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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 31.1897 (Nr. 354-366)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20913#0087
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Meggendorfers Hurnoristische Blätter.

7Y

Arüyreif.

Lumoreske vo» Hans Fraungruber.

runten beim Aeuschler, im Breuningerhäusl, geht es
stürmisch zu. Der Breuninger sitzt am Tische und lugt
arg verdounert unter den buschigen Brauen hervor,
sein weib schluchzt, und der kleine Bube, der sich an die Falten
ihres Rittels klammert, schreit wie beim Iahnbrecher. Der
Krämer vom unteren Dorfe hat ihnen just die bsölle heiß ge-
macht; nun geht er, hält aber auf der Thürschwelle und keift
zurück: „Alsdann, 'bald morgen srüh die fünfundzwanzig Gulden
nit 'zahlt san, klag ich die Schuld ein, und ös werdts aus-
pfändet, merkts enks, ös Glumxertl" Draußen ist er.

Der Breuninger wartet ein Meilchen, dann fährt er empor
und schüttelt die Faust uach dem Abgehenden. „lvie hat er
g'sagt? was hat er g'sagt? Glumpert hat er g'sagt? Na,
wart, Kramerseel, nit ein lukerten tfeller kriegst z'sehn von
mirl"

„Freili ah noh," jammert das weib, „nacher verschachert
er uns d' tsütten — willst 'leicht in Winter in a Akausloch
schliefen mit weib und Lind? Glei schaust dazu, daß d' wo
's Geld herbringstl"

Der lNann lümmelt über die Tischplatte, reckt seiner The-
hälfte den rupxigen Schnauzbart vor's Gesicht und höhnt: „wo
ist denn Dein wo? woaßt Du ein' Narrn, der uns noch ein'
ksosenknoxf leiht? Ih nitl wann ih die ganz Gmoan durch
a Reuter beutel, fallt koaner durch, den mr nix schuldi san —
is a so oder nit?"

Schwermütig zipfelt die Breuningerin am Fürtuch und
wackelt mit dem Koxfe. „Is aber ah a Kreuz, daß just die
armen Leut nie a Geld habnl" seufzt sie und xutzt ihrem Buben
die Nase, während der lllann sinnierend die Stube durchmißt
und in der Luft herumfingert, als seien die Ratschläge wie
Fliegen zu fangen. Nun hält er vor dem Schranke still, stemmt
die Tllbogen auf und legt die Finger nachdenklich an die Stirne.
„woaßt noh, Leni, wie die Veverl auf d' welt kema is, da
hat uns die Frau Gräfin vom Gschloß droben dreißig Gulden-
zettel spendiert. Wann mit der was z' machen wärl"

Die Keuschlerin führt schluchzend die Fürtuchzipfel an die
Augen. „Däs Geld ist lang hin, und d' Veverl is ah schon
g'storben. Aber däs sag ih Dir, Kasper, der Frau Gräfin bist
schon z' oftmächti kema; däs hat koan Schick nit, 'bald mr 'n
Leuten allweil die Stubenthür einrennt. wie d' Veverl kema
is, daselbn war was anders, mein lieber votal"

„Sel wohl," bekräftigt dieser, „ja Leni, wanns d'halt
wieder a Kloans hättst, aft wär uns eppa gholfen."

„woher nehmen und nit stehlen?"

„Jh moan halt glei; nacher kunnt ih ein' Gang wagen
aufi ins Gschloß. Schau, Leni, a dreißig bfaderln tragets wohl
wieder, dö kunnt ih 'n Kramer, den schmutzigen Saderlumxen,
auf die Budel schineißen."

„Du redst was zsamm, 'bald der Tag lang is," nickt klein-
mütig das Weib und reibt eifrig an den Knieen, „was nutzt
das ksin- und tferoaten — 's is nix, und 's wird nixl"

Rlit stieren Blicken brütet der Keuschler vor sich hin, als
könne sich mittlerweile die Natur zu einem wunder bequemen,
er zerrt an seinen Knöpfen und kratzt flch die Dhren. jAötzlich
wendet er sich hastig gegen die Leidensgefährtin, ein rettender
Gedanke ist ihm in den weg gelaufen. „Ih thus, Leni, ih
thus, meiner sechs, ih bins imstandl"

„Marand Anna, was denn?" Fragend und angstvoll hängt
jhr Blick an seinen Lixxen.

