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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 27.1896 (Nr. 301-313)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16565#0085
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LNeggendorfers Humoristische Blüller.


„Äeneral-A'robe."

kumorcrkc vo„ Thcodor Müller.

aß Du mir die Stcilltluire jedesmcil gut hinter Dir absxerrst l"
„Zu Befehl, kserr Rittineisterl"

„Aeine Mcnschcnscele ersährt etwas von der An-
wescnheit dieser neuen Stute . . . vier wochen sehe ich Dich
in Arrest, wcnn auch nur das geringste laut wird, vcrstanden?"

„Zu Befchl, Lserr Rittineister I"

„So, dann gehe hiuunter und lege ihr den Dainensattel
auf und zaume sie mit dem geflochtenen ungarischen Aopfgestell,
ich werde nachkommen und alles gehörig anpassen."

Iohann ging, der Rittmeister war allein in seiner reizcnden
„kserrenstube". Er stund eigcntlich noch in dcn Flitterwochen
seiner Lhe, crst vor zwci Monaten hatte er geheiratet. Und
wie l Seine kleine Frau war ein Lngel. §r wußte gar nicht,
was er ihr alles zuliebe thun sollte. Sie war aber auch so
hiibsch, so clegant und doch ganz wie cin lieber Aamerad —
die echte Gsfiziersfrau I Sic hatte lange mit ihrem Papa auf
dem Lande gewohnt, seine Gesundheit vertrug die Stadtlust
nicht; da kam in den lehtcn Manövern der daznmalige Premicr
und jctzige Rittmeister von Tedden auf einige Tage zu ihnen
aufs Schloß ins (IZnartier und sich schcn und lieben war eins.

Nun hattcn sie sich, und an jedem Tage glaubte der jnnge
Gatte eine neue schöuc Ligenschaft an seincm Frauchen zn cnt-
decken. Liuc außcrordcutliche Freudc machtc es ihm, daß sic
so viel Intercsse fiir sein schönes, ritterliches ljandwerk zcigte
uud als sic eincs Abcuds so recht traulich beisammen saßen
und sie ihn bat, er mögc ihr doch das Reiten lehren, damit sic
nicht immer im lvagen auf die lseide hinausbrauche, wcnn
das Regiment exerziert, wobei sie fiir ihr Leben gcrn zusehe
— da hatte scin lserz laut aufgejnbelt, aber er hatte ihr seine
Freude nicht so lcbendig wie sonst kundgegeben, sondern sie auf die
Aengstlichkeit ihres Papas verwiesen, der ihren stürmischen
Bitten schon als INadchen nic nachgegcben habe, weil er sich
immer mit der Furcht trug, es könne ihr ein Unglnck passieren
nnd anf später vertröstet. In lvahrhcit war er Tag und
Nacht bemüht gcwesen scincm herzigen Lieblinge den lvunsch
zu erfüllcn, aber erst vor einigcn Tagen war es ihm gelungen
in einer dcr nächstcn Garnisonen cin Pferd, das den Anfor-
derungen, welche cr an ein solchos stellte, und das die Lhre
haben sollte, seine kleine Frau zu tragen, so ziemlich cntsprach,
zu erwerben. Gcrade noch recht, um es ihr an ihrem 22. Gcbnrts-
tage bescheeren zu können. Es sollte das aber eine große
lleberraschung werden und deshalb hatte er das gestern Nacht
erst mit der Bahn angckommene Pferd in der gräßten lseim-
lichkeit in seinen Stall schaffen lassen und aus diesem Grunde
hatte auch Iohann den, wic wir gehört, strengcn Befchl, die
Stallthüre auf das Sorgfältigste verschloffen zn halten — da-
mit das Geburtstagskind auch nicht die leisestc Ahnung von
der Ueberraschung, welche ihm bevorstand, haben könne.

von Tedden begab sich nun ebenfalls in den Stall. Er
hatte sich sicher nicht verkauft. Das war ein schänes, edles
Tier! Er dachte sich wie hübsch die elegante Fignr seiner
Frau und dcren tiefschwarze lsaare von dem gcapftelten lveiß
des Pferdes abstechen müßten, würde sie noch das elegante Reit-
kleid, das er ihr vorsorglich schon bestellt hatte, anhaben . . .

Richtig — Reitkleid l — „Du", wandtc er sich an den Io-
hann, „hat der Bursche vom lserrn Rittmeister Durow nichts
gcbracht?"

„Doch, lserr Rittmeister, einen verschlossenen Aorb, hicr
ist cr und da das mitgeschickte Billet, durch das sich der Schlüssel
fühlt."

