TNeggendorfers Humoristische Blätter
U9
Des Lebens Tandelmarkt.
as ist der große Tandelmarkt der Welt,
Das bunte Possenspiel, das mir gefällt,
In seiner Mitte steht ein Karussell,
„perbei, ihr Narren und besteigt es schnell!
Pier findet ihr, was euer Perz begehrt,
Lin jeder liebt ein andres Steckenpferd.
. Ls dreht das Karussell sich schnell im Kreis,
Lin jeder hoffet auf den ersten Preis,
Der eine schielt nach einem Ruhmeskranz,
Der andre liebet Saus und Braus und Tanz,
Der dritte wählet sich gelehrte war',
Der vierte aber wünscht sich recht viel bar.
Ihr werte perr'n und Damen frisch heran,
Pier ist zu haben, was man wünschen kann!
Für arme Perr'n von Adel und mit Tileln
pab' Damen ich mit ungeheuren Mitteln;
Kurz alles hab' ich, was das Perz begehrt,
Drum wär ich froh, wenn ihr mich heut beehrt."
Bajazzo spricht's, hell seine Schelle klingt
So mancher frisch aufs Karussel sich schwingt.
Ich aber ging so stillvergnügt nach paus
Und lachte mich und lachte andre aus,
Und fröhlich hab' ich im Gemüt erkannt
Lin jeder ist ein Narr auf eigne pand;
Denn wenn das bißchen Narrheit hier nicht wär',
Das Leben würde öd und liebeleer
Und als Diogenes ans seiner Tonne
Stieg jeder Lrdenkloß ans Licht der Sonne.
_ Albrecht Hirsch.
Rus öen Tagen der Influeiya.
sHeißt Du was, Gretchen, Du siehst so sehr angegriffen
aus, ich werde unseren Freundinnen sagen, sie sollen
erst morgen gratulieren kommen, Du könntest heute
niemand empsangen, wenigstens bist Du heilte vormittag
ungestört und kannst Deine Kräfte sammeln für den Nach-
inittagl wer weiß, was Dir da nicht noch alles bevorstehtl"
flüsterte die Freundin mit einein bedeutungsvollen Lächeln. Mar-
garete drückte ihr dankbar die pand. „So, jetzt will ich aber
auch gehen, damit Du vollkommene^Ruhe hast, Du armes perzl"
Bei diesen Worten küßte sie die Patientin auf die Stirn und
verabschiedete sich ohne auf deren Einwendungen zu hören.
„Morgen früh bin ich schon ganz zeitig wieder hier, da
mußt Du mir sehr viel erzählenl"
Das beklagenswerte Vpfer der Influenza wartete und
wartete. Die Stunden des Nachmittags verrannen langsam
eine nach der andern. Ls erschien niemand, vergeblich be-
mühten sich die gnten Litern etwas Festfreude auf den blassen
Wangen des einzigen Töchterchens hervorzurufen und sie schrie-
ben es nur der Krankheit zu, daß die schwarzen Augen so trübe
blickten und der kleine, sonst so bewegliche Mund hartnäckig ge-
schlossen blieb. — Am nächsten Tag schon um neun Uhr kam die
Freundin wieder, wie sie es versprochen. Lin prüfender Blick
auf die Leidende, dann fragte sie bedauerlich: „Lr ist wohl doch
nicht dagewesen?" Da brach Margarete in Thränen aus.
Die Freundin umfaßte sie und suchte sie zu beschwichtigen.
„Aber Gretchen, liebes Mädel, Du wirst doch nicht weinen, was
sollen die anderen denken, wenn sie nachher gratulieren kommen.
Mach Dir doch nichts daraus, er hat gewiß Dienst gehabt oder
war zum (Obersten eingeladen." — „Dder hat auf dem Wege
rmch hier den pals gebrochenl" sagte der dunkle Lockenkopf halb
lachend, halb weinend, „aber Du hast recht, zu weinen brauche
ich deshalb nicht, es war sehr töricht von mir. Aber einen
Gruß hätte er mir wenigstens schicken können!" Jin selben
Augenblick rasselte unten der Postwagen vorbei und hielt mit
einem Ruck vor der pausthür an. Die beiden Mädchen horchten
unwillkürlich auf, Margaretens Freundin lief ans Fenster und
rief ganz aufgeregt: „Line Kiste, eine Kiste, die ist sicher
für Dich!"
Ls klingelte draußen, inan öffnete, und das Stubenmädchen
brachte eine Kiste in das Krankenzimmer, fragend, ob sie die-
selbe öffnen solle. „Natürlich, aber gleich hier!" rief die Tochter
des pauses. während das Mädchen die Werkzeuge dazu Holle,
studierte die Freundin die Adresse. „Aus Breslau, von Köhler,
ist das nicht das berühmte Blumengeschäft?"
„Ja natürlich, siehst Du, er hat mich doch nicht ver-
gessen!"
