine junge,
schlanke Maid mit langen, goldblonden Zöpfen und mit einem
Gesichtchen so blüheud nnd frisch, wie die kjeckenröslein, die in
der walddichtung blühten. Aennchen hieß das holde Rind und

war des Försters Töchterlein. Da saß sie nun und träumtc
wohl eine Stunde schon und horchte, ob der Ruckuck denn gar
nicht rufen wollte heute, denn er sollte ihr verraten, wie
manches Iährchen noch Liebesglück und Brautkranz ausbleibe
im grünen Försterhaus und jeder Ruf des xroxhetischen vogels
bedeutet ein Iahr — aber jetzt wollte der lose Geselle gar
nicht zu rufen beginnen und da hob sie selber mit fröhlicher
Stimme an und rief: „Auckuck, Ruckuckl" damit der kValdvogel
so gelockt ihr Antwort gebe.

Der aber schwieg und des Mädchens Rufen klang eben
wieder lustig durch den grünen Tann — als unser Gottlieb
wandermüde des lVeges kam und gar wunderlich staunende
Augen machte, wie er nun xlötzlich den Ruckuck gefunden hatte.
weil aber das Försterskind gar so lieblich und holdselig aus-
schaute, wie der sonnigste Maienmorgen, da zweifelte er schier,
ob das wirklich der Ruckuck sein könne, oder ob es nicht die
himmlische Göttin sei, die im Alofterchore ob dem Altare so
anmutig abgemalt war und ob er nicht am Ende gar von der
Lrde weg in den ksimmel gelaufen sei. Aber da rief das
Mädchen init lachendem Munde öem zagenden wanderer zu:
„Ruckuck, Ruckuckl" und es mußte doch ein richtiger Auckuck seinl

„verzeihet," sprach er scheu, „daß ich Luch störe, aber heute
morgen hat inich der Abt vom Rloster drunten fortgeschickt,
darinuen ich seit ineiner frühesten Ainderzeit gelebt und Lateinisch
gelernt und psalmen sang und der alte jDfortenbruder hieß mich
strengen Tones sogleich zum Ruckuck gehen und jetzt bin ich da
weiß aber nicht recht, was ich Luch sagen soll und ob Ihr mir
helfen kännt."

Da schaute das blonde Rind dem jungen lvanderer fragend
ins Gesicht und der biedere Gottlieb meinte, es sei sein Ljerz
ein Butterstöcklein geworden unö die 5onne scheine darauf.
Die holde Iungfrau aber dachte, der redet im Traume oder hat
wohl gar von der Fieberwurz gegessen draußen im wald —
aber der Fremde gefiel ihr so wohl mit seinen frommen braunen
Augen und mit seiner treuherzigen Rede und sie gab ihm, wie
es sich bei Fieberkranken ziemet, in allen lVorten recht und
sagte ja und uein, just wie ers gerne haben mochte und so ein
Lvastöchterchen solches thut, dürfte in lVunderbüchern wohl da-
von geschrieben und gemeldet werdcn.

wie der Bursche aber immer redeseliger so erzählte, von
dem Rloster uud dem fremden fahrenden Schüler uud wie er
nicht zu sagen vermochte, was ein Mädchen sei und was irdische
Liebe, da wußte das schlaue Aennchen wohl, warum er sie sür
einen Ruckuck halten könnte — und gelobte sich ganz heimlich —
tief im therzen, dem zutraulichen Iüngling nach beften Aräften
sein lückenhaftes lVisscn auszubessern und darum zog sie
schmeichelnd das unwiderstchliche Netz süßer Liebesahnung und
holder Nädchenschalkheit fest uud fester um des Iünglings kjerz
und sie legte ihren weißen Arm dem stauneiiden Anaben um
den bfals und einmal da küßte sie ihn mit ihrem roten Münd-
lein die glühende lVange, aber so schelmisch nnd schncll als
wie der Falter die Rose küßt im tanzenden Fluge. — Der
frommc Gottlieb aber kain aus träumeuder Verwirruug balö
heraus und was die Maid gethan, das xrobierte er redlich auf
ihren wonnig schwellenden Lippen und schaute dabei aus seinen
braunen Augen so fröhlich d'rein und war gar nimmer der
alte, verlegene Alosterlateiner und in seinein lferz klang es wie
jubelnde Lieder in ganz neuen aber doch so seligen Tönen.

Doch wie sich die Leutchen so nach bjerzenslust unter dem
grünen Tannenbaum immer und immer wieder so jugendfrisch
lachend in die Augen guckten, da rief's plötzlich über ihnen im
dichten Geäft: „Guck—guckl" uud erschrocken schaute Gottlieb
empor und sah den grauen, schreienden Vogel. „Ist das jetzt
auch ein Auckuck?" fragte er kleinlauten Tones. — „kjei, Du
Närrchen", rief das fchalkhafte Aind, „das da droben freilich
 
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