„Ih geh ins Gschloß — und ih woaß, was ih sagl"
„Kasxer, bist nit recht an? was willst 'n fürbringen?"
„Schau Leni," wisxert er und setzt ihr den Zeigefinger an
die Brust, „alles liegt umadum voll Schneeg'wahn, die Frau Gräfin

traut sich hiaz nit von Vfen füra — ih sag's, wanns ah nit
wahr isl"

Die Breuningerin schaut ihn ungewiß an, zögernd erhebt
fie sich und faßt kramxfhaft die Tischkante. „was sagst? Ih
versteh Di nitl"

„Daß D' a Kloans hast, sag ihl"

Iammernd ringt sie die ksände. „Aber Mann, bist über-
gschnaxxt? wie kannst so was sagen, wo koa Gsxur nit isl
Denk Dir doh, wann d' Frau Gräfin käm oder herschicken that?"

„Bald s' wen schickt, aft laß ih neamd eina, und selber
kimt s' nit, ehwenn der Schuee nit weg is."

„Und in Fruahjahr?"

„Na mein, bist Du dalkert," lacht der Keuschler, „aft sagen
mr halt, 's Kloane haben mr zu Dein Brudern geben oder zu
meiner Schwester oder zu meiner Mahm —"

„Lsabn mr so weng oane, wie a kloansl" stöhnt die Fas-
sungslose.

„Is mr hiaz alls gleich," lacht wieder der Mann, „gut
is's, und ih geh! Richt mir ein Kaffee her, 'bald ih z'ruck
kim mit 'n Geld, Leni, und fiircht Dih nitl Mr san ja koans
nit auf's ksirn gfallen."

Lntschlossen greift er nach seiner Pudelmütze, stülxt sie
über die Ghren, tappt aus dem tfause und watet durch den
hohen Schnee in die kalte Landschaft hinein.

Sein weib lugt ihm durch die halbblinden Scheiben der
kleinen Fenster nach, dann hastet es in der Stube um, rückt
die Stühle zurecht, bläst den Staub von dem wackligen Tische
und zankt mit dem Buben, der einem bsampelmanne mühsam
die Beine abgebrochen hat und nun den Koxf auf seine ksalt-
barkeit prüft. von Zeit zu Zeit eilt die Sorgenvolle wieder
zu dem Lugaus, einmal trixpelt fie gar auf die Schwelle der
Keusche und späht unter der vorgehaltenen ksand nach dem
verwegenen Gliicksritter aus. Lndlich macht fie sich an dem
kserde zu schaffen, um mit zitternden thänden nach ihres Mannes
Geheiß das kaffeeähnliche Getränke zu brauen.

So verrinnt eine Stunde. Die Breuningerin kniet wieder
vor dem Feuer und bläst hinein, daß die Asche stiebt; der
Stammhalter hat glücklich den Koxf des bsampelmanns herab-
gerissen und plaxxert vergnüglich vor sich hin. Da xlatscht ein
derber Schritt in den Flur, ein Stampfen und Schlurfen, die
Thüre fiiegt auf, und der Keuschler ist wieder daheim. Lr
feuert die Mütze in den winkel, reckt fich und streckt sich in-
mitten des Gemaches und tixpt schließlich mit der Faust kräftig
auf seinen bsosensack. „Leni, was glaubst, was han ih da drein?"

Atemlos starrt ihn das weib an.

„Mein ksäusl han ih drein, Leni, als a ganzer han ih's
dreinl" jauchzt der Mann, zerrt etliche Banknoten hervor und
wirft sie auf den Tisch. Die Breuningerin sperrt Mund und
Augen auf, räkelt stch empor und kommt zögernd heran, wäh-
rend der Iunge fruchtlose versuche wagt, einen Stuhl zu er-
klettern. „Bin ih a Kerl oder nit?" brüstet sich der Breuninger,
indem er sich selbstgefällig in die Brust wirft. „woaß ih, wo
der Barthl 'n Most holt? Außagruckt is s' mit die Lseiligen-
bildn, und grüßen laßt s' Dih schön, und ein' warmen Löffel
kriegen mr morgen ah z'essen."

„Aber recht is 's nit, Kasxer, gar nit rechtl" wendet die
bestürzte Lhehälfte ein.

„Die Lsüttn verschachern is ah nit recht," poltert der Gatte.
„Der Kramer wird sxitzenl Auf der Stell schmeiß ih ihm 's
Geld hin — zwanzig Gulden kriegt er, koan lumxigen pfiffer-
ling mehrl Und z'frieden muß er sein, und Geltsgott muß er
sagn, sist kauf ih mein Sach bei ein andernl Lin' süaß'n wein
bring ih Dir mit, Leni, und a Bröckl Fleisch tragt's ah heutl"
 
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