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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 26.1896 (Nr. 288-300)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16564#0134
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INeggenüorfe rs t)uinoristische Blätler.

130

Linen Ailgenblick waren wir vor Stannen gelähmt. Dann schric
lscischke: „isaltl" „isaltl" schrie der Sergeant. „lsaltl" beultc
lch. Aber die Gcstalt inachte nicht ksalt, sondcrn sctzte
sich in Trab, iniiner dicht an dcr lvand entlang. Laut klap-
pcrten dic eiligcn Tritte dnrch die Lkacht, von dcn hohen
lvändcn iin §cho zuriickgeworfen. Mir galoppierten anf den
Durchgang zu, den Flnchtling, dcr uns cntgcgcnkain, abzufasscn.
Als wir anlangten, war hart vor uus die Gcstalt um die Ecke
verschwunden wie ein Duft. Ilnd driiben am anderen Eingang
des Durchlasses stand schiianbcnd und pustcnd, das Gcwehr
schusjfcrtig im Arm, der Linjährigc Lleifus;.

Sprachlos schanten wir einander an. Dann schritt der
Scrgcant, wie cincr plötzlichen Eingcbuug folgend, eilig dnrch
den Durchgang, warf ciucn Llick in den tsof Z >nnein nnd kam
langsam wicder zurück. Er faszle unsercn klcincn tscischke am
Gl;r und sagte leiso: „kvissen Sic, wer Ihr cntsprungcner
Strästing ivar?"

„Nein."

„Da drüben stelst er, dcr Einjährigc Llcifuß."

„Aber tserr Sorgcant —"

„Gdcr wenigstens scin Schattcn. Aommen Sie mal hcrl
— Linjästriger Lloifuß, wo standen Sie, als Sie den Anruf
höiten?"

„Ich stand überhaupt nicht, ich patrouillicrte."

„Sestr schön. tliachen Sie das noch cinmal, gcirau so wie
vorsterl"

wir tratcn nästor, iim ihm znzuschen. Im lsof z stand
in einigcr Entfcrnung von dem Dnrchgange auf ciner ziemlich
hohen Säule eine Gaslaterne, wclche dic cine wand des Durch-
gangs beleuchtete, während die anderc im tiefcn Duiikcl lag.
Der Einjährige Bleifuß fing an, zivischcn Latcrne nnd Durch-
gang zu patrouillieren, »nd scin Schaltcn crschien auf der be-
lcuchteten Fläche, sich langsam
fortbewegend. „kjaltl" rief der
Sergeant. Der Linjährigc stand,
der Schattcn stutzte. „Nnn laufen
Sie lsteicherl" Der Einjährige
lief, dcr Schatten huschte die
kvand cntlang und verschwand,
sobald Bleifuß durch die vor-
springende Lcke des Gefangcnen-
hauses dcm kichtkreis dcr Latcrnc
cntronnen ivar.

„Nnn?" wandte sich der
Scrgeant triumphiercnd an
kjcischke.

Der wollte sich noch nicht
gcfangen geben.

„Aber die Tritte, lferr
Sergcant, die ich unzweifclhaft
gchört habc?"

„kjabcn Sie die jetzt cben
iiicht wieder gchört? kvciin
der Linjährigc Bleisuß läuft,
müssen Sie uatürlich seine Tritte
hören."

„Aber Bleifnß selbst kann
doch nicht seinc cigcnen Trittc
sür diejenigen eincs andere»
gehalten haben. Er hat den
Flüchtling doch auch lanfcn
hören."

„Sagen wir licbcr: er hat irgcnd jemanden lanfen
hörcn. Und dicscr irgcnd jcmand sind Sic gewesen. Sie find
doch anch nach ihrem zwciten Anruf auf dcn Durchgang los-
gelaufcn?"

„Nalürlich."

„Na alsol Die Sachc klärt sich demnach einfach anf: Sie
haben dcn Einjährigen Bleifuß und dcr Einjährige Bleifuß hat
Sic für einen entsprungciien Strästing gehalten."

„Das ist doch zu dumm."

„Noch lange nicht so dumm, als wcnn Sie sich gegenseitig
cins anf dcn Pclz gcbrannt hätten. Das hätte schr leicht gc-
schchen könncn — wenn Sie Ihre Instruktion gcnan inne
gehabt hätten."

ljcischke senkte bcschämt den Aopf.

Abcr der Scrgcant hatte es eigcntlich anders gemeinl. „Da
sehen Sie," fuhr cr fort, „wie gnt es war, daß ich cincn kleinen
Aatcr l;atte. lvcr weiß, ivas sonst passiert wärc."

Am lliorgen kam der Inspcktor, um dem Sergeantcn mit-
znteilcn, daß keincr dcr Strästinge fehle.

Der Scrgcant lächeltc gcheimnisvoll. Aber ein stchcndcr
Blick ljeischkcs bcwog ihn zn schweigen. Er schiittelte also nur
den Aopf und sagtc cinmal über das andcre: „Rätselhafl l
Rätselhaftl"

Moshcist.

„Der ljcrr Professor Grübelmann ist wohl sehr zerstrcnt."
Schncidcr: „Ia, der hat schon als Studcnt vergesseu
seinc Schuldcn zu bczahlen."

Noderne Vcrteidigrmg.

verbrcchcr: „Das ist heutc ciue schwere Sachc, ljcrr Doktor, da darf cs Ihncn im
Notfall anch auf cinige Thränen nicht ankommcnl"

verantwortlicher Redaktcur: lllax Schreiber. Drnck nnd Vcrlag von I. F. Schreiber, beidc in Eszliugen bei Stuttgart.

Geschästostelle in Miinchen: Torneliusstraste 19.
 
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