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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 29.1897 (Nr. 327-339)

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Nr. 334
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https://doi.org/10.11588/diglit.28505#0083
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Meggendorfers Humoristische Blätter.


Der Schwerenöter.

Junge Frau (welche iv dem Schreibtische ihres Genmhls eine große Unzahl Damen - Photographien
gefunden): „Wer sind diese Damen?"
Lieutenant: „Das sind die, welche Dich um Dein Glück speziell beneiden."


(Line bequeme Nährt.
Humoreske von R. Freund.
s war Heuer an einem prächtigen
Frühlingsmorgen, gegen die achte
Stunde. Auf dem Perron des Süd-
bahnhofs zu Wien gab es ein großes Ge¬
dränge, wie immer um diese Stunde. Der
Schnellzug Wien-Triest gehört zu den best¬
besetzten Oesterreichs. Auf das erste
Glockenzeichen füllten sich die Coupes,
nach dem zweiten gab es anscheinend
nirgends mehr ein Plätzchen.
In diesem Moment erschienen noch
zwei Reisende, der dicke Dichter L. und
der dünne Theaterdirektor H. Die beiden
liebten einander nicht sonderlich. Der
Dünne hatte wiederholt die Stücke des
Dicken zurückgewiesen und dieser hatte
sich hierfür durch einige bissige Epigramme
gerächt. Aber die Not des Augenblicks
vereinigte sie diesmal zu gemeinsamen
Anstrengungen. „Geffnen Sie uns ein
Coupel" riefen sie wie aus einem Munde
dem Kondukteur zu und griffen dabei
beide nach der Brieftasche. Der Blaurock
verstand die Gebärde, lächelte, zuckte jedoch
die Achseln. „Ls ist leider keines mehr
frei — die Herren müssen sich trennen und
in den Coupes hier als der Achte unter-
kommen. Der Zug geht sogleich ab."
„Unmöglich!" rief der Direktor. „Ich
sterbe sonst auf dein Wege! Ich will in
einem Zuge nach Venedig — bis Venedig
bin ich tot!" „Auch ich will bis Venedig I"
rief der Dichter, ward aber dann merk¬
würdig ruhig und ein Lächeln blitzte über
sein Antlitz. „Herr Direktor!" flüsterte
er hastig, „acceptieren Sie «nein Lustspiel
und — ich schaffe ein freies Coupö!"
„Meinetwegen!" rief der cholerische,
aufgeregte Mann, „aber gleich." —
„Ihr Ehrenwort?"
„Zum Teufel — jal"
Ls war die höchste Zeit einen Platz
zu finden. Der Dicke trat an den Kondukteur heran. „Für
außerordentliche Fälle", sagte er, „muß immer ein Coupe in
jedem Zuge frei bleiben, für Erkrankte, den Inspektor rc."
„Ja — aber das kann ich Ihnen nicht geben!"
„Sie müssen!" flüsterte der Dichter nachdrücklich. Und er
fügte einige Worte hinzu, die in der That wie eine Beschwö-
rungsformel wirkten. Der Kondukteur blickte bestürzt zuerst den
Dicken, dann den Dünnen an und öffnete hierauf schleunigst das
reservierte Coupe. Der Zug setzte sich in Bewegung, knapp
nachdem die beiden eingestiegen.
„Wie haben Sie das nur gemacht?" fragte der Direktor
und streckte sich behaglich in eine Ecke.
„Der Poet ist ein Zauberer!" erwiderte der Dicke. „Nach
dieser Talentprobe werden Sie nicht mehr an mir zweifeln!
Und mein Lustspiel — "
Der Kondukteur unterbrach ihn. Er öffnete die Thüre und
erbat sich die Billets. Auf den Dünnen warf er dabei einen
langen, durchdringenden Blick.
„warum sehen Sie mich so an?" fuhr dieser auf.
Der Kondukteur gab keine Antwort, er schüttelte mitleidig

lächelnd das Haupt und verschwand.
„Kurioser Mensch!" rief ihm der cholerische nach, während
der Dichter seltsam schmunzelte. Der Zug pfiff an Mödling
vorüber und weiter ging's in das Rebengelände des südlichen
wiener Waldes. Die beiden Reisegefährten plauderten fröhlich
mit einander und spielten dann eine Partie Pikett.
Nach einer halben Stunde hielt der Zug zum ersten Male
im Bahnhofe des Kurortes Baden. Auf dem Perron standen
einige wiener, die in diesem Städtchen ihre Sommerfrische
hielten, darunter ein Bekannter des Direktors.
„He da!" rief dieser dem Kondukteur zu, „öffnen Sie —
es ist doch Zeit?"
Der Mann blickte ihn lächelnd an und machte keine An-
stalten, den Wunsch zu erfüllen.
„was heißt das?" rief der Direktor. „Geffnen Sie sofort!"
Der Mann zuckte die Achseln und regte sich nicht. „Sie Unver-
schämter!" brauste der Direktor auf. wieder lächelte der Mann
und sprang dann auf das Trittbrett des nächsten Wagens. Der
Zug setzte sich wieder in Bewegung, „was soll das heißen?"
wandte sich der Aufgeregte an seinen Reisegefährten.
 
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