Meggendorfers Humoristische Blätter.
sO9
lKedienien-Areude.
Bheim: „ . . . .Ja lieber Karl, 's geht nicht mehr so rechtI
das war 'ne andre Zeit als ich auf der Universität ein
flotter Bursche war!"
Lieutenant: „Was soll das, Schnucke?"
Bursche: „Hihihi! ich freu' mich, daß der Herr Gnkel auch
mal Bursche gewesenl"
Äello und Geige.
Humoreske von Th. Müller.
odern, modern, modern! Die heutige Losung. Alles
> I drängt danach — im Handel, im Wandel, in der Kunst,
in der Liebe. Auch in der Liebe, da eigentlich erst
recht. Dieser letztere Punkt ist sogar der Hauptpunkt und die
moderne Menschheit hat es in diesem schon zu wunderschönen
Resultaten gebracht.
Aber trotzdem laufen noch immer — ganz unglaublich! —
genug Exemplare der Gattung lromo sapiens umher, welche sich
das allerwärts herausgeworfene Ideal im Busen bewahrten und
altväterischen: Rezepte nach sich verlieben, verloben, verheiraten
und dabei ihr Glück finden — wie sie behaupten.
Bon zwei solchen Gefiihlsiibermenschen handelt diese kleine
Geschichte.
Egon und Amanda hatten sich eines Tages auf der Straße
gesehen und sofort „zum sterben" in einander verliebt. Der
Aufruhr, in dem sich ihr Inneres befand, nachdem sie sich Auge
in Auge geblickt, ist nicht zu beschreiben: diese oder keine! . . .
dieser oder keiner! Natürlich zog's die beiden nach der Art
solcher sentimentaler, hypergefühlvoller Menschen in die Ein-
samkeit, um den so plötzlich über sie gekommenen,Traum vom
Glück* fortzuspiunen. Nicht lange nach der Begegnung saß
Egon auch richtig in seinen: hocheleganten Parterresalon im
Lottageviertel draußen und spintisierte vor sich hin.
Seine übervolle Seele drängte danach, ihr Glück in eine
andere gleich gestimmte überzugießen, zu dieser Stunde pflegte
aber keiner seiner Freunde zu kommen und dem dämlichen Kerl
Jean, dein Bedienten, mit dem er zusammenhauste, konnte
er doch unmöglich an die Brust sinken. -— Ich glaube annehmen
zu dürfen, daß Adam nach den: Schlafe, der ihn seine beste
Rippe kostete, Eva nicht sofort an seiner Seite erblickte — sie
hätte sonst kein Weib sein müssen — sie ließ sich natürlich
suchen. Und sie wurde gesucht. Adam lief mit einein ganz
eigentümlichen Gefühle an der Stelle der Herzgegend, von
dannen die Rippe stammte, umher, einein Gefühle, so unerträg-
lich, daß es fast zum physischen Schinerz wurde — die Sehn-
sucht war in das Menschenherz eingezogen. Aber so eine Eva
will überall die Potenz und darum ließ sie sich noch lange nicht
blicken. Der arme Kerl wußte mit seinen: Gefühle absolut
nicht wohin und die dummen Tiere verstanden ihn natürlich
nicht. In dieser Zeit — ich bin der unumstößlichen Ueberzeug-
ung — erfand er das erste Musikinstrument. Es mag ja ein
ganz niederträchtiges Ding gewesen sein; aber er hatte nun
doch etwas zu thun und Thätigkeit macht jedes Leiden erträg-
lich. — — Und was that Egon? Sehr einfach; nachdem ihm
der Freundesbusen versagt war, nahm er seine Geige aus dem
Etui und begann sie schwärmerischen Blickes zu streichen.
Aber er hatte noch nicht lange gespielt, als er das Instru-
ment sinken ließ und erstaunt aufhorchte. Er wohnte erst ganz
kurze Zeit da und es gefiel ihn: sehr gut — hätte er aber das
ahnen können, es hätten ihn keine vier Pferde hieher gebracht,
denn da war er eigen. Er verlangte, wie alle Dilettanten,
wohl, daß man sein Geigenspiel, das man als „unter aller
Kanone" bezeichnen konnte, ohne ihm im geringsten zu nahe
zu treten, anhöre, verwahrte sich aber auf das Energischste, wenn
ihn: solches von andern wiederfuhr.
