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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 22.1895 (Nr. 236-248)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16560#0053
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Meggendorfers Huinoristische Blätter.


Weerosen.

laas Lsolsdendorx hatte ein Vierteljahr-
hnndert hindurch seine schmncke Brigg
durch alle INccre gesteuert, um dein !val-
fischfange obzuliegen und fiir seinen Lebensabend
sowohl, als für seine kleine Liese einen Lhaufen
Dollars zusaininenzubringen. Das war gemacht.

Allerdings Millionen waren es nicht geworden,
das wirft der LValfischfang nicht mehr ab; aber
es läßt sich ja auch mit etwas weniger ganz
beschaulich leben, wenn man nur zu zweien ist,
und Aaxitän Lsolsdendorx mit seiner Liese waren
ja nur zwei. Er verkaufte also seine Brigg,
heuerte seine Leute ab bis auf den alten Lsannes
Gerdt, der, so lange er seine Brigg gefahren
hatte, sein Leib- und Magenpfleger, vnl^o Aoch
und Steward gewesen, und ging nach Philadelphia
um „lütt Liesiug" abzuholen, das dort in jdension
war. Liesing wollte aber nicht von jdhiladelphia
fort, „no, äsur pupa".

„Aber Döchting, kiek mal to — —" vater
Lsolsdendorp machte sich zu einer längeren ein-
dringlichen Rede bereit, „die lütt Nutting, die
ich vor nun schon anderthalb Derennien in den
Atlantik versenken gemußt, war doch auch eine
Deutsche . . ."

„Ich weiß, lieber vater . .

„Und kiek, lütt Döchting, ich bin ein altes
Wrack geworden, und möcht doch gern, nachdem
ich meinen Leichnam aus tausend und abertausend
Seegefahren gerettet habe, in heimatlicher Lrde
gebettet werden . . ."

„Dann gehe ich erst recht nicht mit nach
Deutschland, lieber vater, denn sterben darfst Du
mir noch lange, lange nichtl" Dabei umarmte
lütt Liesing den alten Llaas und küßte ihm
die bartstoxpeligen LVangen.

„Lütt Dirn, — — ik möcht doch auch gern,
daß Du mal einen braven deutschen Seemann
freist —- —

Ietzt lachte Liesing gar lustig auf: „Nun bleibe ich grade
hier, jdapachen, und Du, mit samt dem alten Lsannes auch —."

Da guckte Llaas Lsolsdendorp sein verwittertes Faktotum
fragend an und meinte: „Ia, Lfannes, denn hülpt dat nich,
wenn't Dirn nich mag, denn mag et ja wohl nich mägen, denn
mott wi anders wo op den 5trand lopen — —."

„Iau, Raptän — —," und Lsannes kratzte hinter seinem
rechten Lforchlöffel herum, schob den Südwester tief über die
Stirn hin, wie er stets that, wenn ihm ein Gedanke über den
Lsorizont ging und antwortete: „Iau, Raptän, dann ward dat
wol nich annerster warden — —."

Es wurde auch nicht anders, Rapitän Lsolsdendorp kaufte
dicht bei jdhiladelphia ein Landhaus, das inmitten eines Blu-
mengartens just so reizend plaziert war, wie das weiße Stulp-
näschen seiner Liesc in ihrem rosigen Grübchenwangengesicht,
und kroch mit Aind und Regel dort unter.

Damit wäre nun alles recht gut bestellt, und in das richti-
ge Fahrwasser znm Lsafen der Ruhe gelotst gewesen, wenn so
ein paar alte Seebären, wie Aapitän Lholsdendorp und sein
Steward, nachdem sie sich 25 Iahre lang im Sturmgeheul und
Lvogengebrüll mit den Llementen herumgcbalgt, es auszuhalten
vermöchten^, sich mit den jdhilomele-Alängen eines ; 7jährigen
Iungfräuleins Tag aus, Tag ein in den Schlaf lullen zu lassen.
Tine Zeitlang täuschten sich beide mit steifem Grogg und Stum-

melxfeife über die lvindstille ihres jetzigen Lebens hinweg. Aber
dann ging auch das nicht mehr.

Der alte Tlaas dachte ernstlich daran, sich aus der Reihe
der jungen Seeleute einen Schwiegersohn zu wählen, um durch
diese Verbindung wenigstens mittelbar wieder mit Sturm und
lvogen zu thun zu haben. Tagtäglich nahm er, zu lütt Liesing's
heillosem Lntsetzen, den Kurs in die Tabernen und Boardings
der jungen Raxitäne, welche jdhiladelxhia mit ihren Schiffen
anliefen, und vergaß dort nicht selten die rechtzeitige Veimkehr.
Der alte Lfannes aber setzte sichs in den Ropf, daß er in die
Riiche gehöre, kochen und scheuern, schmoren und abwaschen
müsse, wenn anders er kein Leck bekommen und zu Grunde
gehen solle. Das war nicht minder entsetzlich für lütt Liesing,
denn nun verging kein Tag mehr, ohne daß sie nicht eine Schürze
voll jdorzellanscherben auf den Rerichthaufen schütten lassen
mußte, oder der gute Lfannes irgend einen andern kostbaren
Gegenstand in seinen schwieligen Lsänden zertrümmert hatte.
Das Tollste war aber, daß er alle diejenigen Leckerbifsen, die
sie hcrrichtete, ungenießbar fand, für sich sowohl, als für seinen
Rapitän, während sein eigenes Rüchen-Repertoir sich auf „Mehl-
klüten mit jdflaumen," und „Reisxudding mit Rumobst" be-
schränkte.

Das hielt jung Liesing auf die Dauer auch nicht aus, sie
setzte dem alten Llaas so lange zu, bis er versxrach, wenigstens
tagsüber zu Lsaus bleiben zu wollen.
 
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