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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 27.1896 (Nr. 301-313)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16565#0045
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Meggendorsers humoristische Blätter.


Ä reicher cKehhals.

sst reicher Geizhals hat da ällergrößtc Sparra:

Er hält net andre Leut, er hält se selbst znm Narra
lind sagt: „I könnt' dir des nnd des gea, wenn i' wött
Denn älles des ist niei'! I' gönn' dir's aber netl" G. S.

Ärif wlst'enfchasttichem Vege.

er bserr Sanitätsrat jdrofessor Or. Schlauer ging
mit cinem soeben erhaltenen Briefe in der lsand, desse»
Inhalt ihn in lebhafte Anfregung vcrsetzt hatte, in
seinem Laboratorium auf und nieder. Seine Frau sollte über-
morgen aus dem Bade zuriickkommen nnd benötigtc dann sofort
eiu ncues Dicustmädchcn. Sie lcgte die Angelegenheit in die
lsände ihres Gatten und beauftragte ihn, fiir ein passendes
lllädchen zu sorgen, da sic nach ihrcr Ankunft zu viel zu thun
habe, um sich auch damit befassen zu können.

llnd nun ans lverkl

Rasch sandte er den Diener, ein Inserätchen ins Intelligenz-
blatt einschalten zu lassen und in einigen T>ieustbotenbureaux
seine Adresse abzugeben. Dies war bald geschehen und nun
harrte er der kommenden Dinge mit eilier Spannung, wie sie
eines solchen interessanten Falles wiirdig war. — —

Ein schwaches, schiichternes Alingeln war veruehmbar.

T>er Dicncr eilte zn öffnen.

Eine jnnge, clegant gekleidete Oame stand an der Thiire.
Sie knirte frcnndlich.

„bserr Doktor Schlauer?"

„Bitte nur einzutreten." Der professor hatte sich erhobcn
und schob seinem Besnche ein Fautenil zurecht. Ein wenig
bcfangen nahm die Damc Platz. Sie schlug den Schleier, welcher
ihr Gesicht verdeckt hattc, zuriick und auf don hübschcn Zügen
zeigte sich etwas wie Unbehagen und Zwang.

„Sie scheinen berzleidend, mein Fräulein."

„bserzleidend?"

„Gewiß l — Ls ist ganz unmöglich, daß ich mich in einem
solchen Falle irrcn könnte."

Die Oame blickte noch immer betroffen auf den großen
Gelehrten, dcr sic in rücksichtsloser lvcise in peinlichen Schrcckcn
versetzt.

„Aber ich weiß nicht, bserr Professor . . ."

„Batürlich können Sie das nicht wissen, mein Fräulein,
dafür ist ja der Arzt da."

„Gewiß, aber ich bin . . ."

„Sie sind herzleidend und sonst nichts, das sieht ein ge-
übter Arzt auf den ersten Blick."

„Uas mag ja sein, kserr Professor, und doch, wenn . . ."

„Ach was, aus das wenn und aber lasse ich niich gar nicht
ein, lassen Sie mal den jdnls fühlen."

Lrschrocken rückte die Dame znrück und der Uoktor mußte
fast mit Gewalt ihre ksand ergreifen. „Aber Fräulein, seicn
Sie doch nicht so ängstlich, ich beiße Sie ja nichtl" begütigte
cr, seine Uhr hervorziohend nnd die jdulsschläge zäblend.

Ulit gerötetem Gesichte saß die Dame da und ihre Stiinme
zitterte, als sie sprach i „Abcr lfcrr Professor, ich bin doch des-
halb nicht gekommen, Sie irren sich . ."

T>er jdrofessor hatte die Pnlsschläge aufmerksam gezählt
und nur die letzten lvorte vernommen. „lvie irren? — Sie
sagtcn ich irre mich? — lvissen Sie wohl, mcin sehr gcehrtes
Fränlein, daß ich mich noch nie geirrt habe nnd ich werde
Ihnen jetzt auch beweisen, daß cin Irrtum ganz ausgeschlossen
ist, — ivollen Sie sich gefälligst ausziehen?"

„Aber lferr professorl — —"

„lsabcn Sie jemals in Ihrem Leben schon gehört, daß ich,
der Professor Schlauer, mich geirrt hätte? — Lächerlichl —
Und jctzt bittc, zichen Sie sich cndlich ausl"

T>en lserrn professor konnte nichts mehr ärgern, als wcnn
sich eine seincr patientinnen zierte und sich weigerte, scinen An-
ordniingcn Folge zn leisten. In solchen Fällcn pflegte er keine
Rücksicht auf die jderson zu nehmen, sondern sprach, wie so
viele seiner lferren Berufskollegen, in einer Art, die sich von
Grobhcit eigeutlich wenig nnterschied. T>er Ton, in dem er
cben gesprochen hattc, klang nnn noch schärfer wie gewöhnlich
bci solchcn Gclegenheiten — er ärgerte sich, daß man ihn eincs
Irrtums beschnldigt hatte.

T>ie barsche lvcise des jdrofessors, hatte das Utädchen der-
art cingeschüchtcrt, daß es seincm Begehreu willenlos statt-
gab nud sich der Alcider cntledigte.

Uoktor Schlauer begann nun eine eingchcnde Untersuchnng.
Er klopfte, horchte mit dem Stethoskop, abcr je mehr er sich
lllühe gab, desto mehr verdüsterten sich scine Zügc. Lr konnte
absolnt nichts stnden. — Sollte er sich diesmal doch geirrt habcn?

„Schildern Sie mir ausführlich Ihrcn Zustand, bis ins
kleinste Detail."

„kserr jdrosessor, ich fühle mich vollkommen wohll"

„Ia, vielleicht monientan, aber zu andcrcr Zeit?"

„Fch wüßtc nicht, — ich habe mich nie krank gefühlt."

T>as war offenbar cin höchst iutcressanter Fall. — T>er
jdrofossor setztc sich und in Rachdenken versnnken, vergrub er
das Ainn in der ljand. So etwas war ihm noch nicht vorge-
kommen. —

„Und Sie fühlen keincrlei Beschwcrden?"

„Bicht im geringsten l"

„Gar nie?"

„Riemals l"

lvieder dachte der professor nach.

„Ia, dann sagen Sic, rvarum sind Sie eigentlich zu mir
gekommcn?"

„Ulan hat mich hergeschickt, wcil ein TUcnstmädchen aufge-
nommen werden soll."

Ietzt starrte sie der T>oktor an, als wenn er nicht recht
verstanden hätte.

,,^ie — ein Uienstmädchen? I —"

„Bun, ja doch!"

!>er T>oktor faßte sich so rasch als möglich, er wollte eincn
sFrrtum auf keinen Fall zugeben. „Niin, sehcn Sie, das ist's
eben, gerade deshalb habe ich Sie ja nntersucht, ich möchte kcine
kranke jderson im lsause haben. — lfaben Sie Zeugnisse?"

„Gewiß!"
 
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