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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 30.1897 (Nr. 340-353)

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Nr. 342
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https://doi.org/10.11588/diglit.28506#0034
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30

Meggen dorfers Humoristische Blätter.


rannten durch den Garten, „wir müssen sehen", flüsterte Beer
„daß wir vor ihnen ein Eoupe allein bekommenI"
Aber im selben Moment that er einen lauten Schrei und
Schliffe! sah, wie sein Freund unter einem aus der Dunkelheit
nach seinen: Halse greifenden Arm zusammenknickte.
Die Assefforinl Den hatte sein Schicksal ereilt!
Halb sinnlos vor Angst stürmte der Sekretär fort durch
Pfützen und Moore, über prügel und Steinhaufen. Endlich
leuchteten die bunten Laternen des Bahnhofs vor ihm auf.
Er umschlich diesen, sah den Zug vor sich stehen und war im
nächsten Augenblick in einen: Packwagen verschwunden.
Raun: noch hatte sich dort sein klopfendes Herz etwas be-
ruhigt, als er ein paar Gepäckschaffner an den wagen heran-
treten hörte.
Entdeckung — Zusammenlauf — Schande über Schande —
nimmermehr I
Er schlüpfte rasch in eine leere Kiste, zog deren Deckel über
sich weg und nahm mit Schaudern wahr, wie in der nächsten
Minute die beiden Schaffner einstiegen und auf der Riste Platz
nahmen.
Der Zug fuhr ab. Man näherte sich der Stadt. Da in
der vorletzten Station vor dieser fühlte sich Schliffe! zu seinem
Entsetzen plötzlich mitsamt der Riste emporgehoben und aus-
geladen.
„Die steht gut da, bis man sie morgen abholtl" — „Fertig!"
— „Ab!" Und der Zug dampfte davon.

Schliffe! stieg nach einer weile wie ein Geist aus seinen:
Versteck empor und trat durch Nebel und Regen den zwei-
stündigen Heimweg an. Das Unheil dieses Tages hatte ihn
fast fühllos gegen allen weiteren Hohn des Schicksals gemacht.
Mit wirrem Roxf und schlotternden Beinen stolperte er vorwärts.
—-Frau Anna saß seit mehreren Stunden an:
Fenster und schaute voll Todesangst auf die Straße. Er kam
nicht und kam nicht. Am Ende hatte er sich in seiner Ver-
zweiflung etwas angethanl Der arme, arme Eduard I Ach, ihr
Herz war ja nicht hart wie das der Assessorin, die ihren: Mann
nun gewiß wochenlang kein gutes Gesicht mehr gönnte — sie
hatte ihm ja längst verziehenl wenn er nur jetzt gesund und
heil wiederkämel
Da wankte eine Gestalt heran und lehnte sich, als sie das
Licht hinter dem Fenster sah, unten an das Haus — erschöpft
und fertig I
„EduardI" rief Frau Anna leise: „Armer Männl Romm
doch heraufl"
Armer Männl Dieses Wort fiel wie ein Tropfen Gel auf
seine Herzenswunde. Er schlich empor und stand vor ihr.
„Aber wie siehst Du aus?" rief sie entsetzt. „Du zitterst ja
vor FrostI Nur rasch ins Bett mit Diri"
„Annal" stammelte er, als er in den weichen Rissen lag
und von der Taffe Thee, welche sie ihm gereicht hatte, wohl-
thätige Wärme durch seine Glieder floß. „Dir gehören in Zu-
kunft alle Putztage — Dir allein I Nur schilt nicht mehr— ich
hab's abgebüßtl"

Der verschwundene Ätown.


Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und Verlag von I. F. Schreiber in Eßlingen bei Stuttgart.
Geschäftsstelle in München, Schubertstrahe 6.
 
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