Das Mädchen öffnete die Kiste und brachte sie zu der
Kranken, eifrig entfernten die beiden Freundinnen eine Menge
Seidenpapier und feuchte Watte und dann kam unter einem
lauten bewundernden: „Ah!" ein prachtvoller Blumenstrauß zum
Vorschein, Rosen und (Orchideen in harmonischer Farbenzn-
sammenstellung. Gretchen drückte das erglühende Gesicht in die
duftenden Blüten, während die andere ihre Aufmerksamkeit der
graziös angebrachten Schleife zuwandte: „Sieh' bloß, Deine
Lieblingsfarbe, wie sinnig!"
„wirklich entzückend. Aber sag' mal, ist denn seine Karte
dabei?" fragte Gretchen und die gefällige Freundin tauchte so-
fort in die Tiefen der leeren Kiste, brachte auch richtig ein
Louvert znm Vorschein und reichte es der Kranken. Diese zog
die Visitenkarte aus demselben, las und stutzte plötzlich, während
tu
von dem Menschen, ich will
„aber thu' mir
das glückselige Lächeln wie nut
einem Schlage von ihren Lippen
verschwand. Die andere junge
Dame hatte ihr natürlich über
die Schulter gesehen und erschrak
ebenso, „wer ist denn das?
fragte sie dann aufs höchste
erstaunt, „Rungert, Premier¬
lieutenant im (0. Infan¬
terie-Regiment".— „Kenn'
ich gar nicht!" rief die
Kranke ärgerlich und warf
die Karte samt dem ihr
nun gründlich verleideten
Bouquet verächtlich beiseite.
„wie kommt denn so ein
wildfremder dazu, mir einen
Strauß zu schicken, solche Un-
verschämtheit!"
„Ja was dein einfällt!"
sagte die Freundin, hob die
Karte auf und betrachtete sie
angelegentlich, „der ist übrigens
im selben Regiment, wie ..."
„Ach, sprich mir nicht mehr
nichts mehr hören!" rief der Lockenkopf heftig,
die Liebe und steck das dumme Bouquet mit der Karte weg,
ehe die anderen Mädchen kommen, ich könnte das viele Fragen
nicht mit anhören!"
Die Freundin that nach ihrem Wunsch, schob dann die
Kiste in einen Winkel und es war auch höchste Zeit; denn eben
klingelte es draußen und eine junge Dame nach der andern trat
lachend, glückwünschend und blumenspendend ins Zimmer. Die
kleine Kranke zwang sich ebenfalls ein freundliches Lächeln auf
die zuckenden Lippen und nahm alles mit erheuchelter Freude
entgegen, während sie im stillen sich darnach sehnte, allein zu
sein und sich so recht von Perzen auszuweinen.
U9
Des Lebens Tandelmarkt.
as ist der große Tandelmarkt der Welt,
Das bunte Possenspiel, das mir gefällt,
In seiner Mitte steht ein Karussell,
„perbei, ihr Narren und besteigt es schnell!
Pier findet ihr, was euer Perz begehrt,
Lin jeder liebt ein andres Steckenpferd.
. Ls dreht das Karussell sich schnell im Kreis,
Lin jeder hoffet auf den ersten Preis,
Der eine schielt nach einem Ruhmeskranz,
Der andre liebet Saus und Braus und Tanz,
Der dritte wählet sich gelehrte war',
Der vierte aber wünscht sich recht viel bar.
Ihr werte perr'n und Damen frisch heran,
Pier ist zu haben, was man wünschen kann!
Für arme Perr'n von Adel und mit Tileln
pab' Damen ich mit ungeheuren Mitteln;
Kurz alles hab' ich, was das Perz begehrt,
Drum wär ich froh, wenn ihr mich heut beehrt."
Bajazzo spricht's, hell seine Schelle klingt
So mancher frisch aufs Karussel sich schwingt.
Ich aber ging so stillvergnügt nach paus
Und lachte mich und lachte andre aus,
Und fröhlich hab' ich im Gemüt erkannt
Lin jeder ist ein Narr auf eigne pand;
Denn wenn das bißchen Narrheit hier nicht wär',
Das Leben würde öd und liebeleer
Und als Diogenes ans seiner Tonne
Stieg jeder Lrdenkloß ans Licht der Sonne.
_ Albrecht Hirsch.
Rus öen Tagen der Influeiya.
sHeißt Du was, Gretchen, Du siehst so sehr angegriffen
aus, ich werde unseren Freundinnen sagen, sie sollen
erst morgen gratulieren kommen, Du könntest heute
niemand empsangen, wenigstens bist Du heilte vormittag
ungestört und kannst Deine Kräfte sammeln für den Nach-
inittagl wer weiß, was Dir da nicht noch alles bevorstehtl"
flüsterte die Freundin mit einein bedeutungsvollen Lächeln. Mar-
garete drückte ihr dankbar die pand. „So, jetzt will ich aber
auch gehen, damit Du vollkommene^Ruhe hast, Du armes perzl"
Bei diesen Worten küßte sie die Patientin auf die Stirn und
verabschiedete sich ohne auf deren Einwendungen zu hören.
