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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 28.1897 (Nr. 314-326)

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Nr. 318
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https://doi.org/10.11588/diglit.28504#0060
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AI e g g e n d o r se r s Humoristische Blätter.


wobei es trotz aller wilden Ausgelassenheit ganz ohne (Ohr-
feigen abging, mährend es ihm in einer Viertelstunde mehr als
zwanzigmal in der Hand zuckte. Das „Land der Jugend" war
offenbar kein Land für ihn, das konnte man gut sehen. Doch
er war ja noch nicht am Jungbrunnen gewesen; nachher würde
es gewiß anders. Aber dort ging es ganz seltsam. Als das
Männlein an die Halle kam, musterte es den Bau mit seinen
stechenden Augen von oben bis unten. Und da fuhr's ihm ärger-
lich aus dein Munde: „Seit wann haben denn dorische Säulen
Basen? Und da hängen ja sieben Znttue an den reZulae
statt sechs — abscheulich vertrackter Stil das!" Und noch über
anderes schüttelte er den Kopf, auch im Innern. Und nur
zögernd und mit kritischen Blicken auf die Flut stieg er in
diese hinein und durchhinkte sie bis ans andere Ende. Aber
mit noch grämlicherem Gesicht, als er hineingestiegen war, stieg
er wieder heraus, ja er fing an laut zu schimpfen: „Hol's
der Teufel, ich bin ja naß bis auf die Knochen!" Sonder-
bar! Das hatte noch niemand bemerkt vor ihm. Und er
riß die Thüre auf, um an die Sonne zu kommen. Aber
Schatten umfing ihn, und die Nachtigallen sangen, und
aus der Ferne winkte das liebliche Bild. „Einfältige
Gaukelei", rief er zornig, „wie soll ich denn da trocken
werden? Au — — die Schulter schmerzt auch noch, und
das Bein ... ja, was ist denn das? Ihr treibt wohl
Humbug mit den Leuten?" herrschte er das Weib an,
das des Brunnens wartete und deren Hoheit ihm gar nicht
zu imponieren schien. Aus ihren Augen traf ihn ein
Blick, halb Staunen, halb Mitleid. Dann sprach sie ernst:
„Ich seh's, des Brunnens Kraft versagt an Dir; wer bist
Du, Unglückseliger, woher kommst Du?" —
„Schulmeister bin ich", eiferte das Männlein, Gyin-
nasialprofesfor aus einem fernen Land des Westens; wo
gescheitere Leute sind als hier. Aber der Aerger an den
kleinen und den großen Buben hat mir die Galle krank
gemacht. Ist auch so leichtsinniges Gevögel wie die Leute
alle Hierzuland, bis unsereins sie zurecht geschnürt hat
und zurecht geschraubt!"

Vernachlässigung.
Vater (auf der Soiree, zu seiner Tochter): „Rosa, wo hast Du
Deine Brillantringe? Schämst Du Dich nicht mit so nackten
Fingern herumzulaufen!"

Zm Kuskunstsöureau.
Eh es (eines Auskunftsbureaus zum Angestellten): „Sie, Meier, hier
steht: „Baron Tollheim, Lindenstraße (5, parterre," sagen Sie
mir, „wohnt er parterre oder ist er parterre?"

(Zine moderne Köchin.
Hausfrau: „Na, Anna, haben Sie sich einen recht netten
Schatz ausgesucht?"
Köchin: „Na, Madame, gegen den ist der gnädige Herr 'n
Waisenknabe!"

Viel verlangt.

Da schwoll des Zornes Ader auf des Weibes Stirn,
und einen Schritt zur Seite tretend sprach sie mit erhobener
Stimme so machtvoll, daß das Männlein wie zusammen-
schrumpfte: „So warst von Jugend Du Dein Leben lang
umringt und bist nicht jung geblieben? weich'aus
dem Lande Aphor — kein Zauber wirkt, wem stumm das
Leben selber blieb! Geh hin, von wannen Du gekommen!"

Und gebieterisch streckte sie den Arm aus. Das Männ-
lein hinkte scheuen Blicks und stumm davon. Grau waren
die Bäume, wo es schritt, die Nachtigallen verstummten,
trüb lag die sonst besonnte Ferne. Ein leuchtend goldner
Käfer lief ihm noch über den weg; er zertrat ihn wild.
Und er kam nach Haus. Und er schrieb ein Buch
das führte den Titel: „Die Lüge des Jungbrunnens
zu Aphor." Darin bewies er haarscharf, daß das Glück
und die vielgerühmte Jugend derer von Aphor nur auf
Einbildung beruhe; sie sei Schein, nicht Wirklichkeit,
eine psychische Hallucination ohne reale Basis, eine raf-
finierte Suggestion, auf die ein starker Geist nicht reagiere.
Das Buch machte großes Aufsehen. Einzelne wieder-
sprachen. Die große Mehrzahl stimmte begeistert zu, auch
Juristen. Der Verfasser wurde berühmt. Er brachte es
zum Direktor. Orden schmückten seine Brust. — Er starb
als Hofrat.

Friseur: „Uns wie wünschen Sie, daß ich Ihnen die Haare
schneiden soll?"
Herr: „Ohne ein Wort dabei zu reden."

Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und Verlag I. F. Schreiber, beide in Eßlingen bei Stuttgart.
Geschäftsstelle in München: Schubrrtstratze 6.
 
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