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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 31.1897 (Nr. 354-366)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20913#0047
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Meggendorfers Hurnoristische Blätter.

39

Vergleich.

Schriststeller tzu selner jrau, die in seinem Arbeitszimmer „groß

reinmacht", b,umme„d): „Alle meine Bücher herunterznreißen, als
ob das nicht die Rezensenten schon geniigsam besorgtenl"

Die schönste Vartie.

Freundin: „Melcher Partie gibst Du den vorzug — der
Land- oder Wasserxartie?"

Oame: „2er partie, die zu einer jdartie führt."

Vedingung.

— „Bist Du im neucn Touristen-Alub?"

— „Nein, erst wenn ich mal anständig abgestürzt bin, nehmen
sie mich aufl"

ÄeheilL.

tzunioreske von Wilhclm Miillcr.

ch bin so glücklich, ein Muster von einer Gattin mein
eigen nennen zu können. Ihrem einnehmenden Aeußern
entspricht ein gütiges Lserz und ihr liebenswürdiges
Ivesen gewinnt ihr dic Zuneigung aller, die mit ihr
in Berührung kommen. Bei alleni Interesse für die großen
probleme unsercr Zeit, sowie fiir Aunst und Litteratur, zeigt sie
ein tiefes verständnis für die Aufgaben der Aochkunst und ist
in der bsemdenknopf-Frage über jeden Zweifel erhaben. Meun
ich mir eine Nachmittagscigarre erlaube, so erblickt sie in dem
Rauch keine Gefahr für die keusche Reinheit ihrer Spitzenvor-
hänge, und komme ich einmal vom Stammtisch spät nach Lsause,
so gibt es keine Gardinenpredigten. Jch habe also allen
Grund mit meiner besseren Lsälfte mehr als zufrieden zu sein
und dennoch besitzt, oder vielmehr besaß sie einen Makel, welcher
den Glanz ihrer Tugenden verdunkelte und im ersten Iahre
unserer Lhe oft recht unliebsame verstimmungen hervorrief.
Diese Schwäche meiner Frau war — ihr Rezeptenbuch.

Geheilt.

In einem dickleibigen Lolianten hatte fie nämlich von
ihrem fünfzehnten Lebensjahre an Zeitungsausschnitte, welche
Ratschläge über Lrziehung, lvinke für Toilette, besonders aber
gemeinnützige bsausmittel und medizinische Rezepte enthielten,
in alxhabetischer Reihenfolge und mit dauerhaftestem Gummi
eingeklebt nnd zwang ihre Umgebung, vor allem aber mich,
ihre gexriesenen Mttel bei jeder Gelegenheit anzuwenden.

Zu ihrem ersten Geburtstag machte ich ihr einen hübschen,
matt geölten Tisch ans Lichenholz zum Geschenk. Sie wollte
demselben durch einen in ihrem Rezextenbuch empfohlenen
Firnis Glanz verleihen, lackierte das zierliche Ulöbel, so daß
seine gediegene vornehmheit unter einem xrotzenhaft gleißenden
Anstrich verschwand und mir sein Anblick unerträglich wurde.

Nicht lange nach unserer verheiratung litt ich an' einem
leichten Anfall von kseiserkeit. Meine Frau holte ihr Rezeptcn-
buch hervor, las über Aehlkoxfkatarrh nach und entschied sich
schließlich für kalte Umschläge. Als aber mein lhals trotz ener-
gischer Anwendung der letzteren eher schlimmer als besser wurde,
zog sie ihr Rezeptenbuch wieder zu Rate und entdeckte jetzt,
daß die neuere Niedizin eine Behandlung mit heißem lvasser
begünstige. Infolgedessen mußte ich mir letztere gefallen lassen,
bis ich endlich, wie ich annahm, ganz von selber meine Lseiser-
keit losward.

Im folgenden Frühjahr hatte ich Ulangel an Apxetit und
litt ein wenig an nervöser Aufregung. Uleine Frau besragte
ihr Aompendium, und — axfelsaures Lisen, um mein Blut zu
verdicken, ward zur Losung bei jeder Ukahlzeit. Dabei büßte
ich denn nach und nach meinen Appetit gänzlich ein. lvieder
apxellierte meine Gattin an ihr Rezeptenbuch, und jetzt galt
es Sassafrasthee zu trinken, um mein Blut zu verdünnen.
Diese Aur mußte ich fortsetzen, bis ich zum Skelett abmagerte
und schließlich einen Antrag erhielt, mich in einem Raritäten-
kabinett als „Anochenmann" ausstellen zu lassen.

Zuletzt wurde mir eines klar — die Tyrannei des Rezepten-
buches mußte gebrochen werden, oder mein häusliches Leben
ward zum Fegefeuer auf Lrden. Da führte das Glück einen
meiner Iugendfreunde, den bekannten Nlenschendarsteller Lessoir
— eigentlich hieß er Löser — einige Tage auf Besuch in unser
ksaus. Lr war ein feiner dixlomatischer Aoxf, erkannte so-
gleich, wie unser sonst so glückliches verhältnis durch die un-
solige Nlanie meiner Frau gestärt wurde, und als ich ihm in
einer vertraulichen Plauderei mein lherz ausgeschüttet hatte,
sann er ein IVeilchen nach, richtete sich xlätzlich auf, warf sich
in die richtige lseldenxose und sxrach: „Dem Nlanne kann ge-
holfen. werden." Dann teilte er mir einen Plan mit, ich war
sogleich für denselben gewonnen und erklärte mich zur getreu-
lichen Ulithilfe bereit.

Am zweiten Tage seiner Anwesenheit klagte mein Freund
beim Uuttagessen über einen brennenden Schmerz im Auge.
Das war lvasser auf die Niühle meiner Gattin. Sogleich
erhob sie sich voin Tisch, zog ihr Rezeptenbuch zu Rat, welches
für diesen Fall ein Bad von Aamillenthee verordnete. Das
kseilmittel wurde mit größter Sorgfalt zubereitet und von meiner
besseren Lsälfte dem Freunde höchst eigenhändig ins Auge ge-
gossen. Am Abend klagte letzterer übor gesteigerten Schmerz
und bat — wir saßen gerade zu Tische — um den Aartosfel-
salat. Nkeine Frau reichte ihm dienstfertig die Schüssel, Lessoir
sagte Dank, streckte die ksand aus, und meine Gemahlin in
der Uleinung, das Gefäß sei von ihrem Gegenüber erfaßt
worden, ließ die Schüssel los. Sie siel krachend nieder, während
der jdatient die Rechte in die leere Luft streckte. Lr entschul-
digte sich mit gut gespieltcr Lrschrockenheit und erklärte, daß
er seit dem Aamillenbad die Lntfernung der Gegenstände nicht
 
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