Und da droben, direkt über ihm, saß nun so ein Kerl!
Ein Cellist war's. Und solche Spielerei! Ja, weun's die Energie
allein thäte! Dieser Kerl schien den Bogen mit einem drei-
pferdekräftigen Motor verbunden zu haben, so rasselte, quietschte,
stöhnte und ächzte das Instrument.
Da schlage doch gleich das Wetter drein! Er war aus
allen seinen Himmeln geworfen und räumte das Feld. —
Egon und Amanda sahen sich in Zukunft öfter und öfter.
Ihre Leidenschaft zu einander wurde immer brennender und
daraufhin nach solchen Begegnungen Egons Geigenspiel immer
verwogener — aber auch das Lelio war genau zu gleicher Zeit
wie verrückt.
Heute nun war's ganz aus. Er war „ihr" nun wieder be-
gegnet und . . . und, seinen ganzen Mut zusammennehmend,
hatte er ihr mit tiefer, stummer Verbeugung eine Rose über-
reicht, die auch, und mit welchen: Blicke, angenommen wurde!
Er war förmlich heimgeflogen zu seiner Geige; aber kau::: saß
er da, so war auch dieser Kerl mit den: Cello in einer Thätig-
keit, die alles bisher erlebte weit in den Schatten stellte.
Egon sprang auf und hob seinen schwarzen, modern ge-
schorenen Kopf mit den lodernden Augen und dem überaus
kecken Derfflinger-Schnurrbart mit einem wütenden Rucke gegen
die Decke. Geige und Bogen flogen unter den Arm, die Rechte
ballte sich zur Faust und wie grollender Donner schallte seine
Stimme:
„V daß dich neunundneunzig mal der Hölle Schlund ver-
schlänge, du Verschwender meiner zartesten Gefühle! Elender
wicht und Aftermieter — denn die drei Frauenzimmer, welche,
wie mir Jean sagt, dort oben wohnen sollen, hätten zusam-
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lKedienien-Areude.
Bheim: „ . . . .Ja lieber Karl, 's geht nicht mehr so rechtI
das war 'ne andre Zeit als ich auf der Universität ein
flotter Bursche war!"
Lieutenant: „Was soll das, Schnucke?"
Bursche: „Hihihi! ich freu' mich, daß der Herr Gnkel auch
mal Bursche gewesenl"
Äello und Geige.
Humoreske von Th. Müller.
odern, modern, modern! Die heutige Losung. Alles
> I drängt danach — im Handel, im Wandel, in der Kunst,
in der Liebe. Auch in der Liebe, da eigentlich erst
recht. Dieser letztere Punkt ist sogar der Hauptpunkt und die
moderne Menschheit hat es in diesem schon zu wunderschönen
Resultaten gebracht.
Aber trotzdem laufen noch immer — ganz unglaublich! —
genug Exemplare der Gattung lromo sapiens umher, welche sich
das allerwärts herausgeworfene Ideal im Busen bewahrten und
altväterischen: Rezepte nach sich verlieben, verloben, verheiraten
und dabei ihr Glück finden — wie sie behaupten.
Bon zwei solchen Gefiihlsiibermenschen handelt diese kleine
Geschichte.
Egon und Amanda hatten sich eines Tages auf der Straße
gesehen und sofort „zum sterben" in einander verliebt. Der
Aufruhr, in dem sich ihr Inneres befand, nachdem sie sich Auge
in Auge geblickt, ist nicht zu beschreiben: diese oder keine! . . .
dieser oder keiner! Natürlich zog's die beiden nach der Art
solcher sentimentaler, hypergefühlvoller Menschen in die Ein-
samkeit, um den so plötzlich über sie gekommenen,Traum vom
Glück* fortzuspiunen. Nicht lange nach der Begegnung saß
Egon auch richtig in seinen: hocheleganten Parterresalon im
Lottageviertel draußen und spintisierte vor sich hin.
