Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 29.1897 (Nr. 327-339)

DOI Heft:
Nr. 336
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.28505#0104
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
sOO

Meggendorfers Humoristische Blätter.


„Jawohl!" sprach der Bursche und nickte dabei nach-
drücklichst mit dem Kopfe. „Daß Du mir eine Deiner Gaben
gibst!"
„Und mit welchem Rechte darfst Du —"
„Mit welchem Rechte ich es fordern kann?" rief er. „Ich
bin ein Sonntagskind!"
Das Glück betrachtete den dreisten Burschen vom Kopfe
bis zu den Füßen.
„Dir," sprach es
dann, „Dir gebe ich
nichts!"
.Nicbts?"
.Nichts!" wieder¬
holte das Glück.
„Li — und warum
denn ?" fragte der Bursche
heftig.
weil Du auch ohne
mich erreichen wirst, was
Du wünschest!"
wirklich?"
.Ja, ja — gewiß!
Gehe nur!" versetzte das
Glück ungeduldig und
drehte ihm den Rücken.
Der Bursche blieb
noch ein weilchen stehen.
Das Glück aber beküm¬
merte sich um ihn nicht
mehr, sondern spielte
mit den Kindern weiter; so
gehen — und er ging. — —
Jahre kamen und gingen, gingen und kamen.
Blausonnig leuchtete der Himmel über dem eleganten
Seebade, blausonnig dehnte sich das Meer weithin in schim-
mernde Fernen.
Der Strand war einsam, denn es war um die Mittagszeit;
nur einige Kinder spielten mit dein Sande am Ufer.
Das Meer aber, das gewaltige, trügerische Meer war heute
guter Laune und spielte mit den Kindern.
Die Kleinen bauten Dämme und Wälle aus dem feinen
Sande und das Meer sandte kräuselnde wogen zum Strande,
drohte Damm und wall zu brechen und ließ zum Jubel der
Kinderschar die neckenden Wellen wieder zurückrollen.
Und hinter den Kindern saß lächelnd ihr Spiel betrachtend
— das Glück.
„Da bist Du ja wieder!" tönte es plötzlich neben diesem.
Das Glück blickte auf und sah in vornehmer Kleidung mit
aufgespanntem Sonnenschirme einen Mann, der es aus stahl-
grauen Augen scharf betrachtete.
„Kennst Du mich nicht mehr?" sprach der Mann.
„Dich?"
„Jawohl! Ich bin das Sonntagskind, das Dich vor Jahren
einmal in: Walde — weißt Du noch, wo Du mit den Kindern
blinde Kuh spieltest — um eine Gabe anging und das Du so
hart von Dir gewiesen!"
„Du?" versetzte das Glück den Mann musternd. „Damals
war Deine Gesicht glatt und Dein Haupt dunkel, jetzt trägt
Deine Stirne Furchen und das Haar will Dir auf den Schläfen
grau werden. Du hast Dich sehr verändert!"
„Du aber gar nicht! Heute wie damals bist Du müßig
und unter Kindern!"

„Ls gefällt mir so!" entgegnete das Glück selbstherrisch.
„Ja, das sagtest Du damals auch!"
„Gut! Und was willst Du von nur?"
„Ich?" rief der Mann. „Nichts, o, gar nichts!"
„Nichts?" fragte das Glück einigermaßen befremdet.
„Nichts!" erwiderte der Mann und warf sich in die Brust.
„Ich habe erreicht, was ich erreichen wollte: ich war ein armer
Teufel, jetzt bin ich reich."
„Li, was Du alles
erreicht hast!"
„Und alles ohne
Dich —- allein — aus
eigener Kraft —"
„Und wie hast Du
das angefangen?" fragte
das Glück lächelnd.
„Ja, wie ich das
angefangen I" rief der
Mann. „Ich sah, daß
die Menschen die Be-
scheidenen und Sanften
unsanft bei Seite schoben,
da schob ich die Schieber
rücksichtslos weg. Nie
bat ich, wo ich fordern
konnte und forderte mehr,
als ich verlangen durfte
und weil ich mir alles
zugetraut, habe ich viel
erreicht!"
„Ja, ja — allein Dein Herz?"
„G, das ist ein armes verrücktes Ding — darum steckte
ich es in die Zwangsjacke der Vernunft und da —"
„Da kamen die Falten auf Deine Stirne!"
„Wohl — doch ich in die Höhe!"
„Ja, ich wußte, daß Du es weit bringen würdest, auch
ohne mich."
„Das ist wahr!" sprach der Mann. „Aber wie — wie
konntest Du es damals wissen?"
„Ls stand auf Deiner Stirne geschrieben!" versetzte das
Glück ernst.
„Auf meiner Stirne?" verwunderte sich der Mann.
„Gewiß! Dort stand, daß Du ein modernes Sonntagskind
bist und nur Sonntagskindern gibt die Natur das Beste, was
sie Menschen bieten kann!"
„Und — und was ist das?" fragte der Mann hastig.
„Das?" versetzte das Glück, „das ist eine — eiserne
Stirne!"

Urteil der Jugend.
E^ichts ist wie die Jugend so ungerecht;
Sie schätzt sich nach dem, was sie werden möcht'
Und schätzt das Alter zu gleicher Frist
Nach dem, was es wirklich geworden ist. W. E.

Kasernenhofblüten.
Unteroffizier: „Kerl, Sie sind in Uebe r-Lebensgrö ße
dum in!" _
Unteroffizier: „Meier, so wie Sie dastehen, können Sie
sich frischweg in jedes Witzblatt kleben lassen!"

blieb ihm nichts übrig, als zu


Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und Verlag von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
Geschäftsstelle in München, Schubertstratze 6.
 
Annotationen