lempora. mutLntur.
„Ich machte eine etwas ungläubige
Miene zu seiner Versicherung und wollte
eben seine Werkstätte verlassen, als mein
Blick auf ein winziges rotes Röckchen und
ein ebenso winziges gelbes pöschen fiel, die
auf einem kleinen Tisch ausgebreitet lagen.
„Alle Wetter!" rief ich erstaunt aus,
„für wen ist denn dieser Miniatur-Anzug
eigentlich bestimmt?"
„Der kommt ins Damenpensionat .von
Madame Labonville . . .
„Ins Damenpensionat von Madame Labon-
ville?" unterbrach ich ihn. „Aber was in aller
Welt, soll denn mit diesem roten Röckchen und
mit diesen gelben pöschen geschehen?"
„Ja", meinte der Schneidermeister, „mit
diesem winzigen Anzuge hat es sein eigenes
Bewandtnis. Madame Labonville hält streng
darauf, daß in ihrem Pensionat alles vermieden
wird, was nur im geringsten anstößig erschei-
nen könnte. Vorgestern haben nun die
Pensionärinnen im Inftitutsgarten ein Lebe-
wesen eingefangen, das sie in den Speise-
saal verbrachten, um sich dort mit dem Be-
schauen desselben zu vergnügen. Als sie eben
daran waren durch das nähere Betrachten
des Lingefangenen auch ihre zoologischen
Kenntnisse zu erweitern, und somit das Nütz-
liche mit dem Angenehmen zu verbinden,
ging die Thüre auf und Madame Labonville
trat in den Speisesaal.
Mit langsam abgemessenen, feierlichen
Schritten trat sie auf den Knäuel der Pen-
sionärinnen zu, der sich um das einge-
fangene Ding gebildet hatte.
Kaum hatte sie jedoch gesehen, was die
Neugierde der Fräulein so sehr erregt
hatte, als sie dasselbe ihren Schülerinnen
rasch vor der Nase wegnahm und es mir
brachte, damit ich ihm einen Anzug mache.
Dieser hier ist es" — er zeigte dabei auf den
Miniaturanzug — „und heute Abend noch wird
das Mesen, dessen Nacktheit so sehr das Miß-
fallen von Madame Labonville erregte, mit
ihm bekleidet sein, somit die Pensionärin-
nen auch fernerhin sich an den lustigen
Sprüngen ihres — Laubfrosches im Glase,
wenn er im Gigerlkostüm nach den
Fliegen hüpft, erfreuen können." W. H