Meine Aur.
hohen wert dieser Tierchen für mich und die Wissenschaft nahe,
was ihn sehr heiter stimmte. Linen schüchternen versuch an
meinem Werk zu arbeiten, mußte ich als unausführbar wieder
einstellen. Endlich gegen Abend, entfernte er sich, um seinen
Koffer von der Bahn zu holen, was mir eine willkommene
Gelegenheit bot, mich meinem Werk zu widmen.
Nachts um die dritte Stunde erwachte ich infolge eines
höllenmäßigen Lärms, den der peimkehrende durch Abreißen der
Thürklingel verursachte.
Ain Morgen des dritten Tages — Amadeus besichtigte die
Stadt — eröffnete mir Frau Iielisch, geborene Ungewitter,
daß sie den Preis der Wohnung aufschlagen müsse, falls ich
„den Menschen" noch länger zu beherbergen denke. Ls dauerte zwei
Tage, ehe ich den Mut fand, dein gottbegnadeten Künstler
diesen Bescheid so schonend als möglich beizubringen. — Um
Mitternacht kam Amadeus in ziemlich bierfröhlicher Stimmung
„nach paus". Als er sich mit meinem Schlafrock und meinen
Pantoffeln geschmückt, seinen gewichtigen Körper in eine be-
queme Lage gebracht, d. h. sich in meinem Langstuhl niederge-
lassen und die Füße auf den Tischrand gestreckt hatte, hielt ich
den Moment für gekommen. Ich saß über meiner Arbeit und
wagte ihn nicht anzublicken.
„Du, wie gefällt Dir nun eigentlich Berlin?" begann ich,
in einem Ton, so heiter er mir gelingen wollte.
„Mensch, stell nicht so blödsinnige FragenI"
„Na, ich meine nur, in welchem Viertel Du am liebsten
Dein sittsam Pein: aufschlagen möchtest?"
„Selbstredend in Berlin M: aber einstweilen wohnen wir
ja hier längst gut."
„Gewiß; aber denke Dir nur die Unverschämtheift die Alte
erklärt mir heute Morgen kurzweg, daß sie das Zimmer nicht
für zwei perren vermietet habe."
„Und das hast Du Dir ruhig sagen lassen, ohne sie in die
Luft zu sprengen?" rief Amadeus der sich inzwischen erhoben
hatte, um sich zu entkleiden und mein Lager zu besteigen.
„Allerdings habe ich das", erwiderte ich, indem ich mich an-
schickte, meinen Leib einer wahren Folterbank von Sopha anzu-
vertrauen. „Die Sache hat nämlich 'nen paken; ich habe der
Ldlen, vermutlich in eine»: Anfall von Größenwahn, bereits die
Miete für die nächsten zwei Monate eingehändigt."
Die schändlichste Lüge, die je über meine Lippen gekommen;
„Na, wenn Du ausziehen willst, bin ich schließlich nicht ab-
geneigt, die Bude zu behalten; natürlich würde ich Dir dann
bei Gelegenheit den Mietszins zurückerstatten. Ich bin Vir ja
auch wohl sonst noch 'ne Kleinigkeit schuldig."
Ich packte mich im Geist beim Wickel, schüttelte mich —
ebenfalls im Geist — einige male kräftig hin und her, und
begann dann , indem ich den Strumpf von: rechten Fuß zog:
„was Du da sagst, ist alles recht gut und schön; aber — hast
Du schon einmal wissenschaftlich gearbeitet?"