Seine übervolle Seele drängte danach, ihr Glück in eine
andere gleich gestimmte überzugießen, zu dieser Stunde pflegte
aber keiner seiner Freunde zu kommen und dem dämlichen Kerl
Jean, dein Bedienten, mit dem er zusammenhauste, konnte
er doch unmöglich an die Brust sinken. -— Ich glaube annehmen
zu dürfen, daß Adam nach den: Schlafe, der ihn seine beste
Rippe kostete, Eva nicht sofort an seiner Seite erblickte — sie
hätte sonst kein Weib sein müssen — sie ließ sich natürlich
suchen. Und sie wurde gesucht. Adam lief mit einein ganz
eigentümlichen Gefühle an der Stelle der Herzgegend, von
dannen die Rippe stammte, umher, einein Gefühle, so unerträg-
lich, daß es fast zum physischen Schinerz wurde — die Sehn-
sucht war in das Menschenherz eingezogen. Aber so eine Eva
will überall die Potenz und darum ließ sie sich noch lange nicht
blicken. Der arme Kerl wußte mit seinen: Gefühle absolut
nicht wohin und die dummen Tiere verstanden ihn natürlich
nicht. In dieser Zeit — ich bin der unumstößlichen Ueberzeug-
ung — erfand er das erste Musikinstrument. Es mag ja ein
ganz niederträchtiges Ding gewesen sein; aber er hatte nun
doch etwas zu thun und Thätigkeit macht jedes Leiden erträg-
lich. — — Und was that Egon? Sehr einfach; nachdem ihm
der Freundesbusen versagt war, nahm er seine Geige aus dem
Etui und begann sie schwärmerischen Blickes zu streichen.
Aber er hatte noch nicht lange gespielt, als er das Instru-
ment sinken ließ und erstaunt aufhorchte. Er wohnte erst ganz
kurze Zeit da und es gefiel ihn: sehr gut — hätte er aber das
ahnen können, es hätten ihn keine vier Pferde hieher gebracht,
denn da war er eigen. Er verlangte, wie alle Dilettanten,
wohl, daß man sein Geigenspiel, das man als „unter aller
Kanone" bezeichnen konnte, ohne ihm im geringsten zu nahe
zu treten, anhöre, verwahrte sich aber auf das Energischste, wenn
ihn: solches von andern wiederfuhr.
Und da droben, direkt über ihm, saß nun so ein Kerl!
Ein Cellist war's. Und solche Spielerei! Ja, weun's die Energie
allein thäte! Dieser Kerl schien den Bogen mit einem drei-
pferdekräftigen Motor verbunden zu haben, so rasselte, quietschte,
stöhnte und ächzte das Instrument.
Da schlage doch gleich das Wetter drein! Er war aus
allen seinen Himmeln geworfen und räumte das Feld. —
Egon und Amanda sahen sich in Zukunft öfter und öfter.
Ihre Leidenschaft zu einander wurde immer brennender und
daraufhin nach solchen Begegnungen Egons Geigenspiel immer
verwogener — aber auch das Lelio war genau zu gleicher Zeit
wie verrückt.
Heute nun war's ganz aus. Er war „ihr" nun wieder be-
gegnet und . . . und, seinen ganzen Mut zusammennehmend,
hatte er ihr mit tiefer, stummer Verbeugung eine Rose über-
reicht, die auch, und mit welchen: Blicke, angenommen wurde!
Er war förmlich heimgeflogen zu seiner Geige; aber kau::: saß
er da, so war auch dieser Kerl mit den: Cello in einer Thätig-
keit, die alles bisher erlebte weit in den Schatten stellte.
Egon sprang auf und hob seinen schwarzen, modern ge-
schorenen Kopf mit den lodernden Augen und dem überaus
kecken Derfflinger-Schnurrbart mit einem wütenden Rucke gegen
die Decke. Geige und Bogen flogen unter den Arm, die Rechte
ballte sich zur Faust und wie grollender Donner schallte seine
Stimme:
„V daß dich neunundneunzig mal der Hölle Schlund ver-
schlänge, du Verschwender meiner zartesten Gefühle! Elender
wicht und Aftermieter — denn die drei Frauenzimmer, welche,
wie mir Jean sagt, dort oben wohnen sollen, hätten zusam-