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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 31.1897 (Nr. 354-366)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20913#0108
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LNeggendorfers Humoristische Blätter.

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weiter treiben, ein Spiel, wo der Line verlieren muß und das wird sie
seinl Bist Du nicht ein ganz arger, schlimmer, verstockter Sünderl?

Mein T>u: Das bin ich, wahrhaftigl (Dabei trat ich vor den Sxiegel, um zu
sehen, wie ein verstockter Sünder ausschaut).

INein Ich: Nun dann, versprichst Du Dich zu bessern und von Fräulein Gret-
chen zn lassen?

Mein Du (heftig): Sie sind ein Lsel, mein Herrl

MeinIch: Nun, dann bleibt nichts übrig, als ste zu heiratenl Das werde ich auch
thun, rief ich mit Stentorstimme und drehte mich dabei auf dem Absatz um.
Lines Tages sah der jdrofessor meinen jdlatz unter seinen lsörern leer. Der
gute Iunge, so dachte er, hat fich gewiß durch Studieren zu sehr angestrengtl Zu
derselbigen Stunde weilte ich in der Wohnung des Professors und nahm dar-
in eine ungewöhnliche Stellung ein. Ich hielt Gretchen nämlich in meinem Arm
und küßte sie nach kferzenslust, indem ich ihr versicherte, dies sei das Recht und
die j)flicht eines Bräutigams nach dem hier zu Lande geltenden Gesetze, das ich
von früheren juristischen Studien sehr genau kenne. Vor meinem akademischen
Missen beugte sie sich natürlich in Demut. Frau Müller trat plötzlich in die
Stube; sie zog sich, offenbar in dem Glauben eine vision zu haben, zurück. Ich
erklärte ihr aber die Situation. Da schlug die brave Frau ihre kjände über dem
Aopfe zusammen und rief ein über das andere Mal: „lferr Doktor, kferr Doktor
(so nannte sie mich stets), Sie sind doch ein sehr verständiger Mann." „Ia aber",
erwiderte ich, „was wird Ihr Professor sagen?" „Dafür sorge ich", sagte sie und
stellte sich in eine so kriegerische jdosition, wie ich sie noch nie an ihr bemerkt hatte.
N)ir dreie schmiedeten nun eine schreckliche verschwörung.

Zu Mittag am nächsten Tage hatte ich mich angesagt. Der j)rofessor war
sehr guter Laune und ein guter „Tropfen" that das Seinige, um sie immer besser
werden zu lassen. Mein alter Freund sührte eine lebhafte Unterhaltung, an der
Gretchen und ich nur als Zuhörer teilnahmen. „lvas haben Sie nur?" sagte
er zu mir, „Sie sehen so zerstreut aus." Ich sah ihm zum ersten Male während
des Lssens gerade ins Auge und sagte: „Ach, lserr jdrofessor, ich habe eine schreck-
liche Thorheit begangenl" „j)rost auf die Dummheit," rief er heiter, „sie ist die
Stiefschwester der Alugheit und wer nie in seinem Leben eine Dummheit ver-
brochen, der ist kein rechter Nannl Aber beichten Sie, mein lieber Sünder, und
erleichtern Sie Ihr lserz." „kjerr j)rofessor," sagte ich, ihm fest in das Auge blickend,
etwa wie ein Mörder seinein Dpfer, ehe der tötliche Streich gesührt wird,
„ljerr Professorl" . . . „Nun, (er setzte sein Glas, das er schon erhoben, nieder)
was denn?" „Ljerr j)rofessor," sagte ich, „ich habe mich — verlobt." Dem j)rofessor
fiel die Gabel aus der ljand. „Das ist allerdings eine Dummheit, mein Freund,"
sagte er, „nnd — ich bedaure Sie aufrichtig; denke Dir Gretchen, er hat sich —
verlobt, der Unglückliche!" Der j)rofessor sah Gretchen an, in dem Glauben, von
ihr die Bestätigung der unerhörten Dummheit zu hören. Sie schwieg. „Aber
Gretchen, Du bist ja ganz bleich, was ist Dir," rief er angstvoll. „Mnkel", sagte sie,
indem sie ihre ganze Araft zusammen nahm, „ich habe — ich habe mich — auch
— verlobt." Das Gesicht des j)rofessors in diesem Augenblick war nicht zu be-
schreiben; der sonst so klug drein schauende sah gerade nicht geistreich aus. Nach-
dem er sich einigermaßen von seinem Lntsetzen erholt hatte, begann er gegen
seine fast ohnmächtige Nichte loszudonnern. Ich hörte nur Worte wie: Undank, ver-
lassen, alter Bnkel, unerfahrenes, leichtgläubiges Ding, Unglück und vernichtung ..

Jn diesem Augenblicke brachte die Lrau Müller das Dessert herein. „Aber
was haben Sie denn, lherr jdrofessor?" rief sie. „lvas ich habe," stöhnte der, „was
ich habe" — er rang nach Atem—„das ist nicht zu sagen, Frau Müller, hören
Sie: kjerr .... hat sich verlobt .... Gretchen hat sich verlobt .... haben Sie
sich etwa auch verlobt?" rief er, einem xlötzlichen Linfall folgend. „Nun," er-
widerte die kluge Frau Müller, „haben Sie denn schon gefragt, mit wem sich
die kjerrschaften verlobt haben?"

Ich konnte mich nicht länger auf meinem j)latze halten, ich schlang meine
Arme leidenschaftlich um meine kleine Braut, die ihr Aöpfchen wie Zuflucht
suchend, an meiner Brust barg; gerade unter der Statue der Göttin der Liebe
geschah das. Der j)rofessor sah uns beide erstaunt an; offenbar sanimelte er
seine Aräfte zu einem neuen Angrisf. Diese Unthätigkeit benutzte Frau Müller.
Ich hörte halb, wie sie von dem „vortresflichen Menschen" dem „Glück seiner
Nichte," vonZusammenbleiben für alle Zeit und anderenDingen mehr, beredt redete.
„Nun gut denn," rief der j)rofessor, „ich will ihnen verzeihen, aber" .. „Aein Aber,"

rief die gute Frau Müller, „6err j)rofessor, den-
ken Sie doch an Ihre Nichte, j)rofessorchen,
sehen Sie, wie sie sich ängstigt;" . . . sie zog ihr
Taschentuch heraus. „Gretchen," rief sie unter
schluchzen, „Gretchen versprechen SieIhremBnkel,
daß Sie es nie wieder thun wollenl"

Der Ähapeau claque

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und verlag von I. F. Schreiber in Lßlingen bei Stuttgart.

Geschäfksstellq in Münrhen, Schubertflratze 6.
 
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