„Wissenschaftlich, hin; ich bin Künstler, wie Du weist;
wenn ich über einen neuen Vorwurf nachsinne, ist das doch un-
streitig eine wissenschaftliche Arbeit." Damit zog er die Decke
über die Schultern und kehrte das Gesicht der wand zu. Ich
dachte an die Berolina nut dem Koffer und sagte:
„Gewiß, natürlich; überhaupt sind wir bis jetzt vollkommen
einig. Aber was ich meine, ist folgendes, wenn ich an einen:
wissenschaftlichen Werk arbeite, so bedarf mein Auge der ge-
wohnten Ruhepunkte. Ich weiß, wenn ich es nach dorthin
schweifen lasse, ruht es auf jenen: englischen Stich, und so
weiter. Sollte ich meine Arbeit in einen: anderen Zimmer voll-
enden, in den: — ich blies die Lampe aus — in den: etwa
das Sopha an der anderen wand stände, und ich, um meinen
Geist in einem bewußten Gedankenkreis weilen zu lassen, auf
meinen: Sitz erst eine ganze Wendung nach rechts machen müßte,
so wäre das für mich nicht nur störend, sondern einfach un-
möglich. Du begreifst also", fuhr ich mit erhöhter Stimme fort,
„daß ich dieses Zimmer behalten muß, und zwar allein, und
daß Du Dir also in den nächsten Tagen eine eigene Wohnung
suchen mußt, bei deren Wahl ich Dir natürlich gern behilflich
bin." Meine Mhren schwelgten in dem ihnen ungewohnten
Tonfall meiner Stimme, und ich fühlte mich in diesen: Augen-
blick zur Wiederholung aller peldenthaten der Weltgeschichte
befähigt. _(Schluß folgt.)
Alan glaubt's ihm nicht.
Sonntagsjäger (der endlich einen Hasen geschossen): „Ach,
wenn's jetzt doch in der Stadt keinen wildpretlad en gäb'I"
Doppeltes Vergnügen.
— „wie fühlt sich denn Ihre studierte Frau Gemahlin an
Ihrer Seite?"
— „Die ist sehr glücklich! Sie zankt mich zuerst auf lateinisch
aus, um es mir dann zu übersetzen."
Kleiner Schäcker.
„vorhin behauptete ein perr, in: hiesige» Iuugfrauenverem
seien lauter Lngell" — „Finde ich gleichfalls; wollen
gnädiges Fräulein nicht auch beischweben?"
Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und Verlag von I. F. Schreiber, beide in Lßlingei: bei Stuttgart.
Geschäftsstelle in München: Schnbertstraste 6.
hohen wert dieser Tierchen für mich und die Wissenschaft nahe,
was ihn sehr heiter stimmte. Linen schüchternen versuch an
meinem Werk zu arbeiten, mußte ich als unausführbar wieder
einstellen. Endlich gegen Abend, entfernte er sich, um seinen
Koffer von der Bahn zu holen, was mir eine willkommene
Gelegenheit bot, mich meinem Werk zu widmen.
Nachts um die dritte Stunde erwachte ich infolge eines
höllenmäßigen Lärms, den der peimkehrende durch Abreißen der
Thürklingel verursachte.
Ain Morgen des dritten Tages — Amadeus besichtigte die
Stadt — eröffnete mir Frau Iielisch, geborene Ungewitter,
daß sie den Preis der Wohnung aufschlagen müsse, falls ich
„den Menschen" noch länger zu beherbergen denke. Ls dauerte zwei
Tage, ehe ich den Mut fand, dein gottbegnadeten Künstler
diesen Bescheid so schonend als möglich beizubringen. — Um
Mitternacht kam Amadeus in ziemlich bierfröhlicher Stimmung
„nach paus". Als er sich mit meinem Schlafrock und meinen
Pantoffeln geschmückt, seinen gewichtigen Körper in eine be-
queme Lage gebracht, d. h. sich in meinem Langstuhl niederge-
lassen und die Füße auf den Tischrand gestreckt hatte, hielt ich
den Moment für gekommen. Ich saß über meiner Arbeit und
wagte ihn nicht anzublicken.
„Du, wie gefällt Dir nun eigentlich Berlin?" begann ich,
in einem Ton, so heiter er mir gelingen wollte.
„Mensch, stell nicht so blödsinnige FragenI"
„Na, ich meine nur, in welchem Viertel Du am liebsten
Dein sittsam Pein: aufschlagen möchtest?"
„Selbstredend in Berlin M: aber einstweilen wohnen wir
ja hier längst gut."