„. . . Es ist ein zwar schon viel benütztes Aleid, das schon
cinige Iahre die Schnitzeljagden mitgemacht hat, auch natürlich

nicht mehr modern, aber zu dem Zwcckc, zn dem Sie dasselbc
verwenden wollen und den Sie mir unter dem Siegcl dcs ticfstcn
Geheimnisses anvertrauten, wohl verwendbar :c. rc." so schrieb
dic Frau Rittmeister Durow und von Tedden danktc ihr wäh-
rend des Auspackens innerlich dafür, daß sie seiner Bitte so
promxt nnd in solch' umsichtiger lveise entsprochen habe, es
fehlte nichts an der Toilette: Robe, Lylinder mit dichtem
Staubschlcier und sogar ein paar dcrbe Stutzhandschuhe kamen
aus dem Aorbe znm vorschein. Nun konnte er also sein vor-
haben ausführen.

Bei dem Aaufc des Schimmels hattc er nämlich gemerkt,
daß er ein-, allcrdings nur kleinwenig scheu beim Aufsitzcn sei
und, da er bis jetzt mehr von ljerren als von Damen gerittcn
war und Tedden fiir seine Frau keine vorsichtsmaßrcgcl ver-
säumen wollte, so hatte er die Frau seines Aamcradcn um
einen Reitdreß gcbeten, damit er den Schimmel an den Anblick
des schwarzen Gewandcs im voraus gcwöhne.

„Siehst Du, Iohann," sagte er also zu dem Burschen, der
die Stutc inzwischen, wie befohlen, gesattelt hatte, „siehst Du,
Iohaun, wir haben bis zum Gcburtstage der gnädigen Frau
gerade noch acht Tage. lvährend dieser Ieit wirst Du dcn
Schimmel an das Aleid gewöhncn. Das macht man aber nach
und nach. Lrst also wirst Du die ganze Gcschichte hier an die
Standsäule hängen. lxat sich die Stute daran gewöhnt, so
kannst Du xrobieren das lsabit bcim Futtern an dem Barren
unterzubringen; gcht das auch, so, komm einmal her, setzcst
Du Dir dcn Lylinder auf — da sieh l ich hätte gar nicht ge-
glaubt, daß Dcin Ballon dahinein xaßt — schöne Geschichte,
wenn das Fran von Durow wüßte — und behälst ihn beim
Putzen des Pferdes auf. Geht das cbcnfalls, so stellst Du Dir
den Gaul heraus in die Stallgaffe, sctzest den Tylinder wicder
auf, läßt sogar den Schleier herunter, nimmst, siehst Du so, die
Robe beim lsalskragen hältst sie vor Dich hin, daß Dein Aörxer
dadurch gedcckt ist und es den Anschein crweckt, als hättest Du
das Aleid an, und trittst so auf sie zu; später kannst Du dann
sogar das llufsitzen probieren . . . wie gesagt, die Sache hat
also den Zweck, das pferd systematisch an dcn Anblick der Garde-
robe zu gewöhnen, systematisch, verstehst Dul So, daß, wenn
die gnädige Frau mit den Reitlektioncn beginncn will, dicse
Schwierigkeit bereits behoben ist. Mit dem Zucker brauchst Du
nicht sxaren, dcn laß Dir nur von der ljanne, der Aöchin,
geben . . . Du hast doch alles verstanden?"

„Zu Bcfehl, lserr Rittmcister und der Auftrag macht mir
große Freude l"

„lveiß', bist ja sonst auch ein tüchtiger Burschcl"

Nach diesem Gespräche und nachdem das Sattel- und Zaum-
zeug von dem Rittmeistcr noch auf das Genauestc angcpaßt war,
verließ dcr letztere dcn Stall und Iohann lehnte scin rotweißes,
gesundes Milchgesicht an den feinen Aopf des Schimmels, sagte
ihm alle möglichen Schmeichelnamen und daß er nun sehr foig-
sam sein miisse, denn die junge gnädige Frau sei gar zu lieb
und gut und der müsse man schon zu Gefallen thun, was nur
irgend zu thun sei. —

Dic Sache ging ganz ausgezcichnet; die Stnte, welche zucrst
bei den „Probcn" heftig geschnanbt hatte nnd ängstlich im
Stande hin- und hergefahren war, wurde schon in zwei Tagen
ruhig nnd gelassen, ob ihr das Neitkleid anch noch so oft und
auf alle nur denkbare lveise vor dic Augcn gcbracht ivurds.
Dcr Rittmeister war höchlichst zufrieden und belobtc Iohann
häufig und verdicntcrmaßen und dieser hatte für nichts mehr

Auge und Ghr als für seine Aufgabe und-vernachlässigte

dabci in anffallender lveise seine täglichen Tischgciiossinnen, dic
 
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