„Morgen früh bin ich schon ganz zeitig wieder hier, da
mußt Du mir sehr viel erzählenl"
Das beklagenswerte Vpfer der Influenza wartete und
wartete. Die Stunden des Nachmittags verrannen langsam
eine nach der andern. Ls erschien niemand, vergeblich be-
mühten sich die gnten Litern etwas Festfreude auf den blassen
Wangen des einzigen Töchterchens hervorzurufen und sie schrie-
ben es nur der Krankheit zu, daß die schwarzen Augen so trübe
blickten und der kleine, sonst so bewegliche Mund hartnäckig ge-
schlossen blieb. — Am nächsten Tag schon um neun Uhr kam die
Freundin wieder, wie sie es versprochen. Lin prüfender Blick
auf die Leidende, dann fragte sie bedauerlich: „Lr ist wohl doch
nicht dagewesen?" Da brach Margarete in Thränen aus.
Die Freundin umfaßte sie und suchte sie zu beschwichtigen.
„Aber Gretchen, liebes Mädel, Du wirst doch nicht weinen, was
sollen die anderen denken, wenn sie nachher gratulieren kommen.
Mach Dir doch nichts daraus, er hat gewiß Dienst gehabt oder
war zum (Obersten eingeladen." — „Dder hat auf dem Wege
rmch hier den pals gebrochenl" sagte der dunkle Lockenkopf halb
lachend, halb weinend, „aber Du hast recht, zu weinen brauche
ich deshalb nicht, es war sehr töricht von mir. Aber einen
Gruß hätte er mir wenigstens schicken können!" Jin selben
Augenblick rasselte unten der Postwagen vorbei und hielt mit
einem Ruck vor der pausthür an. Die beiden Mädchen horchten
unwillkürlich auf, Margaretens Freundin lief ans Fenster und
rief ganz aufgeregt: „Line Kiste, eine Kiste, die ist sicher
für Dich!"
Ls klingelte draußen, inan öffnete, und das Stubenmädchen
brachte eine Kiste in das Krankenzimmer, fragend, ob sie die-
selbe öffnen solle. „Natürlich, aber gleich hier!" rief die Tochter
des pauses. während das Mädchen die Werkzeuge dazu Holle,
studierte die Freundin die Adresse. „Aus Breslau, von Köhler,
ist das nicht das berühmte Blumengeschäft?"
„Ja natürlich, siehst Du, er hat mich doch nicht ver-
gessen!"
Das Mädchen öffnete die Kiste und brachte sie zu der
Kranken, eifrig entfernten die beiden Freundinnen eine Menge
Seidenpapier und feuchte Watte und dann kam unter einem
lauten bewundernden: „Ah!" ein prachtvoller Blumenstrauß zum
Vorschein, Rosen und (Orchideen in harmonischer Farbenzn-
sammenstellung. Gretchen drückte das erglühende Gesicht in die
duftenden Blüten, während die andere ihre Aufmerksamkeit der
graziös angebrachten Schleife zuwandte: „Sieh' bloß, Deine
Lieblingsfarbe, wie sinnig!"
„wirklich entzückend. Aber sag' mal, ist denn seine Karte
dabei?" fragte Gretchen und die gefällige Freundin tauchte so-
fort in die Tiefen der leeren Kiste, brachte auch richtig ein
Louvert znm Vorschein und reichte es der Kranken. Diese zog
die Visitenkarte aus demselben, las und stutzte plötzlich, während
tu
von dem Menschen, ich will
„aber thu' mir
das glückselige Lächeln wie nut
einem Schlage von ihren Lippen
verschwand. Die andere junge
Dame hatte ihr natürlich über
die Schulter gesehen und erschrak
ebenso, „wer ist denn das?
fragte sie dann aufs höchste
erstaunt, „Rungert, Premier¬
lieutenant im (0. Infan¬
terie-Regiment".— „Kenn'
ich gar nicht!" rief die
Kranke ärgerlich und warf
die Karte samt dem ihr
nun gründlich verleideten
Bouquet verächtlich beiseite.
„wie kommt denn so ein
wildfremder dazu, mir einen
Strauß zu schicken, solche Un-
verschämtheit!"
„Ja was dein einfällt!"
sagte die Freundin, hob die
Karte auf und betrachtete sie
angelegentlich, „der ist übrigens
im selben Regiment, wie ..."
„Ach, sprich mir nicht mehr
nichts mehr hören!" rief der Lockenkopf heftig,
die Liebe und steck das dumme Bouquet mit der Karte weg,
ehe die anderen Mädchen kommen, ich könnte das viele Fragen
nicht mit anhören!"
Die Freundin that nach ihrem Wunsch, schob dann die
Kiste in einen Winkel und es war auch höchste Zeit; denn eben
klingelte es draußen und eine junge Dame nach der andern trat
lachend, glückwünschend und blumenspendend ins Zimmer. Die
kleine Kranke zwang sich ebenfalls ein freundliches Lächeln auf
die zuckenden Lippen und nahm alles mit erheuchelter Freude
entgegen, während sie im stillen sich darnach sehnte, allein zu
sein und sich so recht von Perzen auszuweinen.