„Gewiß; aber denke Dir nur die Unverschämtheift die Alte
erklärt mir heute Morgen kurzweg, daß sie das Zimmer nicht
für zwei perren vermietet habe."
„Und das hast Du Dir ruhig sagen lassen, ohne sie in die
Luft zu sprengen?" rief Amadeus der sich inzwischen erhoben
hatte, um sich zu entkleiden und mein Lager zu besteigen.
„Allerdings habe ich das", erwiderte ich, indem ich mich an-
schickte, meinen Leib einer wahren Folterbank von Sopha anzu-
vertrauen. „Die Sache hat nämlich 'nen paken; ich habe der
Ldlen, vermutlich in eine»: Anfall von Größenwahn, bereits die
Miete für die nächsten zwei Monate eingehändigt."
Die schändlichste Lüge, die je über meine Lippen gekommen;
„Na, wenn Du ausziehen willst, bin ich schließlich nicht ab-
geneigt, die Bude zu behalten; natürlich würde ich Dir dann
bei Gelegenheit den Mietszins zurückerstatten. Ich bin Vir ja
auch wohl sonst noch 'ne Kleinigkeit schuldig."
Ich packte mich im Geist beim Wickel, schüttelte mich —
ebenfalls im Geist — einige male kräftig hin und her, und
begann dann , indem ich den Strumpf von: rechten Fuß zog:
„was Du da sagst, ist alles recht gut und schön; aber — hast
Du schon einmal wissenschaftlich gearbeitet?"
„Wissenschaftlich, hin; ich bin Künstler, wie Du weist;
wenn ich über einen neuen Vorwurf nachsinne, ist das doch un-
streitig eine wissenschaftliche Arbeit." Damit zog er die Decke
über die Schultern und kehrte das Gesicht der wand zu. Ich
dachte an die Berolina nut dem Koffer und sagte:
„Gewiß, natürlich; überhaupt sind wir bis jetzt vollkommen
einig. Aber was ich meine, ist folgendes, wenn ich an einen:
wissenschaftlichen Werk arbeite, so bedarf mein Auge der ge-
wohnten Ruhepunkte. Ich weiß, wenn ich es nach dorthin
schweifen lasse, ruht es auf jenen: englischen Stich, und so
weiter. Sollte ich meine Arbeit in einen: anderen Zimmer voll-
enden, in den: — ich blies die Lampe aus — in den: etwa
das Sopha an der anderen wand stände, und ich, um meinen
Geist in einem bewußten Gedankenkreis weilen zu lassen, auf
meinen: Sitz erst eine ganze Wendung nach rechts machen müßte,
so wäre das für mich nicht nur störend, sondern einfach un-
möglich. Du begreifst also", fuhr ich mit erhöhter Stimme fort,
„daß ich dieses Zimmer behalten muß, und zwar allein, und
daß Du Dir also in den nächsten Tagen eine eigene Wohnung
suchen mußt, bei deren Wahl ich Dir natürlich gern behilflich
bin." Meine Mhren schwelgten in dem ihnen ungewohnten
Tonfall meiner Stimme, und ich fühlte mich in diesen: Augen-
blick zur Wiederholung aller peldenthaten der Weltgeschichte
befähigt. _(Schluß folgt.)
Alan glaubt's ihm nicht.
Sonntagsjäger (der endlich einen Hasen geschossen): „Ach,
wenn's jetzt doch in der Stadt keinen wildpretlad en gäb'I"
Doppeltes Vergnügen.
— „wie fühlt sich denn Ihre studierte Frau Gemahlin an
Ihrer Seite?"
— „Die ist sehr glücklich! Sie zankt mich zuerst auf lateinisch
aus, um es mir dann zu übersetzen."
Kleiner Schäcker.
„vorhin behauptete ein perr, in: hiesige» Iuugfrauenverem
seien lauter Lngell" — „Finde ich gleichfalls; wollen
gnädiges Fräulein nicht auch beischweben?"
Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und Verlag von I. F. Schreiber, beide in Lßlingei: bei Stuttgart.
Geschäftsstelle in München: Schnbertstraste 6.