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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 29.1897 (Nr. 327-339)

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Nr. 332
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https://doi.org/10.11588/diglit.28505#0063
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INeggendorfers Hunoristische Blätter.

59

Lakonisch.


Diener: „Hier ist eine Kartell'
Herr (lesend); „wenn das Wetter sich anfklärt, will meine Schwieger-
mutter morgen kommen." (Am Abend): „Jean, worauf zeigt der
Barometer?"
Jean: „Schwiegermutter!"

geschah. Leider mußten das viele der vorzeitig hervorgesproßten
Blümchen büßen und manches Maßliebchen, das sich darauf
Hoffnung gemacht hatte unter schönen Fingern für einen hüb-
schen Lieutenant im poetischen „Er liebt mich — er liebt mich
nicht ... ", seine Blumenseele aushauchen zu können, fand
dabei sein frühes Grab.
Aber nicht nur auf die zarten Blümchen der Au hatte der
Witterungsnmschlag ungünstig eingewirkt, sondern auch auf die
Menschen. Husten, Katarrh u. s. w. waren sein Gefolge ge-
wesen.
Da war zürn Beispiel der Bursche des Herrn Obersten von
Alarm! Konnte es etwas bejammernswerteres geben als ihn?
Gestern Abend noch hatte er, den lindwehenden Frühlingslüften
vertrauend, im „Schneidigen Röß'l" in Hemdärmeln Kegel ge-
schoben und heute lag er da auf seinem Strohsacke in dem
kleinen Stübchen neben dein Stalle und hatte die schönste Grippe.
Der Herr Oberst, welcher Junggeselle war, hatte, als morgens
auf sein Läuten niemand erschienen war, selbst im Stalle nach-
gesehen, wo er seinen Burschen in diesem Zustande gefunden
hatte und dann in die Kaserne telephoniert, daß man ihm so-
fort einen andern Mann kommandiere, der die Pferde versorge
und ihm selbst die gewohnten Handreichungen leiste. Eine
Stunde später ritt er, trotz des gräulichen Wetters, aus und
den Burschen brachte man zur ärztlichen Behandlung in das
Krankenhaus.
Der Oberst nahm seinen weg gegen den etwas erhöht
gelegenen Exerzierplatz. Er war in tiefen Gedanken, plötzlich
hielt er an, wandte sein Pferd und sah nun hinab auf das
kleine Städtchen, dessen erste, langgestreckte Gebäude sein Augen-
merk besonders fesselten, dann nickte er vor sich hin — er war

nun mit sich im reinen. „Sehr günstig!" kleidete er
seine Gedanken unwillkürlich in Morte, „sehr günstig!
der Kerl, der Franz" — er meinte seinen Burschen —
„hätte es doch herausbekommen, wenn ich mal hätte
alarmieren wollen, denn er kennt mich nun schon zn
lange, nm mir nicht alles am Gesichte abznlesen; er
hätte dann sicher nicht den Mund gehalten und mit
der Ueberraschung wäre es nichts gewesen — jetzt aber
ist er für einige Tage versorgt und aufgehoben, nnn
will ich mal sehen, ob das Regiment hält, was es —
dem allgemeinen Eindruck nach — verspricht!"
Der Herr Oberst war heute, bei Tisch, die Liebens-
würdigkeit selbst und niemand konnte ihm das schwarze
Vorhaben ansehen, das er heute Nacht ausführen wollte
— im Gegenteil, als er fort war wurde sein Lob in
allen Tonarten gesnngen und diejenigen verlacht, welche
ihm noch immer nicht ganz trauen wollten. —
Mittlerweile war der Oberst nach Hause gekommen,
hatte sich den Aushilfsburschen heraufgerufen und gab
ihm die genaueste Instruktionen wie und wo er alles
zu finden gewohnt sei, ja er ging später sogar mit
hinab in den Stall und schärfte ihm nochmals auf das
Nachdrücklichste ein, daß alles und jedes was sowohl
Uniformen als pferdeausrüstnng beträfe, genau an
seinem Platze sei — was der Bursche, ein sauberer
Gefreiter, schnell zu begreifen schien.
Das Wetter wurde immer schlechter. Gegen Abend
glaubte man der ganze Himmel sei, wie ein paar Ulanen
in der Kaserne meinten, mit Stiefelwichse angestrichen
und dazu regnete es und wehte nichts weniger als eine
Frühlingsluft durch die Gaffen; heute legten sich die
Ulanen gerne aufs Ohr und die Offiziere, welche zum
größten Teile im „Goldenen Stern" beisammen saßen, ge-
dachten auch einen langen Schlaf zu thun.
Der Herr Oberst hatte den Abend zu Hause verbracht. Er
hatte ein Buch vorgenommen, sich auf die Chaiselongue ge-
streckt und so bis zwölf Uhr gelesen, dann hatte er sich
einen steifen Grog gebraut und endlich war er aufgestanden,
um sich langsam anzukleiden. Die Lampe vom Tische nehmend
und sich in sein Schlafzimmer begebend, sah er dortselbst, über
zwei Stühle gebreitet, die Uniformstücke, welche er befohlen
hatte, bereit liegen, nur hatte der Aushilfsgefreite den Fehler
gemacht, daß er, statt Achselstücke anfzulegen, Epauletten auf
den Waffenrock geknöpft hatte. „Esell" murmelte der Oberst
vor sich hin, „was ist da zu thun?" Gute Achselstücke mag ich
bei dem Wetter nicht nehmen und die getragenen hat er
drnnten auf meinen andern Röcken in seiner Stube auf dein
Kleiderrechen. Na, ich werde mal, ausnahmsweise selbst meinen
Burschen machen und mir 'nen Rock heraufholen, aber zuerst
das Licht auslöschen, damit nicht so'n verspäteter Lieutenant
der seinen Heimweg hier vorbei nimmt, Lunte riecht.
Leise öffnete er die Thüre des Burschenzimmers, nachdem
er vorher vorsichtig gehorcht hatte, ob sich der Gefreite nicht
etwa rühre; dieser jedoch schnarchte, daß die Wände zitterten
und mit kühnen: Griffe nahm er daher den ihm zunächst
hänqenden Waffenrock von: Nagel, drückte die Thüre leise
wieder zu, suchte geräuschlos sein Schlafzimmer wieder auf und
vollendete hier, damit, wie schon gesagt, nur ja kein vorwitziger,
spät heimkehrender Lieuteuant verdacht schöpfe, seine Toilette
im Dunkeln. Es war sehr angenehm, daß der Stabstrompeter,
als verheirateter, nicht in der Kaserne wohnte, sondern ein
Privatlogis in einer stillen Nebengasse des kleinen Städtchens
innehatte, so gelangte er auf Seitenwegen ohne gesehen worden
zu sein dahin nnd, wenn es auch Mühe und Zeit kostete diesen
aus dem Schlafe zu bringen, so war derselbe, als er vom Fen-
 
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